Glauben und hoffen

Die Sehnsucht nach Erlösung ist uns Menschen in die Wiege gelegt

Predigttext: 1. Petrus 1,18-21
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 04.03.2018
Kirchenjahr: Okuli (3. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pastor em. Hans-Dieter Krüger

Predigttext: 1. Petrus 1,18-21 (Übersetzung nach Martin Luther)

18 denn ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichem Silber oder Gold erlöst seid von eurem nichtigen Wandel nach der Väter Weise,
19 sondern mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes.
20 Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen,
21 die ihr durch ihn glaubt an Gott, der ihn von den Toten auferweckt und ihm die Herrlichkeit gegeben hat, sodass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.

Vorbemerkungen zum Predigttext

Dies ist ein „schöner“ Text, über den wir wohl alle gern predigen, bietet er doch zahlreiche Anknüpfungspunkte, die entfaltet werden können. Von denen habe ich drei ausgewählt.

1. Die Erlösung durch Christus als dem Lamm Gottes. Da scheint es mir sinnvoll, auf den alttestamentlichen Opferkult hinzuweisen, der eine ahnungsvolle Vorschattung des Golgatha-Geschehens ist. Petrus gebraucht für die Erlösung außerdem das Bild vom Loskauf eines Sklaven. Darauf gehe ich nicht ein, weil der Opferritus in der christlichen Liturgie eine gültigere Interpretation gefunden hat.

2. Die Erlösung hat kosmischen Charakter. Das ist unter christologischem Aspekt ein genialer Gedanke, der den christlichen Glauben weltanschaulich dialogfähig macht. Auf diese Formulierung muss man erst mal kommen: „Er ist zwar zuvor ausersehen, ehe der Welt Grund gelegt war, aber offenbart am Ende der Zeiten“. Wer hätte dem einfachen Fischer vom See Genezareth solch eine Gedankenführung zugetraut?

3. Das Ziel göttlicher Bemühungen, uns das Heil nahe zu bringen, ist mit zwei Begriffen gekennzeichnet: Glaube und Hoffnung. Ist das alles? Ja, im Grunde ist es auch genug. Es reicht zum Leben und eines Tages hoffentlich auch für die letzte Stunde.

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Mit diesen Worten beschreibt Petrus das Fundament des christlichen Glaubens: Unsere Erlösung geschah durch Jesus Christus. Die Erlösung war von Anfang an mitbedacht. Die Erlösung schenkt Glauben und Hoffnung für die Zukunft. – Die Sehnsucht nach Erlösung ist uns Menschen in die Wiege gelegt. Zu allen Zeiten gab es das richtige Empfinden, dass die Welt nicht in Ordnung ist. Das sehen wir in unseren Tagen auch so. Wohl sind wir dankbar für vieles, was gut ist, für mancherlei Fortschritte im Sozialwesen, für hilfreiche medizinische Erkenntnisse, auch für persönliches Wohlergehen, manches Gelingen, für unverdientes Glück. Aber es bleiben doch schmerzliche Defizite. Hass, Krieg, Gewalt sind schrille Töne, die unseren Wunsch nach Frieden und Harmonie empfindlich stören. Auch unser persönliches Leben ist zuweilen davon betroffen. Wie soll man damit fertig werden?

Es gab manche Antworten. Sie beeindrucken uns in ihrer tiefen Ernsthaftigkeit. Zuweilen wirken sie auf uns aber auch verstörend:  Die Azteken des alten Mexico schlachteten jedes Jahr mehr als 20.000 Menschen, um die Götter zu besänftigen. In Israel wurden tausende Ziegen, Schafe und Ochsen jährlich auf den Altären geopfert als Ausdruck des Wunsches nach Versöhnung mit Gott. Die Menschen hatten das richtige Gefühl, dass Schuld ihr Leben belastet und den Zugang zu Gott versperrte.

