Unter dem schützenden Arm des Gekreuzigten
Nicht jedes Leiden, jeder Spott und jeder Schicksalsschlag ist eine Strafe Gottes
Predigttext: Lk 23,33-49 (Übersetzung nach Martin Luther)
33 Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum.
35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber! 38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König.
39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.
44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er.
47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser Mensch ist ein Gerechter gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um.
Exegetisches zu den Worten Jesu am Kreuz nach Lukas - Das Lukasevangelium als frohe Botschaft für die Verlassenen und Verlorenen
(nach: Werner Zager, Die vierfache Botschaft, in: Sonntagsblatt-THEMA Ausgabe 2/2008, Geheimnis der Evangelien, S. 16-21; Gerhard Barth, Der Tod Jesu Christi im Verständnis des Neuen Testaments, Neukirchen-Vlyn 1992, S. 131-138)
Während die Evangelien Markus, Matthäus und Johannes in sich abgeschlossene Einzelschriften sind, handelt es sich beim Lukas-Evangelium um den ersten Teil eines Doppelwerks, in dem die Apostelgeschichte die Fortsetzung des Evangeliums bildet. Bereits in den einleitenden Worten seines Evangeliums (1,1-4) gibt sich Lukas als Historiker zu verstehen. Dazu passt, dass er die Geschichte Jesu durch Querverweise auf die allgemeine Geschichte (1,5; 2,1 f.; 3,1 f.) historisch verortet. Die im Evangelium erzählte Geschichte ist Teil der Heilsgeschichte Gottes, die mit der Erwählung Israels begann und dann in der Zeit der Kirche weitergeht.
Im Lukas-Evangelium verbindet Jesus seine Sendung mit der Umkehr der Verlorenen: „Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen, nicht die Gerechten“ (Lk 5,32; vgl. 19,10). Daher stehen im Mittelpunkt des Evangeliums die drei Gleichnisse vom Verlorenen: vom verlorenen Schaf, verlorenen Groschen und verlorenen Sohn (Kap. 15). Dabei soll die Freude im Himmel über die Umkehr eines Sünders zur Mitfreude auf Erden führen.Während den Reichen das Gericht angedroht wird (6,24-26; 12,16-21; 16,19-31), gilt den Armen, Hungernden und Weinenden Jesu bedingungslose Seligpreisung (6,20 f.). Dies entspricht Jesu „Antrittspredigt“ in Nazareth (4,14-22), wo er die Erfüllung der Weissagung Jes 61,1 f. proklamiert: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen das Evangelium zu verkündigen. Er hat mich gesandt, Gefangenen Freiheit und Blinden das Augenlicht zu verkündigen, Geknechtete in die Freiheit zu entlassen, zu verkünden ein Gnadenjahr des Herrn.“ (Werner Zager)
Auf den Tod Jesu wird zwar in den Missionsreden des Paulus in der Apostelgeschichte Bezug genommen, auch ist die Passionsgeschichte im Lukasevangelium weiter ausgestaltet als im Markusevangelium – aber im Unterschied zu diesem bestimmt der Tod Jesu die Verkündigung des Lukas nicht in soteriologischem Sinne (Gerhard Barth). Es fällt auf, dass bei Lukas der Tod Jesu ohne Erwähnung der Heilsbedeutung seines Todes als Sühne, Stellvertretung, Loskauf usw. dargestellt wird. Lediglich in den Abendmahlsworten (Lk 22,15-20) und in der Abschiedsrede des Paulus (Apg 20,28) findet der Sühnegedanke Erwähnung. Der Begriff der Sühne durch den Tod Christi tritt im Denken des Lukas in den Hintergrund (François Bovon). Die Bedeutung des Todes Jesu wird durch Lk 24,26 stark eingeschränkt: Es ist nur ein Durchgangsstadium auf dem Weg zur Herrlichkeit (Gerhard Barth).
„Wenn der Tod Jesu auch nicht in seiner soteriologischen Relevanz aufgezeigt wird, so heißt das nicht, dass die Passion Jesu unwichtig würde. Nicht nur ist sie nach Lk 24,26 der notwendige Durchgang zur Herrlichkeit, ihre Darstellung erfährt auch eine besondere Ausgestaltung, und zwar als ein vorbildliches Geschehen.“ (Gerhard Barth) Lukas schildert in seiner Passionsgeschichte den Vorbildcharakter des leidenden Frommen und Gerechten: die Fürbitte für seine Henker, die Zuwendung zu denen, die mit ihm gekreuzigt werden, und das vertrauensvolle Sich-Ausliefern in die Hände Gottes.
