Brot des Lebens – Kelch des Heils
Einander Zeichen des Friedens geben
Predigttext: 1. Korinther 10,16-17 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
16 Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? 17 Denn ein Brot ist’s. So sind wir, die Vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.
Exegetische und homiletische Hinweise zum Predigttext
Paulus nimmt in 1.Kor 10,16+17 das Abendmahl als Kriterium für das Wesen und Verhalten der Gemeinde. Er nennt den Kelch zuerst, weil er so die Stichworte Brot und Leib von V17 direkt an V16b anschließen kann. Der Kelch des Segens „ist“ die sakramentale koinonia, die Teilhabe am Blut Christi, ist die Identifizierung des genossenen Weines mit dem Tod Christi als Heilsereignis. Das Brot ist als sakramentale koinonia die Teilhabe am Leib Christi. Durch die rhetorischen Fragen setzt Paulus diesen Sinn als anerkannt voraus.
Die Feiernden, die sich im gemeinsamen Genuss von Brot und Wein den Leib und das Blut ihres erhöhten und verherrlichten Herrn einverleiben, sind nicht „wie“ ein Leib, sondern „der“ Leib Christi. Konstitutiv ist nicht der Genuss der Elemente, sondern die Teilnahme am Mahl. Sie erbaut nicht vorrangig den Einzelnen, sondern schließt die Vielen zum Christus-Leib zusammen. Der Einheit der Gemeinschaft entspricht die exklusive und kollektive Scheidung der Kirche von den Dämonen (V21), von allen Mächten und Göttern. (Vgl. H. Conzelmann, Der erste Brief an die Korinther, 1969, S. 200-204 incl. Anmerkungen; ThWB zum NT, Bd. III, bes. S.805f; R. Bultmann, Theol. des NT, 3.Aufl. 1959, S.148f; u.a.).
Innerhalb des ersten Stadiums seiner Abendmahlslehre/n (bis 1524, besonders im Abendmahlssermon von 1519) betont Martin Luther den Gemeinschafts-Gedanken und entwickelt am Abendmahl als Sakrament der Gemeinschaft und der Liebe seine Aussagen von der Kirche als communio sanctorum (s. dazu u.a. Paul Althaus, Die Theologie Martin Luthers, Gütersloh 1963, S.318ff).
In den beiden Versen des Predigttextes spricht Paulus zwei zentrale Gedanken seiner Theologie aus: im Blut Christi, in seinem Tod am Kreuz, ist unser Heil begründet, und: die Gemeinde/die Kirche ist die Inkorporation in Christus. Dieser Kontext mit der paulinischen und auch lutherischen Theologie sollte m.E. nicht übergangen werden. Mit ihrer Teilhabe am getöteten und heilswirksamen, machterfüllten Leib Christi haben die Glaubenden als weltweite, versöhnte und versöhnende, exklusive Gemeinschaft mit Christus und der Christen untereinander Anteil an seiner wirkungskräftigen Wirklichkeit als einer falsche Herrschaftsverhältnisse überwindenden Macht.
Der Kontext mit den Kapiteln 10 und 11, in denen Paulus die Unvereinbarkeit von der Teilnahme und Teilhabe am Abendmahl und des Genusses von Götzenopferfleisch konstatiert, kann sachlich unberücksichtigt bleiben (vgl. Gottesdienstpraxis A IV,2/2000, S.101), wie auch längere theologische Erläuterungen zu Gründonnerstag und Passion und Abendmahl, u.a.m. unterbleiben können. Es geht um Gemeinschaft und Einheit der Feiernden mit Christus und untereinander, um körperlich wahrnehmbare Erfahrung und um die Konsequenzen im Alltag.
