Mit Kurs auf GOTT ins Neue Jahr

"Nichts kann uns je von der Liebe Gottes trennen, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn"

Predigttext: Römer 8, 31b-39
Kirche / Ort: Katharinenkirche / 21640 Bliedersdorf / Evangelisch-lutherischer Kirchenkreis Buxtehude
Datum: 31.12.2015
Kirchenjahr: Altjahresabend
Autor/in: Pastorin Manuela Handelsmann

Predigttext: Römer 8, 31b-39 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt. Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? Wie geschrieben steht (Psalm 44,23):»Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe. « Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat. Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.

Vorüberlegungen

Ein Gedicht von Erich Ferstl und die Gedanken von Dirk Schulz und Kathrin Oxen in den Predigtstudien inspirieren mich, eine Reise auf einem Floß zu machen, mit Jahresrückblick. Den Predigttext mag ich nicht „auslegen“. Den genieße ich am liebsten pur. Deshalb baue ich ihn am Ende in die Floßfahrt ein. Dieses Mal in der Version der „Neuen Genfer“ Übersetzung.

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Mögen Sie Wasser? Ich meine jetzt nicht Wasser zum Trinken im Glas. Sondern ich meine: an der Elbe sitzen und den Containerriesen nachschauen oder selbst auf dem Meer eine Kreuzfahrt machen oder mit dem Kanu über Flüsse und Seen paddeln. Ich mag es auf dem Wasser zu sein, allerdings nur, wenn das Wetter gut ist und das Wasser warm. Heute lade ich Sie zu einer Floßfahrt ein auf dem Fluss der Zeit. Setzen Sie die Füße vor sich unter die Bank auf das Brett, dann werden Sie nicht nass. Diese Stunde am Altjahresabend brauchen Sie auf dem Floß nichts zu tun. Es ist hinten und vorn gut festgemacht. Wir haben eine Stunde Zeit – in einer Schleuse. Wir bewegen uns mit dem hereinströmenden Wasser aufwärts. Dem Himmel näher, so hoffe ich in jedem Gottesdienst dem Himmel ein bisschen näher zu kommen. Solange das Floß in der Schleuse liegt, haben wir frei. Wir können in Ruhe unseren Gedanken nachhängen.
Schauen wir auf die Strecke zurück, die wir im letzten Jahr zurückgelegt haben. Was ist ein Jahr auf dem Fluss der Zeit?

Von einer Dame, die sich schon über achtzig Jahre mit dem Ruder müht, habe ich gehört: „Wissen Sie, was da am Ufer des Weltgeschehens und der Politik alles los ist, das interessiert mich nicht mehr so”. Nun, ich schaue ständig über das Fernrohr, das Fernsehen, die Zeitung oder das Internet, was am Ufer passiert. Im Januar Anschläge in Paris auf eine Satirezeitschrift und einen jüdischen Supermarkt. Immer wieder Schlagzeilen über Griechenland und seinen Superstar-Finanzminister. Im März kommen 150 Leute bei einem Flugzeugabsturz um. Ein kranker Copilot nimmt sie mit in den Tod. Wenn ich vom Floß zum Land schaue sehe ich das ganze Jahr Flüchtlinge mit Plastiktüten und Koffern am Ufer. Sie winken. Im Herbst die Erkenntnis, dass bei Dieselautos von VW aus dem Auspuff Abgase kommen und kein Sauerstoff. Im November, während ich am Fernseher sitze und ab und zu in das Länderspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft zappe, werden in der Nähe des Stadions in Paris über hundert Menschen abgeschlachtet.

Eigentlich ist das, was ich von meinem Floß aus beobachte weit weg. Aber als ich im April in einen Flieger gestiegen bin, habe ich doch kurz ein Bild von Flugzeugtrümmern vor Augen. Eingestiegen bin ich trotzdem. Ich habe auch geschluckt als meine Kinder Ende November erklärt haben, sie gehen zum Fußball nach Hamburg. Ich habe mein „passt auf euch auf“ runtergeschluckt. Auf sich aufgepasst haben die Kinder entweder immer schon, wenn sie beim Fußball waren, oder es nützt ohnehin nichts. Und die Flüchtlinge, die am Ufer stehen und winken? Ich bin dafür, sie auf das große Deutschlandfloß zu holen. Ich bin dafür, sie mitfahren zu lassen. Als meine Kinder noch klein waren, haben sie gern auf einem Floß gespielt. Auf einem Spielplatz war extra für ein Floß ein Teich angelegt worden. Da war immer was los. Wenn eine ganze Horde Kinder auf das Floß stürzte, bekam es Schlagseite und die Kinder nasse Füße. Die Flüchtlinge auf dem Deutschlandfloß sollten gut verteilt werden, damit keine Schlagseite entsteht. Wir müssen ein bisschen zusammenrücken und bei voller Fahrt anbauen und ausbauen. Ich hoffe wir haben viele kluge Köpfe, die das hinbekommen. Menschen, die anderen ins Floß helfen, gibt es ja, Gott sei Dank. Es wird auch noch darauf ankommen, dass nicht gleich Panik ausbricht auf dem Floß, wenn mal eine Welle rüber den Rand schwappt.

