“Gott kehrt um”
Biblische Rede von Gott - allzu menschlich?
Predigttext 1. Mose / Genesis 8,18-22 Übersetzung nach Martin Luther, Revisin 2017)
18 So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, 19 dazu alles wilde Getier, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen. 20 Noah aber baute dem HERRN einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. 21 Und der HERR roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. 22 Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Exegetische Überlegungen zum Predigttext
Der Abschnitt 1. Mose 8,18-22 bildet den Abschluss der Sintflutgeschichte. Die Forschung weist im Rahmen der Quellenscheidung i.d.R. die Verse 18 + 19 der jüngeren Priesterschrift (P) und die Verse 20-22 dem älteren Jahwisten (J) zu. Fluterzählungen wurden nicht nur in der Tradition Israels, sondern schon viel älteren Datums und weltweit erzählt.
Auch die Verbindung mit der Schöpfung ist nicht neu. Es geht in der Bibel, aber auch in altorientalischen Parallelen wie dem Gilgamesch-Epos, um die Frage nach dem Ursprung und dem Fortbestand der Menschheit. Die Erfahrung der Bedrohung der menschlichen Existenz wurde in Flutgeschichten als Mythen reflektiert. Auch die Rettung eines Einzelnen (bzw. eines Gerechten 1. Mose 6,9 P) durch den Schöpfer hat außerbiblische Parallelen. Während in letzteren verschiedene Gottheiten für den Entschluss der Flut einerseits und die Errettung andererseits verantwortlich sind, ohne dass dafür jedoch menschliche Schuld eine Rolle zu spielen scheint, deutet der Jahwist die altorientalische Tradition neu: Schöpfung, Vernichtung und Bewahrung der Menschheit sind Werk des einen Gottes Jahwe.
Der Entschluss zur Sintflut ist das Ergebnis der tiefen Enttäuschung Jahwes über seine Schöpfung (Gen 6,6 „Es reute ihn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden und es bekümmerte ihn in seinem Herzen“.). Der Mensch ist radikal schuldig. Er hat seine Freiheit missbraucht, Jahwes Fürsorge und das Angebot der Gemeinschaft missachtet.
Das menschliche Handeln, das „Dichten und Trachten“ des menschlichen Herzens, ist „nur böse“ (1. Mose 6,5). So beschließt Jahwe, die Menschheit von der Erde zu vertilgen. Der Jahwist zieht eine inhaltliche Verbindung zwischen Anfang und Ende der Flut. Zweimal bringt er den Gemütszustand der „Reue“, im Sinne einer Änderung der inneren Einstellung, mit Gott in Verbindung. Fast wörtlich kehrt in 8,20-22 die Einsicht wieder, die er bereits in 1Mose 6,5f entfaltet hat. Nach wie vor ist das Dichten und Trachten böse. Der Mensch hat sich durch die Katastrophe, durch das Strafgericht der Sintflut, nicht verändert. Doch Jahwe selbst bewegt sich. Das Wort Reue wird hier zwar nicht explizit erwähnt, jedoch der Vorgang der Umkehr in Jahwe selbst beschrieben: Er rückt ab von seinem Entschluss, seine Schöpfung zu vernichten. Aus eigenem, souveränem Ratschluss gibt er der Menschheit, die er in Noah bewahrt hat, ein Versprechen: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Literatur
Jörg Jeremias, Die Reue Gottes. Aspekte alttestamentlicher Gottesvorstellung, BThSt 31 (1997) W.H. Schmidt, Einführung in das Alte Testament. De Gruyter Lehrbuch, 1995 C. Westermann, Genesis 1-11. EdF 7 (1976)
Zur Predigt
Schöpfung, Vernichtung und Bewahrung in einem Gottesbild zusammenzudenken, einem Gott zu begegnen, der verschiedene Gefühlsregungen in sich selbst austrägt, mit sich kämpft und ringt, sich am Ende aus freiem Entschluss an uns Menschen (vgl. den „Bund“ 1. Mose 9) bindet, ist auch heute eine Herausforderung fernab der Rede vom „lieben“ oder vom „allmächtigen Gott“. Für manchen stellt sich vielleicht die Frage, ob man sich Gott mit derart menschlichen Zügen vorstellen darf.
Die Bibel erzählt selbst überaus menschlich von Gott: von seinem Herzen, das bekümmert ist, in dem sich widerstreitende Gefühle befinden, (vgl auch Hos 11,8f u.a.), sie erzählt von einem Gott, der bereut, der verzweifelt ist, aber auch mitfühlt und sogar umkehrt.
