Familie
"Meine Mutter? Meine Brüder? Wer soll das sein? ..."
Predigttext: Markus 3,20-21.31-35 (Übersetzung nach Martin Luther)
Jesu wahre Verwandte
20 Und er ging in ein Haus. Und da kam abermals das Volk zusammen, sodass sie nicht einmal essen konnten. 21 Und als es die Seinen hörten, machten sie sich auf und wollten ihn ergreifen; denn sie sprachen: Er ist von Sinnen. ... 31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. 32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. 33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? 34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! 35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Exegetische Vorbemerkungen zu Markus 3,20-35
Auf die Schilderung des erfolgreichen Wirkens Jesu (Kap. 7-12) und der Berufung der Zwölf (Kap. 13-19) folgt als Kontrast die Ablehnung durch Schriftgelehrte und die eigene Familie. Da die Auseinandersetzung Jesu mit den Schriftgelehrten (Mk 3,20-30) eingeschlossen ist in die kurze Perikope über Jesu wahre Verwandte (Mk 3,31-35) empfehle ich, beim Verlesen des Predigttextes die Verse 20f. mit in die Perikope hineinzunehmen. Beide Szenen – für die sich übrigens weder Matthäus noch bei Lukas klare synoptische Dubletten sondern nur inhaltliche Anklänge finden – haben eines zum Thema: Jesu Vollmacht (Exousia) wird verkannt.
Die aus Jerusalem angereisten jüdischen Autoritäten (22a) bezweifeln, dass Jesu Vollmacht eine Wirkung des ihm von Gott verliehenen Heiligen Geistes ist, und werfen ihm vor, seine Kraft, Dämonen auszutreiben beziehe er nicht von Gott selbst, sondern durch Beelzebul, dem „Herrscher der Dämonen“ (22b). Auch seine leiblichen Verwandten verkennen Jesus. Es ist ihnen unverständlich, warum er sich mit jeder Menge fremdem Volk umgibt (20). Sie erklären ihn für verrückt (21b) und versuchen, ihn nach Hause in die Familie zurück zu holen (21a; 31). Jesu Gegenfrage, wer denn seine wirklichen Verwandten sind (33), ist durchaus nicht als eine rhetorische Frage zu verstehen.
Jesus distanziert sich nicht nur von seiner leiblichen Mutter und den leiblichen Brüdern, indem er überhaupt nicht mit ihnen spricht. Sondern trifft zugleich eine für sie noch schmerzlichere Entscheidung: Nicht diese da draußen sind meine Familie, sondern die Menschen, die hier mit mir zusammen sind (34). Dass diese Aussage mehr ist als nur die Feststellung, dass Jesu neue Familie seine Freunde und Jünger sind, macht der Vers 35 deutlich: Derjenige und diejenige gehören zur neuen Familie Jesu, die Gottes Willen tun. Damit ist die Frage der Vollmacht Jesu eng verknüpft mit der Frage der Nachfolge.
Nur wer die Vollmacht Jesu anerkennt und zugleich bereit ist, den Willen Gottes glaubwürdig zu leben, darf sich zu seiner Familie zählen. Dieser Schwerpunkt ist m.E. auch für die Predigt von entscheidender Bedeutung: Es wird nicht darum gehen, das Familienleben oder das Zusammengehörigkeitsgefühl einer „normalen“ Familie klein zu reden, sondern die Mitchristen zu ermutigen: Gleich in welchen Lebensbeziehungen sie sich auch immer befinden – Freundschaften, Ehe, Familie – es sollte jedem Mitchristen ein Anliegen und ein Ziel sein, auch der Familie Gottes anzugehören, in der Menschen vereint sind, die Jesus Christus als die Autorität ihres Lebens anerkennen und den Willen Gottes im Alltag umsetzen.
Literatur: Dieter Lührmann, Handbuch zum Neuen Testament 3. Das Markus_evangelium, S. 73-78; Joachim Gnilka, Evangelisch-katholischer Kommentar zum Neuen Testament II/1. Das Evangelium nach Markus (Mk 1-8,26), S. 152-155.
