Ostern – Berührung mit dem Lebendigen

Warum er nicht alt geworden ist, weiß niemand so recht, und dass er einen unwürdigen Tod gestorben ist, begreifen auch heute nicht alle

Predigttext: 1.Korinther 15,1-11
Kirche / Ort: Hamburg
Datum: 27.03.2016
Kirchenjahr: Ostersonntag
Autor/in: Pastor Christoph Kühne

Predigttext: 1.Korinther 15,1-11 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht, durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt. Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden. Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe. Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist. Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.

(Eigene Übersetzung Christoph Kühne 2016)

Ich lasse euch, Brüder, (noch einmal) das Evangelium wissen, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen haben,in dem ihr auch (feste) steht, durch das ihr auch gerettet werdet, wenn ihr euch an das Wort haltet, das ich euch verkündigt habe; ansonsten wärt ihr vergeblich zum Glauben gekommen! Denn ich habe euch als erstes weitergegeben, was ich selber empfangen habe:
dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach den Schriften,
und dass er begraben wurde
und dass er auferweckt wurde am dritten Tag nach den Schriften
und dass er Kephas erschienen ist - danach den Zwölfen;
daraufhin ist er über 500 Brüdern auf einmal erschienen, von denen die meisten bis jetzt (am Leben) bleiben, einige aber entschlafen sind; danach ist er Jakobus erschienen, dann allen Aposteln; als letzem aber von allen - wie einer Fehlgeburt - erschien er auch mir. Ich aber bin der unwürdigste der Apostel, der ich (eigentlich) nicht wert bin, Apostel genannt zu werden, weil ich die Kirche Gottes verfolgt habe; aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin, und seine Gnade, die zu mir gekommen ist, hat nicht vergeblich gewirkt, sondern mehr als alle anderen habe ich mich abgeplagt, nicht aber ich, sondern die Gottes Gnade mit mir. Seien es nun ich oder jene - so verkündigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Erste Gedanken beim Lesen des Predigttextes

Eine Erinnerung an den Glauben? Im Gespräch mit anderen Religionen wie derzeit mit dem Islam mag eine neue Besinnung auf unseren Glauben angebracht sein. Hält noch das, was wir als Kinder oder im Konfirmandenunterricht gelernt haben oder muss es ein neues „upgrade“ geben, eine Aktualisierung und damit eine Gesprächsfähigkeit auf unserer Seite? Die Korinther hatten seinerzeit das Evangelium von Paulus höchstpersönlich erhalten. Sollten sie den Herausforderungen ihrer Zeit nicht gewachsen gewesen sein? Paulus teilt ihnen (noch einmal) die „hardware“ ihres Glaubens mit, die Grundlage des Glaubensbekenntnisses. Mit seiner eigenen Person steht er für seine Botschaft ein und die ist eine Botschaft der Gnade: „Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin“ (V 10a). Ist das seine Osternachricht?

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Er hat uns viele Geschichten vom Reich Gottes hinterlassen und dass es dort menschlicher zugeht, als wir uns oft träumen lassen. Er hat Menschen angesprochen und sie in Gespräche verwickelt, die ihr Leben verwandelt haben. Er hat zugehört, und Menschen wurden gesund, blickten wieder durch, wagten den ersten Schritt, gingen in ein sinnvolles Leben. Warum er nicht alt geworden ist, weiß niemand so recht. Und dass er einen unwürdigen Tod gestorben ist, begreifen auch heute nicht alle. Aber dass er lebt – trotz alledem! -, dass sein Geist Menschen auf dieser Welt ansteckt, dass sie versuchen wie Er zu leben, das bleibt – ebenfalls – ein Wunder. Wir feiern heute Seine Auferstehung, feiern, dass Jesus Christus lebt – in uns, in unsren Werken, in unserem Verhalten, in unseren Worten, Gesten, in unserer Gemeinschaft. „Jesus lebt – mit ihm auch ich. Tod, wo sind nun deine Schrecken?“ Dieses Lied singen wir voll Begeisterung und Trotz gegen alle Nein-Sager und Tod-Bringer! Heute haben wir wieder einen Brief erhalten. Gut, er ist aus dem Altertum, aus dem Beginn des noch jungen Christentums. Ein Brief des Apostels Paulus. Kann er den garstigen Graben zwischen ihm und uns heute überbrücken? Wir werden sehn!