Wie die Feier vorbereitet und gestaltet werden kann: z.B. als Feierabendmahl an Tischen (schön und reich gedeckt, statt Oblaten Brot, das gebrochen und als Zeichen der Gemeinschaft weiter gereicht wird, u.a.m.) mit einer Mahlzeit und Tischgesprächen, dazu gibt es reichlich Material mit Gestaltungsvorschlägen, Gebeten, usw.- z.B. in den Predigtstudien IV,1 von 1999, S. 229ff bis zu 2017/18, S. 195ff; oder in Gottesdienstpraxis jeweils IV, 2 ab 2000 bis 2018; auch im Internet kann mit dem Stichwort “Feierabendmahl Gründonnerstag“ Information (zur Vorbereitung und Durchführung, mit Texten) eingeholt werden (z.B. vom Gottesdienstinstitut Nordelbien).
Die Predigt wie auch die Liturgie können um der Feier und Gesprächsmöglichkeit willen kürzer ausfallen. Mir ist es wichtig, zur Sprache zu bringen: Eine Abendmahlsfeier ist intensiver als andere Tischgemeinschaften; sie hat Konsequenzen für unseren Alltag; wir dürfen das Evangelium unseren Mitmenschen nicht schuldig bleiben; von Gründonnerstag gehen wir über Karfreitag zum Ostersonntag weiter. Ein möglicher Beginn der Predigt kann die Erzählung vom alten Bäcker und seinem Laden in der Jakobstraße in Paris sein.
Hauptgedanken: Wir feiern Abendmahl und werden eine intensive Gemeinschaft mit Jesus Christus und untereinander und haben teil an seinem Leben und Heil. Was uns an Liebe und Frieden im Gottesdienst geschenkt wurde, müssen wir an unsere Mitmenschen im Alltag weitergeben.
An der Jakobstraße in Paris liegt ein Bäckerladen; da kaufen viele hundert Menschen ihr Brot. Der Besitzer ist ein spaßiger Kerl. Manche sagen: Er hat einen Tick. Die meisten sagen: Er ist weise, er ist menschenfreundlich. Einige sagen sogar: Er ist ein Prophet.
Der alte Bäcker weiß, dass man Brot nicht nur zum Sattessen brauchen kann, und gerade das gefällt den Leuten. Manche erfahren das erst beim Bäcker an der Jakobstraße, wie zum Beispiel der Omnibusfahrer Gérard, der einmal zufällig in den Brotladen an der Jakobstraße kam. „Sie sehen sehr bedrückt aus“, sagte der alte Bäcker zum Omnibusfahrer. „Ich habe Angst um meine kleine Tochter“, antwortete Gérard. „Sie ist gestern aus dem Fenster gefallen, vom zweiten Stock.“ „Wie alt?“, fragte der alte Bäcker. „Vier Jahre“, antwortete Gérard.
Da nahm der alte Bäcker ein Stück vom Brot, das auf dem Ladentisch lag, brach zwei Bissen ab und gab das eine Stück dem Busfahrer Gérard. „Essen Sie mit mir“, sagte der alte Bäcker, „ich will an Sie und Ihre kleine Tochter denken.“ Der Busfahrer Gérard hatte so etwas noch nie erlebt, aber er verstand sofort, was der alte Bäcker meinte, als er ihm das Brot in die Hand gab. Und sie aßen beide ihr Brotstück und schwiegen und dachten an das Kind im Krankenhaus.
Zuerst war der Busfahrer Gérard mit dem alten Bäcker allein. Dann kam eine Frau herein. Bevor sie ihren Wunsch sagen konnte, gab ihr der alte Bäcker ein kleines Stück Weißbrot in die Hand und sagte: „Kommen Sie, essen Sie mit uns: Die Tochter dieses Herrn liegt schwer verletzt im Krankenhaus, sie ist aus dem Fenster gestürzt. Vier Jahre ist das Kind. Der Vater soll wissen, dass wir ihn nicht allein lassen“. Und die Frau nahm das Stück Brot und aß mit den beiden. (Wer noch die Fortsetzung, die Geschichte mit Gaston, vortragen möchte, gebe ins Internet ein: „Der Bäcker von Paris“.)