Das Besondere der Jesusworte am Kreuz im Lukasevangelium
Wenn man in der kirchlichen Tradition die in den Kreuzigungsberichten enthaltenen Worte Jesu am Kreuz auch gerne miteinander zur Siebenzahl vereinigt hat, muss man wissen, dass mit den einzelnen Worten sehr unterschiedliche Deutungen des Passionsgeschehens verknüpft sind. Im markinischen Kreuzigungsbericht heißt es im Anschluss an die in der sechsten Stunde (d.h. um 12 Uhr) eingetretene Verfinsterung der ganzen Erde: „Und in der neunten Stunde schrie Jesus mit lauter Stimme: Eloi, Eloi, lema sabachthani?, das heißt übersetzt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34) Dabei handelt es sich um den Beginn des 22. Psalms, wiedergegeben in Aramäisch. Es ist der Schrei des völlig, selbst von Gott verlassenen leidenden Gerechten.
Matthäus hat mit kleineren sprachlichen Veränderungen seine Markusvorlage übernommen (Mt 27,46). Sowohl bei Markus als auch bei Matthäus folgt dann noch ein wortloser lauter Schrei Jesu unmittelbar vor dessen Tod. Anders dagegen ist Lukas verfahren. Er hat den Verlassenheitsruf Jesu, der ihm bedenklich erschienen ist, ersetzt durch ein Sterbegebet, das an Psalm 31,6 angelehnt ist: „Und Jesus rief mit lauter Stimme: Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ (Lk 23,46) Darüber hinaus hat Lukas dem Gekreuzigten zuvor noch zwei weitere Worte in den Mund gelegt: zum einen im Anschluss an die Kreuzigungsnotiz das Gebet für die Henker: „Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lk 23,34a);
zum anderen Jesu Antwort an den einen Mitgekreuzigten: „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lk 23,43) Mit diesem Wort an den Schächer wird die zeitliche Naherwartung von Reich Gottes und Wiederkunft Christi, die durch die erfahrene Verzögerung problematisch geworden ist, von Lukas in eine himmlische Heilshoffnung überführt.
Bei einer Predigt über die Kreuzigungsgeschichte nach Lukas möchte ich darauf achten, dass das genuin Lukanische in dieser Schilderung zum Ausdruck kommt. Daher lege ich der Predigt auch das Bild von Roland Peter Litzenburger „Schutzmantelchristus“ von 1971 zugrunde. Die Gottesdienstteilnehmenden haben ein solches Bild in den Händen, das ich während der Predigt meditiere.
Bitte nehmen Sie das kleine Aquarell in die Hand, das ich Ihnen ausgehändigt habe. Vielleicht erschrecken Sie zunächst. So modern, so abstrakt – irgendwie so ganz anders, als wir den Gekreuzigten zu sehen gewohnt sind. Ich kann das gut nachvollziehen, und bitte Sie dennoch, sich auf dieses Aquarell einmal einzulassen. Schauen Sie einmal genauer hin.
I. Was sehen Sie? Der sterbende Christus ist sofort zu erkennen. Er zeigt die Körperhaltung eines Gekreuzigten. Und doch sieht es anders aus. Es fehlt etwas. Hinter dem Sterbenden ist kein Kreuz zu sehen, an das er genagelt wäre. Wir erkennen auch ohne Kreuz: das ist Jesus, der Gekreuzigte. Und es fehlt nicht nur das Kreuz. Auch seine Arme sind anders. Nicht ausgebreitet und mit Nägeln an den Querbalken des Kreuzes geheftet, sondern frei. Wie als würde man ihn schon abnehmen vom Kreuz – nein, eigentlich noch viel mehr: Wie als würde er sich herunterbeugen zu den Menschen, die unter seinem Kreuz stehen. Wie als würde er mit seinem rechten Arm die Menschen sanft zusammenführen, sie unter seine Fittiche nehmen wie eine Glucke ihre Küken. Wie als wollte er sie beschützen unter einem großen Mantel und sagen: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ (Matthäus 11,28)
Das Bild, das Sie in Händen halten, trägt den Namen Schutzmantelchristus. Es zeigt einen Jesus, der noch im Sterben an die denkt, die er liebt, noch im Sterben versucht, sie zu schützen, zusammenzuhalten und mit Liebe zu beschenken. Genau so sieht auch der Evangelist Lukas das Sterben unseres Herrn: Er starb als ein Vorbild des Glaubens und als ein Vorbild der Liebe. Und sein Tod war wie eine Brücke zur Vollendung in Gottes Herrlichkeit. Für ihn selbst, und für alle, die ihm nachfolgen. Hören wir die Schilderung der Kreuzigung nach Lukas.