In einer glücklichen Familie zu leben ist ein sehr hohes Gut! Und wohl dem Menschen, der dieses Glück erfahren hat. Nicht umsonst wird in unzähligen Sprichwörtern und Lebensweisheiten ein Lob auf die Familie gesungen. Jean-Jacques Rousseau, der große Denker der Aufklärung, bezeichnet die Familie als „die älteste aller Gemeinschaften und die einzige natürliche.“ Adalbert Stifter formuliert es so: „Was alle Zeiten immer gebraucht haben, ist die Familie.“ Und aus Russland kommt das wunderschöne Sprichwort: „Wenn die Familie beisammen ist, ist die Seele zuhause.“
Familie bedeutet Geborgenheit. Bedingungslose Geborgenheit. Familie ist Nachsicht gegenüber der Jugend und Rücksicht und Verständnis gegenüber dem Alter. Das junge Leben wird geschützt und gestärkt, und denen, die gehen müssen, wird ein menschenwürdiges Sterben ermöglicht. Familie zu haben bedeutet das Wissen, einen unverlierbaren Platz auf dieser Welt zu haben, an dem man immer willkommen ist, sei man Bettler oder Millionär. (nach Elisabeth Lukas) Das ist der Idealfall. Was aber ist mit den Menschen – solche Menschen gibt es viele – wahrscheinlich auch heute unter uns, – die das Glück einer Familie entweder nie erlebt oder irgendwann verloren haben? Denen tut der Gedanke weh, wenn die Familie so hoch gepriesen wird. Denen sei zur Beruhigung gesagt: Selbst diejenigen unter uns, die das Glück haben, in einer intakten Familie zu leben, wissen: auch das ist kein Zuckerschlecken!
So immer-harmonisch, so immer-glücklich ist eine Familie auch wieder nicht. Ein Mensch kann nirgendwo gemütlicher leben als in seiner Familie – aber manchmal auch nirgendwo ungemütlicher. Denn gerade da, wo man sich kennt, kennt man auch die jeweiligen Schwachstellen des anderen. Und im Falle eines Streites, wird gerne genau da, wo der andere seine Schwachstelle hat, besonders verletzt. Wir alle kennen das. Um ein Wort des berühmten Philosophen Sokrates über die Ehe abzuwandeln, kann getrost behauptet werden: „Gründe eine Familie, oder lass es bleiben: Du wirst beides bereuen!“ So kommt es, dass immer wieder Menschen Abschied nehmen vom Modell der Familie … sich los sagen von leiblichen Eltern, von Kindern oder Geschwistern und die Nähe ihrer Freunde suchen. Einziger Grund dafür: Sie fühlen sich dort mehr geliebt und akzeptiert, so wie sie sind. Deshalb suchen viele Menschen Geborgenheit in anderen, in neuen Bindungen. War das bei Jesus genauso?
Es ist ja eigentlich erschütternd, wie Jesus mit seiner Mutter und seinen Brüdern umgeht! Seine Familie kommt nicht an ihn heran, weil er umgeben ist von so vielen Menschen, die seine Nähe suchen, die ihn hören und mit ihm zusammen sein wollen. Das Markus-Evangelium erzählt, es sei dermaßen eng gewesen in dem Haus, in dem Jesus mit seinen Jüngern war, dass sie noch nicht einmal etwas essen konnten. Maria und seine Brüder wollen ihn da heraus holen. Ihn wieder nach Hause bringen, dahin, wo er ihrer Meinung nach hingehört: in seine Familie. Aber weil sie nicht zu ihm durchkommen, lassen sie ihm ausrichten, dass sie ihn suchen. Ihre Bitte wird weitergesagt von einem zum nächsten, bis hinein in das Haus: „Jesus, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir.“
Jesu Reaktion ist erschütternd. Er holt weder Mutter und Geschwister zu sich herein. Noch geht er zu ihnen hinaus. Er spricht nicht einmal ein einziges Wort mit ihnen. Er spricht mit seinen Jüngern über die da draußen: „Meine Mutter? Meine Brüder? Wer soll das sein? Hier: Ihr alle um mich herum – Ihr seid meine Brüder und meine Mutter.“ Wie verletzend für die, die draußen stehen und auf ihn warten. Ist das geschehen, was bis auf den heutigen Tag immer und immer wieder geschieht? Dass Familien zerfallen und Menschen sich neue Bindungen suchen? In neuen Freundschaften? Nein, hier ist viel mehr geschehen, als dass Jesus sich einfach eine neue Familie gesucht hat unter seinen Freunden.
Im letzten Satz dieses Gesprächs sagt Jesus etwas ganz Entscheidendes, etwas, das auch für uns heute von Bedeutung sein kann. Er sieht seine Freunde nicht deshalb als seine Familie an, weil er sie sich selbst ausgesucht hätte. Er sieht seine Freunde auch nicht deshalb als seine Familie an, weil sie ihn so nehmen wie er ist, und er sich dort angenommen fühlt. Auch sind seine Freunde nicht deshalb Jesu Familie, weil sie sich ihm von sich aus angeschlossen haben. Und seine Familie ihm so fremd, weil sie ihn für verrückt halten. Das, was seine Freunde zu seinen Jüngern macht, und die Menschen, die ihm nachfolgen zu seiner Familie ist, dass sie Gottes Willen in dieser Welt tun. Nicht mehr und nicht weniger.