Im ersten Tempel Israels, den König Salomo etwa 1000 vor Christus erbaute, gab es eine tiefsinnige Zeremonie, die sich im Allerheiligsten abspielte, in dem Raum, in dem die Bundeslade stand. In der Bundeslade befanden sich die Tafeln mit den zehn Geboten. Auf der Bundeslade standen zwei Engelgestalten, Cherubimen genannt, mit dem Blick nach unten auf die Bundeslade. Einmal im Jahr betrat der Hohepriester das Allerheiligste und sprengte das Blut eines geopferten Tieres auf den Deckel der Bundeslade. Die Engelwesen, die ihren Blick ständig auf die zehn Gebote richteten und damit symbolisch zum Ausdruck brachten, dass der Mensch von Gott darnach beurteilt wird, ob er seinem Gesetz entspricht – sie blickten nun zunächst auf das Blut des Opfertieres. Es war der Wunsch, die Sünden der Menschen, die die Gebote bloßlegen, zurückzudrängen, sie gleichsam zu bedecken.

Es war die tiefe Sehnsucht nach Versöhnung mit Gott. Aber all diese Blutopfer hatten keine versöhnende Kraft.  In ähnlicher Weise äußert sich Petrus, wenn er davon spricht, dass die Versuche der Väter, zur Erlösung zu kommen, nichtig gewesen sind, also  letztlich vergeblich, umsonst, zwecklos. Trotzdem sollten wir das menschlich-religiöse Verlangen nach Versöhnung nicht verachten, denn darin spiegelt sich der Ausdruck des ungestillten Verlangens, mit Gott im Einklang zu sein und nimmt in seinem suchenden Charakter verheißungsvoll vorweg, was sich eines Tages auf Golgatha offenbaren sollte.

An dieser Stelle hat Petrus eine wunderbare Botschaft für die Gemeinden in Kleinasien, für die er seinen Brief schrieb. Sie gilt auch uns. Unter all den Laternen, den religiösen und weltanschaulichen Lampen und Lämpchen, mit denen Menschen auf der Suche nach Erlösung sind, leuchtet diese Botschaft auf wie ein strahlendes Licht: Ihr seid erlöst „mit dem teuren Blut Christi als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes“. Gott nahm nicht das Blut von Tieren oder Menschen, sondern das Blut seines Sohnes. „Das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde“, sagt Johannes (1. Joh. 1,17). Die christlichen Gemeinden bekennen es durch die Jahrhunderte bis zum heutigen Tage, wenn sie bei ihren Abendmahlsfeier von Christus als dem Lamm Gottes singen, das die Sünde der Welt trägt. Und wie ergreifend hat Paul Gerhardt diesen Glauben in Worte gefasst, wenn er dem Lamm Gottes die Ehre gibt in seinem Lied: „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld der Welt und ihrer Kinder, es geht und träget in Geduld die Sünden aller Sünder.“

Nun wenden wir uns einer besonders interessanten Aussage des Petrus zu, einem Satz, mit dem er das Leben in seiner Widersprüchlichkeit deutet. Die Erlösung durch Christus ist von Anfang an bedacht, „ehe der Welt Grund gelegt war“. Das bedeutet doch: Bevor Gott die Welt erschuf, bevor das Weltall mit seinen Galxien, Sonnen und Planeten, darunter auch unsere Erde, ins Dasein traten, bevor die Zeit als wichtige Komponente des Lebens den Takt schlug, bevor alles, was die Geheimnisse der Schöpfung anbelangt, sich zu entfalten begann, spielten Sinn und Ziel unseres Daseins schon in den Überlegungen des Schöpfers eine entscheidende Rolle.

Wenn Goethe seinen Faust die tiefgründige Frage stellen lässt, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, eine Frage, die Philosophen wie jeden nachdenklichen Menschen zurecht nie loslässt, dann gibt Petrus hier eine souveräne Antwort: Trotz allen gegenteiligen Anscheins ist die Menschheit auf einem Weg, der zu einem guten Ziel führt. Ihre Rettung ist von Anfang an eingeplant. Viele haben es geahnt, erhofft und erbeten. Und dann kam Jesus Christus. In seiner Person wurde ersichtlich, was Gottes Absichten von Beginn an gewesen sind: „…offenbart am Ende der Zeiten um euretwillen“.