Wer auf einem Floß unterwegs ist, ist immer in Gefahr. Wer auf dem Fluss des Lebens schippert, hat vielleicht mal ruhige Zeiten, so wie wir im Augenblick in unserer Schleuse, aber sicher ist doch niemand im Leben. Mein Lieblingsspruch zu Silvester ist von Erich Kästner: “Wird’s besser, wird’s schlechter? So fragt man alljährlich. Sein wir mal ehrlich: Das Leben ist immer lebensgefährlich”. Also ich habe mich entschieden: Was auch draußen am Ufer passiert: Ich bleibe hier nicht in der Schleuse. Ich mache die Leinen meines Floßes wieder los. Ab durch die Mitte, heute Abend noch Freunde besuchen. Ob ich heil dort ankomme, hängt von meiner Fahrweise ab, von den Wetterverhältnissen unterwegs, von Zufällen …, von Gott. Aber ein Floß ist dazu da, den Fluss entlang zu fahren, nicht dazu, in der Schleuse zu verrotten. Aber den Aufenthalt hier könnten wir nutzen ans Ufer zu stellen, was auf dem Floß nicht gebraucht wird. Was nur unnützer Ballast ist. Alten Groll, Streit, Selbstvorwürfe, Kränkungen und Kleinkariertes – an jeder Schleuse gibt es einen Abfalleimer. Weg mit allem, was Sie nicht mehr brauchen. Ich packe meine Abfälle übrigens in einen dunkeln Sack, muss nicht jeder sehen, was da von mir über Bord geht. Hier an der Schleuse können wir auch Dinge neu an Bord nehmen. Sie können mit aufs Floß nehmen, was Sie möchten. Ich entscheide mich für eine Rettungsweste: Sie ist mit Buchstaben und Wörtern übersät. Sie lauten (Römer 8,31b-39, Übersetzung Neue Genfer):

Gott ist für uns; wer kann uns da noch etwas anhaben? Er hat ja nicht einmal seinen eigenen Sohn verschont, sondern hat ihn für uns alle hergegeben. Wird uns dann zusammen mit seinem Sohn nicht auch alles andere geschenkt werden? Wer wird es noch wagen, Anklage gegen die zu erheben, die Gott erwählt hat? Gott selbst erklärt sie ja für gerecht. Ist da noch jemand, der sie verurteilen könnte? Jesus Christus ist doch für sie gestorben, mehr noch: Er ist auferweckt worden, und er ´sitzt` an Gottes rechter Seite und tritt für uns ein. Was kann uns da noch von Christus und seiner Liebe trennen? Not? Angst? Verfolgung? Hunger? Entbehrungen? Lebensgefahr? Das Schwert ´des Henkers? Mit all dem müssen wir rechnen, denn es heißt in der Schrift: »Deinetwegen sind wir ständig vom Tod bedroht; man behandelt uns wie Schafe, die zum Schlachten bestimmt sind.« Und doch: In all dem tragen wir einen überwältigenden Sieg davon durch den, der uns so sehr geliebt hat. Ja, ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch unsichtbare Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch gottfeindliche Kräfte, weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung uns je von der Liebe Gottes trennen kann, die uns geschenkt ist in Jesus Christus, unserem Herrn.

Ich habe es mir nicht ausgesucht, auf dem Floß durch die Zeit zu reisen. Ich kann mir aber aussuchen, wie ich weiter fahren will, wenn sich die Schleusentür öffnet. Ich kann mich durch die Zeit treiben lassen und jammern über alles, was passiert: Die Welt ist schlecht, die Menschen neben mir gemein, es regnet zu viel, die Sonne versengt mir die Haut. Ich kann mich aber auch ans Ruder stellen und Kurs auf Gott setzen. Gott ist für uns; wer kann uns da noch etwas anhaben? Also wenn Gott das Ziel ist, was kann schon passieren? Zugegeben, wenn die Schleusentore aufgehen und das neue Jahr beginnt, weiß ich nicht, wie der Fluss vor mir aussieht. Mag sein über dem Fluss stehen die Mücken. Sie stechen und ich werde krank, dass ich das Ruder nicht mehr in der Hand habe. Oder der Fluss wird schnell und ich steuere das Floß unter die Bäume und komme nicht weiter. Verheddre mich durch meine eigenen Fehler. Das wäre ganz fürchterlich, wenn ich im nächsten Jahr, auf den nächsten Flusskilometern ein bestimmtes Ziel habe. Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.

Wenn das Floß bei Gott ankommen soll, dann wird es das. Schnell oder langsam, mit dem Strom oder gegen den Strom. Und wenn ich über Bord gehe, weil ich selbst zu paddelig war und das Gleichgewicht nicht halten konnte, oder weil mich jemand geschubst hat, derweil das Floß gekentert ist: Gott ist für uns; wer kann uns da noch etwas anhaben? Ja, ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch unsichtbare Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch gottfeindliche Kräfte, weder Hohes noch Tiefes, noch sonst irgendetwas in der ganzen Schöpfung uns je von der Liebe Gottes trennen kann.

Worte wie eine Rettungsweste. Ich weiß nicht, wie lange eine Rettungsweste den Menschen trägt. Ich weiß nicht, wie lange mich die Worte des Paulus im Ernstfall tragen. Mein Floß hat schon öfter ganz schön geschwankt, aber ich bin noch nie über Bord gegangen. Ich bin auch noch nie auf die Idee gekommen, mit einer Rettungsweste in ein Schwimmbecken zu springen. So als Übung. Das ist wahrscheinlich auch sinnlos. Ob das Vertrauen zu Gott mich trägt, kann ich nicht üben.
Ich bin dafür, einfach die Rettungsweste überzuziehen. Wenn die Schleusentore aufgehen und das neue Jahr kommt, dann lassen Sie uns weiter den Fluss der Zeit hinunter fahren. Was auch kommt, wir nehmen es in den Blick, wir schimpfen oder genießen, wir rudern oder lassen uns treiben. Wenn wir die Rettungsweste brauchen, werden wir sehen, ob sie uns trägt. Gott ist für uns; wer kann uns da noch etwas anhaben?

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