I. „Der liebe Gott sieht alles“
Der Friedhof im Dorf war unser Spielplatz. Wir Kinder wohnten alle ringsherum. Die alte rote Steinmauer mussten wir nicht erklimmen. Die große Pforte stand immer offen. Von den Blumen und Büschen sammelten wir Marienkäfer in eine Schachtel. Am Wegesrand balancierten wir auf den Grabeinfassungen. Auf den alten rauen konnten wir uns gut halten, die aus Marmor waren rutschig, sobald es geregnet hatte. Selbstverständlich liefen wir über den Friedhof, wenn wir morgens zur Bushaltestelle auf die andere Straßenseite wollten. Der Friedhof war Teil unserer Welt. Eine besondere Anziehungskraft hatte der Container, der am Rand des Friedhofs stand. Wenn ein Grab geräumt wurde, warf der Friedhofsgärtner die Kränze in den Abfall. Rote Rosen, weiße Orchideen, grellrosa Nelken, die Kränze waren damals noch mit Plastikblumen verziert.
Eines Tages bauten wir im Pfarrgarten direkt an der Grenze zum Friedhof eine Hütte aus Zweigen. Um sie zu verschönern, holten wir uns die bunten Plastikblumen aus dem Container. Unsere Höhle mit ihrer schrillen Dekoration blieb Tante Gesine auf ihrem Weg über den Friedhof nicht verborgen. Unvermittelt blieb die alte Kirchendienerin an unserer Behausung stehen und sprach uns Kinder an. Sie drohte von oben mit dem Finger: „Der liebe Gott sieht alles!“ Einer von uns, der kleine Christian, war um eine Antwort nicht verlegen. Er rief zu Tante Gesine hinüber: „Aber er petzt nicht!“
II. Das Maß ist voll
Als Gott die Menschen schuf, setzte er sie mitten hinein ins Paradies. Er pflanzte einen Garten, den der Mensch bebauen und bewahren sollte. Auch an eine Gefährtin hatte Gott gedacht, denn er sprach bei sich: „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei.“ Danach schuf er die Tiere auf dem Land und die Vögel im Himmel. Es war alles da für ein gutes Leben. Doch kaum war das Paradies geschaffen, plagt die Menschen das Misstrauen. Warum sollen wir von dem einen Baum nicht essen? Was will Gott uns vorenthalten? Das erste Menschenpaar übertritt Gottes Gebot und wird aus dem Garten vertrieben. Das Verhältnis ihre Kinder, sie sind das erste Geschwisterpaar, endet Jahre später in einer Tragödie. Aus Eifersucht erschlägt ein Bruder den anderen. Für Adam und Eva, für Kain und Abel, für Enkel und Urenkel, für alle Menschen jeder Generation gilt bis heute: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert“ (Mi 6,8).
Viele Jahre nach Adam und Eva lebt ein Mensch namens Noah. Er gilt als frommer Mann. Niemand hat an seinem Lebenswandel etwas auszusetzen. Doch es hilft nichts. Das Maß ist voll! Gott ist bereits zutiefst enttäuscht von seiner Schöpfung. Alles Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse! Gott hat es sich lange genug angesehen. Er bereut es mittlerweile, seine Menschen erschaffen zu haben. Das traurige Ergebnis eines Vaters, der seine Kinder in die Freiheit entließ. Was haben sie daraus gemacht? Sein Herz ist voller Kummer. Zutiefst enttäuscht und ernüchtert fasst er den Plan, alles wieder zu vernichten. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen. Der Tiefpunkt eines Schöpfers gegenüber seiner Schöpfung. Doch das erste Buch Mose erzählt von dem einen Menschen, den Gott bewahrt. Noah findet Gnade vor Gott. Ihm gibt er den Auftrag, eine Arche zu bauen und je ein Paar von allen Tieren auf die Arche zu bringen, damit sie mit Noah und seiner Familie am Leben blieben. Die Sintflut kommt. Gott lässt regnen und die Welt geht unter. Alles, was Odem hatte, verstirbt. Alles wird vom Erdboden vertilgt. Bis auf Noah und seine Arche.