Gottes Willen in dieser Welt tun. Das macht seine Freunde zu Jüngern, seine Jünger zu seiner Familie, und uns zu seinen Brüdern und Schwestern. Wir sind nur dann Familie Gottes und Jünger Jesu, wenn wir den Willen Gottes in dem erkennen, was Jesus getan und gesagt hat, und es ihm gleichtun. Heute. Hier. In unserem eigenen Leben. Was aber ist der Wille Gottes? Niemand anderes als Paulus hat diesen Willen in knappen und klaren Worten formuliert: „Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der. Wahrheit kommen.“ (1. Timotheus 2.4) Allen Menschen soll geholfen werden, in welchen Nöten sie sich auch befinden: sei es Hunger oder Durst, sei es Trauer oder Kummer, sei es Krankheit oder Todesnähe, sei es Kriegsgefahr oder Flucht.
Wo immer wir Menschen treffen, die in Not sind, sollen wir ihnen so gut wie möglich helfen. Wir können nicht die Welt retten – das erwartet niemand von uns – aber wir können einzelne Menschen retten vor Verzweiflung, vor materieller Not, vor Einsamkeit. Da weiß jeder von uns, wo Gott ihn braucht und ruft. Und: Alle Menschen sollen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Wenn Sie Gutes tun, dann reden Sie darüber. Wenn Sie zum Gottesdienst gehen, dann stehen Sie dazu. Wenn Sie als Christ leben, reden und handeln, dann zeigen Sie den Menschen, warum Sie es tun: weil Gott Ihnen seine Liebe geschenkt hat, und Sie diese Liebe in der Nachfolge Christi weitergeben möchten.
Jesus sagt in der Bergpredigt: Lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Wenn wir das von ganzem Herzen wollen: Gutes tun und den Menschen die frohe Botschaft von der Liebe Gottes weitersagen, dann sind wir Schwestern und Brüder Christi. Seine Familie. Ob wir nun mit ihm verwandt sind oder nicht.
Übrigens: Nicht alle Brüder sind damals nach der Begegnung mit den Jüngern Jesu vor dem Haus unverrichteter Dinge nach Hause gegangen. Einer blieb. Jakobus. Jakobus wurde Jünger und übernahm sogar, nach dem Petrus als Jerusalem fliehen musste, die Leitung der Jerusalemer Gemeinde. In den biblischen Berichten vom Apostelkonzil 48 nach Christus wird Jakobus, der Herrenbruder, als herausragende Führungspersönlichkeit der Gemeinde gezeichnet. Das heißt also: Unsere leibliche Familie darf uns weiterhin lieb und wert bleiben. Unser Freundeskreis soll uns weiterhin ein kostbares Gut auf unserem Lebensweg sein. Unsere ganz besondere Gemeinschaft aber, das soll die Familie Christi sein: die christliche Gemeinde. Unsere Kirche, in der – und durch die – wir Gutes tun und die frohe Botschaft von Gottes Liebe weitersagen.
(Weitere gute Sprichwörter zum Wortbereich Familie:
Freunde sind die Familie, die du dir selbst aussuchst! Unbekannt
Die Menschen, die Zukunft in sich tragen, werden niemals von ihrer Familie verstanden. Honoré de Balzac
Ein Baum ohne Wurzeln – ein Mensch ohne Familie. Till Brendel)
Familie ist der Beweis, dass man notfalls auch mit unsympathischen Personen auskommen kann. Titus Lenk)
Pfarrerin Zager beginnt mit einem Loblied auf das Glück der Familie, welches trotzdem kein Zuckerschlecken ist. Viele trennen sich heute von der Familie. – Erschütternd ist, wie distanziert Jesus mit seiner Mutter und seinen Brüdern umgeht. Nur wer den Willen Gottes tut , ist Bruder oder Mutter. Wir gehören heute zur Familie von Jesus, wenn wir den Willen Gottes tun und Gott erkennen in dem was Jesus gesagt hat. Gottes Willen in der Welt tun ? Paulus sagt: Gott will , dass allen Menschen geholfen werde und sie den Willen Gottes tun. Dazu gehört Hilfe für Arme und Einsame. Dazu gehört , zum Gottesdienst zu gehen und andere dazu einladen. Der Bruder von Jesus, Jakobus, wurde Jünger Jeesu und Führungsgestalt der frühen Kirche. Wenn wir Gutes tun, das Evangelium weitertragen und zur Gemeinde Jesus gehören, dann gehören wir auch zur Familie von Jesus. Eine besonders prägnante, erfreuliche und klare und aktuelle Predigt mit der wichtigen Anregung, sich seiner Gemeinde anzuschliessen auch als Freundeskreis , und nicht nur ein Namenschrist zu sein.