Miteinander essen verbindet und schafft Teilhabe, ermöglicht Teilen und Tragen, der alte Bäcker hat es wunderbar und heilsam praktiziert. Menschen, mit denen ich an einem Tisch sitze und esse und trinke, zu Hause im Familienkreis, draußen in einem Restaurant, kann ich nicht ignorieren. Ich komme mit ihnen ins Gespräch, erfahre ihre Gedanken, die sie gerade bewegen, einiges von den Freuden und Leiden aus ihrem Leben, und sie fragen mich nach meinem Leben. So entsteht Gemeinschaft und vielleicht Freundschaft.
Intensiver als eine zufällige Bekanntschaft in einem Restaurant und folgenreicher ist die Gemeinschaft bei der Feier des Abendmahls. Der Kelch des Segens, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Ja, er ist es: in, mit und unter Brot und Wein, die wir empfangen, haben wir teil an Kreuz und Auferstehung Jesu und an seinem Leben, hier in dieser Zeit und in seiner ewigen Herrlichkeit. Das Brot, das wir brechen und uns reichen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Ja: wir sind mit ihm „ein Leib“. Wir lassen uns hineinnehmen in seine Liebe (s. Evangelium Joh 13) und nehmen seine Zusage an: für dich gegeben zur Vergebung der Sünde, zur Überbrückung deiner Gottesferne; wo „Vergebung der Sünde ist, da ist Leben und Seligkeit“ (M. Luther).
Damit wir nicht zweifeln an dieser Zusage und Vergebung, gibt sich Jesus Christus in Brot und Wein sichtbar in unsere Hand und schmeckbar in unseren Mund. Wir vertrauen seiner Zusage: „Dein Leben und die Freuden und Leiden darin sind kein dunkles Schicksal. Du bist keine Null und keine Nummer im Geschäftsgang der Welt. Du bist kein Staubkorn im Weltall, kein Zufallsprodukt. Meine Liebe hat dich ins Dasein gerufen, sie hält und führt dich, am Ende trägt sie dich durch den Tod hindurch in meine ewige Gemeinschaft“. Unsere Gemeinschaft und Teilnahme am Mahl ist feste und untrennbare Teilhabe am Leib Christi; wir Einzelnen werden zusammengeschlossen, zusammengeschweißt zum „Christus-Leib“.
Solche Teilhabe am Leib Christi hat Konsequenzen für unser Verhalten im Alltag: Wer Gottes Freundlichkeit und gnädige Zuwendung geschmeckt hat und mit seinem Geist der Liebe und Vergebung, des Friedens und der Gerechtigkeit beschenkt wurde, wird allen tödlichen Gesinnungen, aller Gier nach immer Mehrhabenwollen, allem Fremdenhass, allem, was Gott nicht gefällt, widersprechen. In der Hilfe für Flüchtlinge z.B. bieten sich viele Möglichkeiten, Liebe zu üben, wo gehasst wird, Hoffnung zu wecken, wo Verzweiflung quält, ein Licht anzuzünden, wo die Finsternis regiert, Freude zu machen, wo der Kummer wohnt.
Wer im Hause Gottes den Mitfeiernden ein Zeichen des Friedens gegeben hat und mit dem Zeichen des Kreuzes gesegnet wurde, wird den empfangenen Segen hinaustragen in unsere zerrissene und für viele kalte und komplizierte Welt.