(Lesung des Predigttextes, auch in einer eigenen Übersetzung)

Der Apostel will uns an etwas erinnern, was wir doch längst wissen, was wir in unserem Glaubensbekenntnis in jedem Gottesdienst beten, was wir vielleicht von unseren Eltern, vielleicht damals im Kindergarten oder vielleicht im Konfirmandenunterricht gelernt haben, was wir vielleicht auswendig wissen, singen, im Schlaf aufsagen können: Jesus sei für unsre Sünden gestorben, so sagt es schon das Alte Testament, er ist begraben worden wie auch wir unsere Toten bestatten, und er sei am dritten Tage auferweckt worden – auch hier scheint das Alte Testament recht zu behalten. Ich bin sicher, auch die antiken Empfänger dieses Briefes in der großen griechischen Hafenstadt Korinth wussten diese „Fakten“. Warum aber schreibt Paulus noch einmal diese hard facts des Glaubens? Es muss einen Grund gegeben haben!

Warum hören wir heute Morgen diesen Abschnitt des Briefes? Es muss einen Grund geben! Ich bekenne frei, dass mich die religiöse und gesellschaftliche Erschütterung durch die Flüchtlingsbewegung – oder sollten wir eher sagen, dass wir die Flüchtlinge wie einen Tsunami erleben, der über Europa und die Welt hereinbricht und wegzuschwemmen scheint, worauf wir bislang gebaut haben, was unsere Fundamente darstellte. Und dass viele von uns eine heimliche Panik erfasst: Wie können wir uns retten? Was müssen wir aufgeben zugunsten einer gelingenden Integration oder auch Inklusion? Und das Wichtigste: Welche Teile unseres Glaubens tragen uns und lassen eine gute Begegnung mit den Flüchtlingen zu?

An dieser Stelle lesen wir einen weiteren (bereits gehörten) Abschnitt unseres Briefes, in dem Paulus von sich spricht. Als ob die Großtat der Auferstehung nicht so wichtig wäre, bringt er sich ins Spiel. Er öffnet sein Innerstes und offenbart seine Vergangenheit als Großinquisitor, als Christenverfolger, als Christenhasser, der zweifelsohne auch Blut an seinen Händen hat. Er riskiert, dass seine Leser sich von ihm abwenden: So einem kann und darf man doch nicht glauben oder trauen. Was sind das für Werte, die einen z.B. die Christen für schlecht und böse und sich selbst für gut zu halten? Mein erstes Leben war geprägt von uns und die Anderen. Es gibt eben die Guten und die Bösen! So bekennt Paulus. Und dann habe ihn die Gnade – wörtlich übersetzt: der Charme Gottes gewandelt. Jetzt sei er ein anderer: Durch Gottes Gnade bin ich, der ich bin, sagt er selbstbewusst. Es ist, als ob Gott ihn aus der Todesspur geholt hätte. Es ist wie eine Auferweckung von den Toten. Jetzt sieht er Licht. Es ist licht um ihn – wie am ersten Schöpfungstag. Es ist, als ob er an der Auferweckung Jesu unmittelbar teil hätte. Und dabei hat der Apostel seinen Herrn nie erlebt, gesehen oder sogar berührt. „Jesus lebt – mit ihm auch ich! Tod, wo sind nun deine Schrecken?“ Die Auferweckung des Paulus zum Apostel Jesu Christi! Das will Paulus uns heute sagen – und fragen: Wo seht ihr bei euch eine Auferstehung ins Leben? Wo könnt ihr davon erzählen, dass ihr eine Todesspur von Hass gelebt habt und von Gottes Gnade ins Leben auferweckt worden seid?

