Zu-Mutung, die Mut macht

Advent - abenteuerliches Neuland, in das Gott mich lockt

Predigttext: Lukas 1,26-38
Kirche / Ort: Evangelische Christuskirchengemeinde / Mainz
Datum: 18.12.2016
Kirchenjahr: 4. Sonntag im Advent
Autor/in: Pfarrerin Bettina Klünemann

Predigttext: Lukas 1,26-38 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria. Und der Engel kam zu ihr hinein und sprach: Sei gegrüßt, du Begnadete! Der Herr ist mit dir! Sie aber erschrak über die Rede und dachte: Welch ein Gruß ist das? Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria! Du hast Gnade bei Gott gefunden. Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben. Der wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben, und er wird König sein über das Haus Jakob in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Manne weiß? Der Engel antwortete und sprach zu ihr: Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, sie, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.
Maria aber sprach: Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr.

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Engel sind eine Zumutung

Engel sind eine Zumutung. Sie sind gar nicht so harmlos, wie es in diesen Adventstagen vielleicht aussehen mag – auf Weihnachtsmarkt und Geschenkpapier, als Plätzchen und in Werbespots. Lassen Sie sich nicht täuschen von schönen Gestalten und himmlischen Gesängen! Oder von pausbäckigen freundlichen Gesichtern. Engel haben es faustdick hinter den Ohren. Sie sind eine Zumutung … und nicht nur die nette Zugabe unserer Advents- und Weihnachtsgeschichten. In den entscheidenden Momenten melden sich diese himmlischen Boten zu Wort. An den Schlüsselstellen tauchen sie auf und öffnen ganz neue Wege. Was sie zu verkünden haben, ist manchmal kaum zu glauben und ihre Botschaft für die Empfänger kaum zu begreifen. Deswegen: Engel sind eigentlich eine Zumutung. Hören Sie, was der Evangelist Lukas schreibt über einen dieser Engel und seine Nachricht.

(Lesung des Predigttextes)

Das Leben ist eine Zumutung – für Maria

Eine Zumutung: Schwanger werden als junges Mädchen. Nicht verheiratet. Das soll Gnade sein?! Ein Sohn soll es werden. Sogar der Name ist schon ausgemacht: Jesus. Und dann all die Worte, was aus diesem Kind einmal werden soll: Sohn Gottes … ein König … und sein Reich wird kein Ende haben. Die junge Frau, die zukünftige Mutter, hat wenig mitzureden bei dieser sonderbaren Schwangerschaft. Maria musste sowieso schon mit vielem klar kommen. Jetzt noch das. Sie hatte es sich irgendwie anders vorgestellt. Wenigstens erhofft. Seit sie wusste, dass Josef ihr Mann werden würde. So ein wenig vor sich hin geträumt hatte sie gerade vor einigen Tagen. Wie sie aussehen könnte, ihre gemeinsame Zukunft: Ein kleines Glück! Familie, Kinder – und nicht so viele Sorgen. Unter den Römern litten sie alle. Kaum ein Tag ohne schlechte Nachrichten – von mehr Militär, von Putschversuchen und Hinrichtungen. Die Römer griffen hart durch. Aber sie könnten es sich als Familie doch gut einrichten. Wenn Josef genügend Arbeit hätte. Politik brauchte ihr Leben nicht durcheinander zu bringen. Aber jetzt das! Ein Kind! Was nun? Da bricht die große Welt in die kleine Welt ein. Da kommt es auf einmal ganz anders als gedacht. Das Leben konnte eine echte Zumutung sein.

Das Leben ist eine Zumutung – heute

Anderer Ort – andere Zeit: Und jetzt das! Was sollte jetzt werden? Da kommt es auf einmal anders als gedacht. Denn eigentlich klappte es gut in ihrem Ort mit der Flüchtlingsbetreuung. Viele halfen. Alle waren gut versorgt. Sie engagierte sich auch hin und wieder beim Fahrdienst. Oder vermittelte bei den Ämtern. Und dann stand er auf einmal vor der Tür mit seinem Koffer. Mit ihm hatte sie nicht gerechnet. Irgendwo war wohl eine Info falsch gelaufen. Sie hatte doch keine Wohnung frei. Aber wegschicken wollte sie ihn auch nicht gleich. Klar konnte er erst mal bei ihnen unterkommen. Platz war genug. Die Kinder aus dem Haus. Warum er bei ihr aufgetaucht war? Keiner konnte es sich später erklären. Aber es war gut, dass er da war. Dann hatten sie doch alles so arrangiert, dass er ein eigenes Zimmer, ein eigenes Bad hatte. Es war gar nicht so schwierig gewesen. Sie redeten viel – mit Händen und Füßen. Kochten manchmal gemeinsam. Sie hörte von einem Land, das sie nur aus den Nachrichten kannte. Doch diese Nachrichten von ihm waren viel schlimmer als alles, was sie vorher mitbekommen hatte. Nachts weinte er. Sie sah es an seinen Augen – wenn er sich morgens zum Sprachkurs aufmachte. Da bricht die große Welt in die kleine Welt ein. Da kommt es auf einmal anders als gedacht. Gott mutet sich uns zu. Bricht in unsere kleine Welt ein. Bricht in Marias kleine Welt ein. Weil Gott genau dort sein will. Weil Gott genau dort gefunden werden möchte. Es beginnt eine neue Zeit, in der Großes wächst, wo keiner es vermutet. „Fürchtet euch nicht!“