(Lesung des Predigttextes Lukas 23,33-49)
II. Was sind das für Menschen, die da unter dem schützenden Arm des Gekreuzigten stehen? Unter dem Mantel seiner Liebe? Es sind die dabei, die ihn umgebracht haben. Pilatus, der ihn wider besseres Wissen gegen den Mörder Barrabas eingetauscht und zum Tode verurteilt hat. Die Hohen Priester, die als geistliche Obrigkeit zwar selbst kein Todesurteil aussprechen konnten, aber so lange keine Ruhe gegeben haben, bis Jesus vor dem römischen Präfekten Pilatus stand. Die, die ihn gefesselt und ans Kreuz genagelt haben, die um seine Kleider würfelten. All diejenigen stehen unter seinem Schutz. Und obwohl Jesus wirklich allen Grund gehabt hätte, sie alle innerlich zu verfluchen – er tut genau das Gegenteil. Er bittet für sie alle: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Es sind die dabei, die Jesus verhöhnen und verspotten.
Es ist noch gar nicht lange her, da haben sie gejubelt und ihm Palmzweige und ihre Kleider vor die Füße gelegt. „Hosianna“ haben sie gerufen, und „Gelobt sei der da kommt, der König, im Namen des Herrn“. Nicht lange danach kam zuerst die Ernüchterung und danach die Enttäuschung. Jesus wollte gar nicht die verhassten Römer aus dem Land jagen. Er wollte gar nicht neuer König werden und den Staat Israel wieder aufrichten. Er hatte ein ganz anderes Ziel. Einem anderen Frieden, einer anderen Freiheit, einer anderen Gerechtigkeit wollte er den Weg bereiten. Die Hochmütigen wollte er zur Umkehr rufen. Und den Ausgegrenzten Mut machen. Nicht Macht und Gewalt ist der richtige Weg, sondern gerecht zu leben, sich Gott anzuvertrauen und sich den Schwachen zuzuwenden.
Verstanden haben sie ihn nicht. Dass er sich jetzt so machtlos zeigt, dass er jetzt leidet und unweigerlich dem Tod entgegengeht, das ist für sie eine Schande. Was für ein Scheitern, was für ein Ende. Zum Lachen ist das, zum Spotten. Höhnisch klingen die Rufe an sein Ohr: „Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes“ oder: „Bist du der Juden König, so hilf dir selber!“ Nur ganz wenige begreifen, was hier geschieht. Einer davon ist ein Verbrecher. Einer, der wie er selbst sagt, zurecht gekreuzigt wird. Ausgerechnet er begreift, dass hier nicht ein Gescheiterter zu Tode kommt, sondern ein Gerechter.
Die beiden Todgeweihten, die mit Jesus an ihren Kreuzen dem Tod entgegengingen, sind auf unserem Bild nicht rechts und links von Jesus zu sehen. Stehen sie vielleicht auch unten mit dabei? Unter dem Schutz seines Armes? Unter dem Rot der Liebe, das sich über sie ausschüttet? Sehr gut möglich, dass zumindest der, der Jesus verteidigt hat, unter denen ist, die Jesu Liebe in diesem Moment erfahren. Denn er hört seine Worte: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. Ob der andere auch Zuflucht findet unter den schützenden Armen des Gekreuzigten? Wir wissen es nicht. Aber wenn Jesus für seine Peiniger um Vergebung gebeten hat, und sie mit unter der Gnade stehen, dann vielleicht auch er.
Noch ein weiterer Mensch steht unter dem Kreuz. Ein Mächtiger. Der Befehlshaber der Soldaten, die Jesu Hinrichtung und die Hinrichtung der beiden Mitangeklagten durchgeführt haben. Er ist vermutlich nur deshalb dabei, um zu überwachen, dass die Hinrichtungen nach Recht und Gesetz korrekt vonstatten geht, so wie er es in seinem Beruf sicher schon unzählige Male tun musste. Jetzt aber begreift er, dass diese Hinrichtung anders ist als alles, was er vorher erlebt hat. Nicht nur die Finsternis macht ihm Angst, nicht nur das Verschatten der Sonne. Es ist Jesu Schrei, der ihn aufrüttelt. Was ist, wenn wir hier tatsächlich einen Unschuldigen getötet haben? Sollte es wirklich so sein, dass wir hier einen Gerechten, einen gottesfürchtigen Menschen ermordet haben?
Er ist nicht der Einzige, dem Zweifel kommen. Die Menschen, die dem grausamen Geschehen beiwohnen, spüren es auch: Hier geschieht mehr als eine Kreuzigung. Hier stirbt nicht ein Verbrecher, hier stirbt ein Gerechter. Sie schlagen sich an die Brust. Ob es wirklich schon ein Zeichen der Reue ist und des Eingeständnisses ihrer Schuld? Das wäre vielleicht zu viel hineininterpretiert. Aber eines ist ganz sicher: Sie sind erschrocken. Sie sind erschüttert bis in ihr Innerstes. Grauen erfüllt sie und ein tiefes Gefühl des Unbehagens. Was ist, wenn wir hier tatsächlich einen Unschuldigen getötet haben? Sollte es wirklich so sein, dass wir hier einen Gerechten, einen gottesfürchtigen Menschen ermordet haben? Jesu letzte Worte bestärken sie darin.
