Gottes Frieden ist unbegrenzt

Jeremias Botschaft und die Zweifel der Menschen im Exil

Predigttext: Jermia 29,1.4-7.10-14
Kirche / Ort: Aurich
Datum: 21.10.2018
Kirchenjahr: 21. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastorin Theda Frerichs

Predigttext: Jeremia 1.4-7.10-14 29 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Dies sind die Worte des Briefes , den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar von Jerusalem nach Babel weggeführt hatte.

So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:

Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte; nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter; nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.  Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn´s ihr wohlgeht, so geht´s euch auch wohl.

Denn so spricht der HERR: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, so will ich euch heimsuchen und will mein gnädiges Wort an euch erfüllen, dass ich euch wieder an diesen Ort bringe.
Denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.  Und ihr werdet mich anrufen und hingehen und mich bitten; und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden; denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will ich mich von euch finden lassen, spricht der HERR, und will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstoßen habe, spricht der HERR, und will euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.

Exegetische Überlegungen

Der Prophet Jeremia schreibt seinen Brief (dieser umfasst ursprünglich nur die V5-7 -  die V10-14 sind später hinzugefügt) zwischen 597 und 587/6 v. Chr. an die sog.  „oberen Zehntausend“, die ins Exil nach Babylon gehen mussten. Es handelt sich dabei um eine erste Gruppe der Verbannten, der übrige Teil der Bevölkerung ist noch in Jerusalem verblieben.

Der Tempel ist zum Zeitpunkt der Briefabfassung noch nicht zerstört. In dieser Gruppe der zuerst Exilierten ist die Hoffnung auf und die Erwartung der baldigen Rückkehr groß.

Jeremia hatte lange gewarnt und zur Umkehr gemahnt, doch er wurde um seiner Botschaft willen Zeit seines prophetischen Wirkens angefeindet, verfolgt und mit dem Tod bedroht. Auch hier entspricht er mit seiner Botschaft nicht den Erwartungen seiner Adressaten. Anstatt wie andere (falsche, d.h. nicht von Gott gesandte) Propheten eine baldige Rückkehr zu versprechen, fordert er die Exilierten auf, sich in der Fremde einzurichten: Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte (V5), mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet (6).

Jeremia geht sogar so weit, dass er das Wohl der Exilierten an das Wohl des fremden Ortes knüpft. Sie selbst sollen jetzt Fürbitte halten für die Stadt (V7), während ihm selbst, als er das Gericht Gottes prophezeit hat, die Fürbitte für das Volk von Gott verboten worden war (Jer 7,16 u.a.).

Dort, in der Fremde, erst nach bzw. im Gericht Gottes, wird das Heil zugesprochen. Gottes Gericht anzunehmen und die Situation zu gestalten; darin liegt Heil. Ja, Gott sagt Schalom zu, aber nicht mehr an den Tempel, an das Land, ja nicht einmal an das (Wohl-)Verhalten der Menschen gebunden. Es sind Gottes gute Gedanken, die Zukunft und Hoffnung beinhalten.

Literatur: Werner H. Schmidt, Das Buch Jeremia, Göttingen 2008 + 2013 (ATD 20+21).

Zur Predigt

Sollen wir uns einrichten in unserem Schicksal? Von Rückkehr in die Heimatstadt Jerusalem ist keine Rede. Eine Zumutung!

Gottes Gedanken sind andere als unsere. Das Heil, das er zuspricht, ist nicht unbedingt das, was wir uns wünschen. Es ist anders, als wir uns vorstellen. Ist das schlecht? Baut Häuser und wohnt darin! Heißt das nicht auch: Nimm dein Schicksal an!

Kein Lebensabschnitt ist nur ein „Durchgang“, nur ein „Warten auf“, alles soll, alles darf gelebt werden. Es hat einen Wert. Mach das Beste daraus! Pack dein Leben an, wo und wie es sich dir stellt. Mach das Fremde, den Ort, den du dir nicht ausgesucht hast, die Menschen, die dir unbekannt sind, zu Vertrautem, zu einem Teil deines Lebens. Schlage Wurzeln darin, so dass etwas wächst, fruchtbar wird, am Ende etwas Neues entsteht.

Jesus geht sogar noch weiter, wie wir im Evangelium des Sonntags hören: „Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen“ (Mt 5,44). Nicht weniger zu werden! Eine Gemeinschaft zu bilden, wo ich auf Hilfe angewiesen bin, das macht stark.

Ja, Gottes Worte durch den Propheten sind eine Zu-Mutung! Seine Gedanken sind andere. Sie werfen eine neue Perspektive auf unser Leben. Im Rückblick zeigt eröffnen sie neuen Raum: Gottes Schalom ist unbegrenzt! Er ist weder an einen Ort gebunden noch abhängig von unserem Wohlverhalten.

Lieder
"Was Gott tut, das ist wohlgetan" (EG 372)

"Ich steh in meines Herren Hand" (374)

"Zieh an die Macht, du Arm des Herrn" (377)

 

 

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Jeremia im Abseits?