„Maria, wie hast du das geschafft?“

Maria, wie hast Du das geschafft? Dich darauf einzulassen? Waren Deine Zweifel tatsächlich so schnell ausgeräumt? Lukas hat dich so beschrieben. Als Frau, die vertraute und die bereit war, sich auf diese Geschichte mit Gott einzulassen. Ich ahne, dass er vieles weggelassen hat. Lukas. Vielleicht war es am Ende da: Dein Vertrauen, das ist richtig und gut. Doch die Zeit davor? Als das Kind dann da war. Du Jesus groß gezogen hast. Ihn begleitet hast, als er aus dem alten Leben ausbrach und zu predigen begann. Als Du Dir Sorgen machtest, weil er sich mehr und mehr entfernte von der Familie. Und von Dir. Als Du sein Sterben und seinen Tod ertragen musstest. Ich ahne Deine Angst in Deinem „Ja“. Dein Misstrauen. Deine Zweifel. Höre das „Aber, Gott“ heraus: „Was lässt du einfach geschehen?“ Und höre auch Deinen Mut in diesem „Ja!“, erst leise, dann lauter werden. Kräftiger. Durch alle Widerstände. Am Ende klar und deutlich: „Ja, es geschehe!“

Gott mutet sich uns zu und lässt unser „Ja“ wachsen

Gottes himmlische Botschaften sind wirklich eine Zumutung. Sie beanspruchen uns. Sie fordern uns heraus. Und gleichzeitig sprechen sie uns Mut zu. Sie sind Zu-Mutung! Dass in uns und durch uns etwas wachsen kann. Dafür steht Maria. Als junges Mädchen. Die konfrontiert wird mit dieser Nachricht: Du bist es. In Dir darf der heranwachsen, der Gott allen nahe bringt. Durch dich will Gott Mensch werden. Maria hat diese verrückte Nachricht ernst genommen. Gottes Zu-Mutung hat ihr „Ja“ wachsen lassen. Sie stark gemacht. Gott hat sie angesprochen und sie hat sich in Anspruch nehmen lassen.Auch ein Adventsgedanke: Wo lasse ich mich in Anspruch nehmen von Gott? Antworte ich mit klarem „Ja“ oder kommt ein zögerliches „Vielleicht, mal sehen, ich überleg es mir noch!“ Eine spannende Frage – in Zeiten, in denen wir gerne alles selbst im Griff haben und bestimmen wollen, was geschieht. Vielleicht rutscht auch im ersten Enthusiasmus ein „Ja, klar!“ heraus. Das gilt es dann durchzuhalten, das „Ja“ zu leben. Zu einer Entscheidung zu stehen – das braucht Mut.

Ein Zu-Mutungs-Experiment

Ich denke an ein Experiment, das vor zwei Jahren meine Oberstufenschüler unternommen hatten. Wir hatten lange über die Bergpredigt Jesu diskutiert. Sind es Gedanken, die tatsächlich umsetzbar sind im Leben oder sind es doch eher Regeln, die nur manchen Menschen gelten? Schließlich beschlossen wir, das Ganze zu testen: Jeder sollte sich einen Gedanken, ein Gebot Jesu herausgreifen und drei Tage lang versuchen, diese zu befolgen und danach zu leben. Gar nicht so leicht, war das Fazit von vielen am Ende. Manches lief schief: Es mussten noch nicht mal Feinde sein, die zu lieben waren. Es haben schon die gereicht, die man einfach nicht abkonnte. Mit denen offen und ohne Schablonen im Kopf zu reden, war eine Herausforderung. Auch auf eine Retourkutsche zu verzichten, wenn einer einen so richtig blöd anmachte. Schwer! Aber am Ende fanden es alle gut, sich diesen Anforderungen zu stellen. Nicht einfach zu sagen, das klappt sowieso nicht. Sondern es zu probieren und dranzubleiben, auch wenn es schwer fiel oder erst einmal schief ging – nach besten Kräften. Eine Zumutung, die Mut macht – diese Worte Jesu! Das war das Fazit der Schülerinnen und Schüler.

Eine Zumutung, die Mut macht

Eine Zumutung, die Mut macht! Nicht auf Anhieb. Aber wenn ich anfange, damit zu leben. Dann wächst der Mut. Schneller als der Frust. Eine Zumutung, die Mut macht. Wenn ich „Ja“ sage: Ja, ich will mich beanspruchen lassen. Nicht benutzen, aber beanspruchen lassen von Gott. Vielleicht ist die Sache mit den freundlichen Engeln dann doch gar nicht so verkehrt. Wer freundlich daher kommt und sympathisch wirkt, dem öffne ich schneller mein Herz … und sage „Ja“. Auf welches Abenteuer mit Gott ich mich dann wirklich eingelassen habe, das merke ich vielleicht erst später. Aber das ist Advent: abenteuerliches Neuland, in das Gott mich lockt, und ich gehe einfach los. Diese Engel! In Gottes Namen: „Ja!“ Ja und Amen.

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Ein Kommentar zu “Zu-Mutung, die Mut macht

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Unter dem Thema und dem Stichwort “Zumutung” formuliert Pfarrerin Klünemann eine ungewöhnlich klar gegliederte und originelle Predigt. Engel sind eigentlich eine Zumutung, aber sie öffnen neue Wege. Die Geburt Jesu ist für die unverheiratete Maria zur Rönmerzeit eine Zumutung. Das Leben ist eine Zumutung für Flüchtlinge und welche sie aufnehmen. Maria hat die Zumutung durch Gottvertrauen geschafft. Gott gibt auch uns den Mut, durchzuhalten. Junge Leute haben die Zumutung, ein Gebot Jesu einzuhalten, als Experiment durchgehalten, und die Zumutung machte den meisten Mut. Das ist Advent, dass ich der göttlichen Zumutung an mich folge und ich folge damit freundlichen Engeln. Diese Predigt verlockt vermutlich Prediger, den einzelnen klaren Schritten zu folgen in ihrer Predigt. Und die Zuhörer können dankbar beim Zuhören folgen und die Predigt anderen erzählen.

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