III. Gott kehrt um
„Gott petzt nicht!“ Davon war Christian überzeugt. Darf man eigentlich so menschlich von Gott reden? Ein Gott, der nicht petzt. Wie ein Freud, der mich ganz genau kennt und trotzdem zu mir hält. Wie Christian damals spricht das Alte Testament überaus menschlich von Gott. Zum Beispiel am Ende der Sintfluterzählung, unserem Predigtabschnitt. Nachdem Noah gerettet worden ist und die Arche verlassen hat, so hören wir, baut er Gott einen Altar. Nun berichtet die Bibel von einem Selbstgespräch Gottes, das er mit sich selbst, in seinem Herzen, führt. Gott beschließt: „Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen… ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.“ Warum rückt Gott von seinem Vernichtungsplan ab? Hat das Opfer Noahs zu seinem Sinneswandel geführt? Hat die Sintflut etwa seinen Blick auf die Menschheit verändert? Nein, keineswegs. Nach wie vor verurteilt Gott das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens, es ist „böse von Jugend auf“. Die Sintflut hat nicht die Menschen verändert, sondern sie hat Gott verändert! Tiefes Mitgefühl mit seiner Schöpfung bewegt ihn. Gott lässt sich berühren von ihrem Los. Er erbarmt sich ihrer. Er will sie retten und nie mehr vernichten. Gott kehrt um. In seiner Freiheit beschließt er, die Erde und alles, was darauf lebt, zu schonen. Er bindet sich freiwillig an seine Geschöpfe, unabhängig von ihrem Tun. Weil er es so will. Er versöhnt sich mit uns Menschen in seinem Herzen.
IV. Gott hat es versprochen
Der Friedhof im Dorf hat sich mittlerweile verändert. Er ist ein gutes Stück erweitert worden und zugleich fehlen viele Bäume; er wirkt ganz kahl. Doch das Stück Hecke und Gestrüpp am Rande des Weges, wo wir einst unsere Hütte mit den Plastikblumen verziert haben, ist noch zu erkennen. Genau gegenüber hat ausgerechnet Tante Gesine ihre letzte Ruhestätte gefunden. „Der liebe Gott sieht alles!“ Wie Recht die alte Frau doch hatte. Auch der kleine Christian liegt mittlerweile auf dem Friedhof. Viel zu jung ist er gestorben. Mit 26 Jahren hat er sich das Leben genommen. Eines Morgens fand ihn seine Mutter erhängt auf dem Dachboden. Es war der Geburtstag seines Bruders. In seinem Kinderzimmer fand man einen Zettel. „Gott – hilf – mir!“ Das war der Abschiedsbrief, drei Worte lang. Im Nachhinein hörte man etwas von Mobbing auf seinem Arbeitsplatz. Er war Geselle in einer Bäckerei. Es ging dort das Gerücht, Christian sei schwul. Ob er dieses Gerede nicht ausgehalten hat? Ich würde es Christian gern noch fragen, denn Gott petzt nicht, das habe ich von ihm gelernt. Als ich kürzlich das Grab besuchte, war ich erstaunt, dass auch sein Elternhaus unverändert dastand. Ich hatte erwartet, dass alles in Trümmern liegt. Unwirklich, auch nach dem tragischen Tod des Kindes geht das Leben weiter. „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Es ist nicht zu fassen, aber Gott hat es versprochen.
Mit einer anrührenden Kindergeschichte und dem Aussprücher: “Gott sieht alles.” – “Aber er petzt nicht” , beginnt Pastorin Frerichs ihre Predigt. Gott hat zuerst ein Paradies geschaffen für Adam und Eva und ihre Nachkommen. Aber früh stellt sich Mißtrauen ein ud aus Neid erschlägt Kain seinen Bruder. Es bleibt bis heute: Es ist Dir gesagt was gut ist,und was der Herr von Dir fordert. Aber die Sünde steigt nach dem Paradies so sehr an, dass Gott so enttäuscht ist von den Menschen, dass er die Schöpfung durch eine Sintflut vernichten will. Nur der fromme Noah und seine Familie und die Tiere sollen in der Arche gerettet werden. Rhetorisch geschickt,kehrt die Pastorin zum Schluss wieder auf die Kindheitsgeschichte zurück. Gott erhält seine Schöpfung. – Diese Geschicht ist heute wieder sehr aktuell. Durch die Umweltzerstörung droht ein Weltende. Nur das Vertrauen auf Gott hilft uns weiter die Schöpfung zu bewahren. Ein Grundgedanke der Bibel ist die “schicksalswirkende Tat-Sphäre” nach dem Altestamentler aus HH Prof Klaus Koch. So wie wir handeln , wird es uns vergolten im Wesentlichen. – Also ein wichtiges Thema wird von der Pastorin sehr verständlich und interessant gepredigt. .