Das Evangelium von der Liebe Gottes zu dieser Welt und von der Versöhnung und Erlösung allein in Jesus Christus dürfen wir unseren Mitmenschen nicht schuldig bleiben. Es ist immer wieder zu lesen, dass in unserem Alltag Gott und seine Verheißungen und der Ausblick in seine Ewigkeit vergessen seien. Der Glaube an den gütigen Gott, der seinen Geschöpfen sein Heil und Heilung schenken will, sei nicht mehr vorhanden. Um heute von Gott und Jesus zu erzählen, müssen wir immer wieder durchbuchstabieren, was Versöhnung und Erlösung, Kreuz und Auferstehung, Heiliger Geist, Nachfolge Christi und Feindesliebe heißt. Nicht müde dürfen wir werden zu bitten, dass Menschen wieder berufen werden, das Wort Gottes so auszusprechen, dass sich die Welt darunter verändert und erneuert (Dietrich Bonhoeffer).
Wir wissen: Kaum haben wir uns vom gemeinsamen Mahl erhoben, erwartet uns kalte, dunkle Nacht, wir gehen in den Karfreitag. Mit den zwei Sätzen des Predigttextes ermutigt uns der Apostel Paulus zu diesem Schritt. Er eröffnet uns einen weiten Horizont, und er zeigt uns unseren Ort im Heilsgeschehen Gottes auf: in der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Christi, im Kreuzestod Jesu – “Sein Kampf ist unser Sieg, sein Tod ist unser Leben” (EG 87,3). Um dieser Botschaft willen sollten wir Karfreitag wieder als unseren höchsten Feiertag begehen.
Dass Gott in seiner Liebe zu uns sich ans Kreuz nageln ließ, um im Sterben des in den Augen der Welt Gescheiterten Jesus den Tod zu überwinden und die Welt mit sich zu versöhnen, das können wir mit unserer Vernunft nicht fassen noch mit Überredungskunst und Klugheit vermitteln (1.Kor 1,18-2,5). Gott will in unseren schwachen Worten im Wort vom Kreuz seines Geistes Kraft erweisen. Gottes Auferstehungsmacht erschafft das österliche Morgenlicht und stetig einen neuen Anfang.
„Kommen Sie, essen Sie mit uns“ – der alte Bäcker wusste, dass gemeinsames Essen Gemeinschaft stiftet, in der wir Lasten und Freuden miteinander teilen und tragen. Darum nimm und iss vom Brot des Lebens, Christi Leib für dich gegeben; nimm und trink aus dem Kelch des Segens und Heils, Christi Blut für dich vergossen. Das stärke und bewahre dein Glauben, Hoffen und Lieben im alltäglichen Tun des Gerechten zum ewigen Leben.
Gründonnerstag, Karfreitag, Ostern, das ist Gottes Geheimnis und Werk, zu unserer Seligkeit und Rettung vollbracht. Wir feiern in der Gewissheit des Glaubens und haben als Glieder am Christus-Leib teil an seinem Sieg über alle widergöttlichen Mächte; danach stehen wir auf und gehen hinaus in den Karfreitag und weiter in den Ostersonntag hinein, ins Helle und Freie.
Sehr mitfühlend und überzeugend nimmt uns diese Predigt von Pastor Albrecht hinein in die Gemeinschaft mit Gott durch Jesus beim Abendmahl. Sehr einladend ist zu Beginn die Geschichte von dem Bäcker aus Paris. Gemeinsames Essen verbindet schon uns Menschen. Das Abensdmahl verbindet uns mit Jesus. Man wird nicht nur erinnert an die Abendmahls- Gemeinschaft vorm Altar in der Kirche, sondern auch beim Abendmahl von Kranken, die vom Tod bedroht sind und an den Trost, den durch dieses Mahl mit Jesus geschenkt hat. Durch Jesus sind wir kein Zufallsprodukt im Weltall. Jesu Liebe trägt uns bis in die ewige Gemeinschaft mit Gott.( Der Theologie -Prof Thilo hat mal gesagt, nichte erwartet er so sehr nach dem Tod wie die Gemeindschaft mit Jesus und seinen Lieben.) Zum Schluß wird noch einmal rhetorisch gut an den Bäcker erinnert und an den Sieg Jesu .- Überhaupt ist die Predigt sehr gut aufgebaut und entläßt uns mit neuem Mut.