Der Evangelist Johannes hat diese Offenbarung wie folgt beschrieben: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit“. (Joh. 1,14) Als Jesus über diese Erde ging, haben viele die Offenbarung seiner Herrlichkeit miterlebt. Seine Liebe zu den Menschen war eine Wohltat für ihre oft so kranken Körper, die er heilte, Balsam für die müden Seelen, die er aufrichtete, Trost für die verzagten Herzen, denen er Lebensmut zurückgab. Ein wunderbares, schöpferisches Wirken, das bis heute anhält. Es stärkt uns im Glauben und lässt die Hoffnung immer wieder neu erblühen.

Keiner hat Gottes innerstes Wesen so verkörpert wie er, den seine Jünger und Anhänger bis zum heutigen Tage als den Sohn Gottes verehren. Keiner hatte jemals die Kraft und auch nicht die Vollmacht, die Schrecken des Todes letztlich in einen Sieg zu verwandeln, als er sterbend am Kreuz rief: „Es ist vollbracht“ und damit das Heilswerk Gottes besiegelte. Von keinem Menschen außer ihm kann gesagt werden, dass er aus dem Grab herausgerufen wurde zu neuem Leben in Gottes Herrlichkeit. Von dort aus setzt er sein heilendes, liebendes und rettendes Wirken fort, was viele von uns aus eigenen Erleben bestätigen können.

Wozu das alles? Welchen Sinn haben diese göttlichen Bemühungen um uns Menschen? Petrus sagt es, nachdem er den ganzen Kosmos im Blick gehabt hat,  mit zwei schlichten Worten: „dass ihr Glauben und Hoffnung zu Gott habt.“ Mancher fragt, wie es mit dieser Welt weitergehen soll und was aus seinem eigenen Leben wird. Wir wissen es nicht. Aber wir vertrauen dem, der es weiß. Selten hat jemand diese Zuversicht und dieses Vertrauen so schön und schlicht in Worte gefasst wie Eduard Möricke, der es uns in einem Gebetswort hinterlassen hat, das ich uns mit auf den Weg geben möchte: „Herr, dir in die Hände, sei Anfang und Ende, sei alles gelegt“.

 

 

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Ein Kommentar zu “Glauben und hoffen

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Reden und Predigten müssen gut aufgebaut sein, damit man ihnen gespannt und interessiert folgen kann . Ganz originell ist in dieser Predigt die Dreier-Gliederung gleichzeitig die orientierende Einführung. Es geht um drei Aspekte der immer aktuellen Sehnsucht nach Erlösung. Die Erlösung durch Christus wird eingeleítet durch die schrecklichen Sühne- Versuche der alten Azteken und der Israeliten. Petrus und Pastor Krüger sprechen dann von der umfassenden Versöhnung am Kreuz durch den Gottessohn Jesus. Diese Versöhnung war zweitens schon vom Schöpfer bei der Schöpfung geplannt. Auf diese kosmische Dimension weist der Prediger mit Begeisterung hin. Ich selbst habe jahrzehntelang viele Oberschüler durch die kosmischen Stufen der Evolution nach Teilhard de Chardin ( s. Google Suchwort ) von dieser kosmischen Programmierung der Evolution durch Jesus überzeugen können. Im dritten Teil ist der Prediger ( wie Petrus und Teilhard ) vom guten und tröstlichen Ausgang der Heilsgeschichte durch Jesus überzeugt. Er beendet seine Predigt mit einem schönen Zitat. – Insgesamt ist die Predigt mitfühlend für die aktuellen Leiden der Zuhörer , ihre Erlösung und ihre christliche Hoffnung. Auch ich werde im Glauben warmherzig bestärkt und schaue mit Hoffnung in die Zukunft.

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