III. Jesu letzte Worte sind ein Gebet. Keine verzweifelte Anklage gegen Gott wie im Markus- und Matthäusevangelium. Keine sieghafte Belehrung an die Umstehenden wie im Johannesevangelium. Es ist ein schlichtes Gebet: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Dann stirbt er. Und die, die unter dem Kreuz stehen, trifft die Erkenntnis wie ein Blitz: Hier ist einer hingerichtet worden, der unschuldig war. Und sie begreifen noch mehr als das: Nicht jedes gelungene, von Liebe und Gottesfurcht erfüllte Leben wird noch im Hier und Jetzt von Gott belohnt. Nicht jedes Vergehen und jede Schuld werden gleich im Hier und Jetzt von Gott bestraft.
Die alte Regel gilt nicht mehr: Wem es schlecht geht, der hat auch etwas verbrochen. Wird also zurecht bestraft. Darf verspottet und ausgelacht werden. Nicht jedes Leiden, jeder Spott und jeder Schicksalsschlag ist eine Strafe Gottes. Jesu Leiden war keine Strafe, weder für ein eigenes Versagen, und schon gar nicht für die Sünde der ganzen Welt. Denn es ist möglich, dass ein gerechter, ein liebender, ein fürsorglicher und gehorsamer Mensch unschuldig leidet und erst nach seinem Tod von Gott belohnt wird. Durch ein Leben in der Herrlichkeit.
Deshalb bittet Jesus: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Er weiß, dass er nach Gottes Willen gelebt hat. In Liebe und Gehorsam. Und er hofft und betet, dass Gott ihm diese Gerechtigkeit im neuen Leben belohnen wird. Das war neu. Das war unerhört neu. Und alle waren Zeugen. Wir sind es heute auch. Wir sind Zeugen. Auch uns sollte es erschüttern bis in unser Innerstes: Jesu Leiden war keine Strafe, weder für ein eigenes Versagen. Nicht für unser Versagen. Und schon gar nicht für die Sünde der ganzen Welt.
Jesus hat als Gerechter gelebt. Er hat als unser Vorbild gelebt im Glauben und in der Liebe. Und wenn wir so wie diese Menschen hier unter seinem schützenden Arm unter dem Kreuz stehen, dann sollten wir uns nicht nur an die Brust schlagen. Wir wollen ihm nachfolgen. Versuchen, wenigstens im Kleinen, in unserem eigenen persönlichen Umfeld zu lieben, zu vergeben, Gott zu gehorchen. Ohne zu hoffen, dass wir in diesem Leben dafür noch belohnt werden. Und ohne zu fürchten, dass wir dafür ausgelacht, belächelt oder verspottet werden. Was wir hoffen können ist: Der Lohn eines gottesfürchtigen und menschenfreundlichen Lebens liegt nicht in diesem Leben, sondern in Gottes Hand.
Wer heute Schwierigkeiten mit der Lehre vom Sühnetod Jesu für unsere Sünden hat, wird diese sehr gut formulierte, lebendige Predigt sehr begrüßen. Bis in unsere Zeit galt ja in der Kirchenlehre die Sühnetod-Theologie bei den meisten Christen: Jesus hat die Strafen gesühnt und bezahlt, die wir mit unserem bösen Fehlverhalten verdient hätten und die wir nie wieder gut machen können. Als anschauliches Beispiel konnte ich dadurch mal einer Mutter als Seelsorger helfen, welche einem ihrer Kinder mal nach dem Leben getrachtet hatte und sich selbst jetzt mit schlimmer Krankheit bestrafte. Viele moderne Menschen lehnen diese stellvertretende Sühne-Lehre ab. ( s Vorwort der Pfarrein Zager.) In der Predigt ist Jesus in erster Linie ein Vorbild an Liebe und “wie eine Brücke zur Vollendung in Gottes Herrlichkeit.” Eine sehr gute Einstimmung ist das Bild zu Beginn vom Schutzmantelchristus. Die Predigt der Kreuzigung mit den Beteiligten wirkt neu und lebendig. Die letzten Worte Jesu sind bei Jesus ein vertrauensvolles Gebet. Man kann als versierter Bibelleser aus der Predigt lernen, dass es bei den anderen Evangelisten eine anklagende Bitte ist: Mein Gott, warum hast Du mich verlassen. Bei Lukas ist es ein Vertrauens -Gebet: In deine Hände lege ich meinen Geist. Der Lohn für unser gottesfürchtiges Leben liegt in Gottes Hand. Wie gesagt : eine ergreifende und ermutignde Predigt, welche ohne die traditionelle Sühnetod-Lehre auskommt.