Vielleicht ist es dieses Erzählen von sich, von eigenem Versagen, von Todeswünschen. Und dann erzählen wir, wie wir durch Gottes Geist ins Leben aufgestanden sind. Viele Menschen besuchen heute Flüchtlinge in ihren Unterkünften. Viele sammeln Dinge, die diese notwendig zum Leben brauchen. Dann wieder Gespräch und Informationen über die „Fremden“, die uns Sesshafte überfremden werden. Todesgespräche, die in die Angst führen, in die Ausweglosigkeit, in die – auch gesellschaftliche Depression. Die Argumente sprechen für sich, sind richtig und bewiesen. Doch helfen sie zum Leben? Helfen sie zu einem guten Miteinanderleben? Paulus: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Vielleicht will er uns mit einem Vertrauen gegen den Augenschein anstecken, gegen das Offensichtliche. Er will uns mit einem Vertrauen anstecken, das Menschen zueinander führt. Hier wird Jesus sichtbar, wie er sich Menschen zuwendet, sodass sie sich aufrichten können ins Leben. Hier wird Jesus hörbar, wie er Geschichten von gelingendem Leben erzählt. Hier wird Jesus erfahrbar, wie er mit den Menschen mitgeht, bei ihnen ist, unerkannt, wie damals mit den Jüngern von Emmaus.

Vielleicht hätte Jesus auch wie Paulus gesagt: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Wie anders können wir überhaupt leben? Sinnvoll leben? Vielleicht werden wir scheitern. Vielleicht werden wir die böse Seite der Menschen sehen. Vielleicht werden wir unsere ursprünglich gefassten Ziele nicht erreichen. (Können wir hier den alten Saulus hören, bevor er zum Paulus wurde?!) Doch das Gefühl der Gnade Gottes bleibt bei uns, trägt und hält und und führt uns Seinen Weg ins Leben. „Christ ist erstanden!“ Und wir wollen nicht weiter träge schlafen und unsere bürgerliche Existenz pflegen sondern dem Ruf eines uralten Christenliedes folgen: „Wach auf, der du schläft, und steh auf von den Toten, so wird Christus dir aufleuchten – oder wie eine andere Lesart schreibt: So wirst du Christus berühren!“ (Eph 5,14)

Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsre Herzen und Sinne in Christus Jesus!

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Ein Kommentar zu “Ostern – Berührung mit dem Lebendigen

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Sehr einfühlsam und gut formuliert führt Pastor Kühne zu Beginn in das Leben, Sterben und die Auferstehung von Jesus ein. Jesus lebt, sein Geist steckt noch heute Menschen an. Wir singen: Jesus lebt, mit ihm auch ich. Der Predigttext wird dann originell eingeführt wie ein Posteingang des Paulus-Briefs. Der Apostel erinnert daran, was wir zu unserer Zeit im Glaubensbekenntnis gelernt haben. Unser Problem heute ist die Flüchtlingsbewegung. Welche Teile unseres Glaubens tragen uns beim Engagement für Flüchtlinge? Paulus bringt bei der Verkündigung der Auferstehung sein früheres Leben als Christenverfolger ins Spiel. Er ist durch die Gnade Gottes gewandelt worden zum Nachfolger Christi. Jesus lebt jetzt in ihm. Wo aber sind wir durch Gottes Gnade auferweckt worden zu neuem Leben? Der Pastor spricht dann über die Verbreitung von Gottes Gnade. Wer die Flüchtlinge besucht, handelt so wie Jesus damals. Dort wird Jesus sichtbar. Eindrücklich ist der Schluss: “Wach auf, der du schläfst, so wird Christus Dich erleuchten”. – Sehr lebendig, gut formuliert und mit aktuellen Bezügen verkündet Pastor Kühne die Botschaft des Paulus zu Ostern. Eine schöne Osterpredigt.

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