Diesmal hat er sich ins Off geschossen. Jeremia, meinen wir, den Propheten. Mit dieser Botschaft endgültig. Nicht genug, dass uns dieser Mann jahrelang nur mahnt, nur kritisiert, in den buntesten Bildern das Unheil heraufbeschwört, nein, jetzt tritt dieser Wahnsinnige noch kräftig nach. An uns, ins Exil, schreibt er einen Brief, der sich gewaschen hat. Haben wir es nicht schon schwer genug? Hat es uns nicht hart getroffen? Sind wir nicht schon genug gestraft? Gottes Wille sei es, dass wir hier in der Fremde sitzen! So schreibt dieser Prophet. Gott selbst habe uns weggeführt ins Exil. Dies sei das Gericht, das er, Jeremia, schon so lange angekündigt habe. Und damit noch nicht genug. „Baut Häuser und wohnt darin“ fordert er uns auf. Gründet Familien! Zeugt Kinder!

Es gibt nichts, was uns jetzt ferner liegt! Warum sollen wir Häuser bauen? Wir wollen nach Hause! Nach Jerusalem! Dort stehen unsere Häuser! Dort warten unser Leben auf uns!  Dort wollen wir und unsere Kinder leben! Das soll Gottes Wille sein, dass wir uns hier einrichten? Hier in der fremden, gottlosen Stadt Babel? Und für sie beten? Darauf kann kein Schalom, kein Friede liegen! Diesmal ist dieser Jeremia wirklich zu weit gegangen. Das glauben wir nicht! Zum Glück gibt es andere Propheten, die uns die Rückkehr versprechen!

Babylonische Krise

Ich habe es kommen sehen.  Jerusalem ist gefallen! Die Babylonier haben es eingenommen! Schon bei meiner Berufung zum Propheten hat es Gott mich sehen lassen: Ein siedender Kessel kocht über von Norden her. Von Norden wird das Unheil losbrechen. So ist es eingetroffen, wie Gott gesagt hat. Ich habe sie gewarnt. Mit meinem ganzen Leben habe ich gemahnt, gezeigt, was kommen wird. Immer wieder. Den König, die Priester, die Ältesten, das Volk. Kehrt endlich um! Hört nicht auf diese  Wahrsager, Traumdeuter und Zauberkünstler, die euch immerfort Frieden und Heil weissagen. Sie tischen euch Lügen auf. Sie reden euch nach dem Mund. Vergebens.

Jetzt hält Gott Gericht über sein Volk, über seine Stadt. Und Nebukadnezar, den König von Babel, gebraucht er dazu. Und nun? Ich kann nicht anders! Diesen Beruf habe ich mir nicht ausgesucht. Gott hat mich ausgewählt, schon bevor ich auf die Welt kam. Ich bin Gottes Bote, ich muss predigen, die Worte weitergeben, die Gott mir in den Mund legt. Gott wacht über seinem Wort. Ich habe es aufgeschrieben und an die Deportierten  nach Babel gesandt. „Baut Häuser“, „pflanzt Gärten“, „mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet“ fordert Gott sie auf. „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie!“ Ihr Wohl ist euer Wohl.  Schalom in Babel, nicht mehr in Jerusalem. Wie diese Worte wohl ankommen werden? Werden sie begreifen, welche Herausforderung auf sie wartet?

Jeremias Aufgabe

Gott hat mich weggeführt. Er hat mich an diesen Ort gesetzt. Das ist nicht der Platz, den ich mir erträumt habe. Hier wollte ich nie sein. Aber jetzt kann ich es nicht ändern. Manchmal geht es nicht anders, als sich darin einzurichten. Hin und her geht es in mir: Empfinde ich es als Strafe oder nehme ich es an? Gehe ich mit aller Kraft gegen mein Schicksal vor oder mache ich einfach das Beste daraus? Bete ich für diesen Ort, an dem ich mich fremd fühle? Wie sagt Gott? „Baut Häuser und wohnt darin“. Ich werde sesshaft. Ich suche mir eine Wohnung, in der ich mich wohl fühle. Ein Zuhause. Starke Mauern schützen mich. Ich habe ein Dach über dem Kopf. Gott sagt: „Pflanzt Gärten und esst ihre Früchte.“ Und ich schlage Wurzeln, die mich stärken und mir Halt geben. Ich ernte, was ich gesät habe. Meine Arbeit ist nicht vergeblich. Sie wird Frucht tragen.

Gott sagt: „Mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet“. Ich mache mich auf die Suche nach Menschen, die mich verstehen  und wir gründen eine Gemeinschaft. Ich bin nicht allein auf dieser Welt. Gott sagt: „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn; denn wenn´s ihr wohl geht, so geht´s euch auch wohl“. Ich entdecke, dass ich etwas für diesen Platz bewirken kann. Ich bin ein Teil davon. Er wird zu meinem Ort, den ich mitgestalte.

Jesus sagt: „Liebt eure Feinde, bittet für die, die euch verfolgen“. Ich bitte Gott für die Menschen, mit denen ich es schwer habe. Ich verändere mich. Das Gebet für die anderen bewegt etwas in mir. Es verändert meine Haltung zu ihnen. Plötzlich merke ich: Sie sind auch nur Menschen, die Gottes Hilfe nötig haben. „Denn ich weiß wohl, welche Gedanken ich über euch habe, spricht der HERR: Gedanken des Friedens und nicht des Leides“. Mein Blick weitet sich. Gott mutet es mir zu, er traut es mir zu und er ist an meiner Seite. So schenkt er Zukunft und Hoffnung.

Schalom

Wo liegt Schalom? Wo ist das Gute, wo Friede, wo Glück?  In Jerusalem. In Babel. Bei mir und bei dir. Schalom ist überall dort, wo wir es nicht erwarten. Mit Gottes Augen können wir es entdecken.

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