Übergänge
„Über den Jordan gehen ...“
Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias, 13.01.2019 in Ammersbek-Hoisbüttel über Jos 3, 5-11.17 Thema: Über den Jordan gehen
Predigttext: Josua 3,5-11.17 (Übesetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
5 Und Josua sprach zum Volk: Heiligt euch, denn morgen wird der Herr Wunder unter euch tun. 6 Und Josua sprach zu den Priestern: Hebt die Bundeslade auf und geht vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade auf und gingen vor dem Volk her. 7 Und der Herr sprach zu Josua: Heute will ich anfangen, dich groß zu machen vor ganz Israel, damit sie wissen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein. 8 Und du gebiete den Priestern, die die Bundeslade tragen, und sprich: Wenn ihr an das Wasser des Jordans herankommt, so bleibt im Jordan stehen. 9 Und Josua sprach zu den Israeliten: Herzu! Hört die Worte des Herrn, eures Gottes! 10 Daran sollt ihr merken, dass ein lebendiger Gott unter euch ist und dass er vor euch vertreiben wird die Kanaaniter, Hetiter, Hiwiter, Perisiter, Girgaschiter, Amoriter und Jebusiter: 11 Siehe, die Lade des Bundes des Herrn der ganzen Erde wird vor euch hergehen in den Jordan.
17 Und die Priester, die die Lade des Bundes des Herrn trugen, standen still im Trockenen mitten im Jordan. Und ganz Israel ging auf trockenem Boden hindurch, bis das ganze Volk über den Jordan gekommen war.
(Eigene Übersetzung Christoph Kühne)
Und Josua sagte zum Volk: Heiligt euch! Denn Morgen wird IHVH mitten unter euch Wunderbares tun! Und (am nächsten Tag) sagte Josua zu den Priestern: Hebt hoch die Bundeslade, und geht hindurch, vor dem Volk her! Da hoben sie die Bundeslade hoch und dem Volk voran. Und IHVH sprach zu Josua: An diesem Tag will ich anfangen, dich groß zu machen in den Augen ganz Israels, damit sie erkennen, dass - wie ich mit Mose gewesen bin - ich auch mit dir sein werde. Und du sollst den Priestern, die die Bundeslade tragen, Folgendes befehlen: Wenn ihr an das Ufer der Wasser des Jordan kommt, bleibt im Jordan stehen!
Und Josua sagte zu den Kindern Israels: Kommt hierher! Und hört die Worte von IHVH, eurem Gott! Und Josua sprach: Daran werdet ihr erkennen, dass ein lebendiger Gott mitten unter euch ist und von euch weg vertreiben wird die Kanaaniter und die Hethiter und die Hewiter und die Perisiter und die Girgaschiter und Amoriter und Jebusiter: Siehe! Die Bundeslade des Herrn der ganzen Welt geht vor euch her durch den Jordan. …
Und die Priester, die die Bundeslade von IHVH trugen, standen auf trockenem Boden mitten im Jordan, fest und sicher und ganz Israel ging hinüber auf trockenem Boden, bis das ganze Volk die Überquerung des Jordan beendet hatte.
Gedanken beim Lesen des Textes
Gott spricht mit einem Menschen, mit Josua. Er soll Gottes Sprachrohr für die Israeliten sein. Josua ist ein „einfacher“ Mensch also z.B. kein Priester. Wäre das schön, wenn Gott so zu mir spräche! Es ist kein Gespräch zwischen Gott und Josua, eher Äußerungen von Gott an Josua und von Josua an die Israeliten. Das Wunder des Roten Meers soll auch beim Jordan stattfinden - und findet auch statt. Der Text enthält viele Themen, die angerissen, aber nicht ausgeführt werden, z.B. die Aufforderung an das Volk sich zu heiligen.
Oder: Welche „Worte des Herrn“ sollen die Leute hören? Oder: Durften nicht nur die Leviten die Bundeslade tragen (Nm 7,9. 1Ch15, 2)? Woran sollen die Israeliten merken, dass „ein lebendiger Gott unter euch ist“? Der Text wirkt lebendig UND rätselhaft. Was ist seine Botschaft?
Gedanken zum Gottesdienst
Am 1. Sonntag nach Epiphanias denkt die Christenheit an die Taufe Jesu (Evangelium: Matth 3,13-17). Der Weihnachtskreis wird langsam verlassen. Jesus erfährt im Jordan seine Taufe und damit seine Legitimation als JESUS CHRISTUS. Mit der Taufe erreichen wir das Gelobte Land, werden zu Kindern Gottes. „Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen“.
Jos 3,5ff als Bild für die Taufe? Die Geschichte trägt den Nimbus eines Gottesdienstes, auf den sich die Menschen vorbereiten („heiligen“). Gott und sein Wort ist die treibende Kraft für das „Wunderbare“, was geschieht. Wenn auch die Menschen angehalten werden, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten, so ist der „Durchzug“ dennoch ein Wunder, ein Geschenk Gottes. Und das, obgleich die „Rettung“ der Israeliten mit großer menschlicher Hilfe erfolgt. Wir sollen tun, was wir können. Und doch von Gott alles erwarten.
Kernworte des Textes: hindurchziehen - stehen bleiben - Bundeslade
Lieder
EG 396 Jesu meine Freude
EG 66 Jesus ist kommen Grund ewiger Freude
EG 317 Lobe den Herren, den mächtigen König (besonders V 3!)
EG 395 Vertraut den neuen Wegen
EG 34 Halleluja - Freuet euch ihr Christen alle
Nun liegt die große Wunderzeit schon wieder einige Tage hinter uns: Weihnachten mit seiner festlichen Beleuchtung, mit der Geburtsgeschichte Jesu, mit schönen Liedern und Texten.War diese wundervolle Zeit ein Wunder? Wie oft sprechen wir von „Wunder“ und gehen doch im normalen Leben auf Abstand zu den Wundern. Wir sind von der Wissenschaft geprägt, die zunächst nur gelten lässt, was man messen und wiegen kann. Vielleicht liegt darin das Geheimnis unseres Lebens, dass wir zwischen Wissen und Wundern leben. Wer sich nicht mehr wundern kann, versteht vom Leben nicht mehr viel, ja, der mag sogar depressiv werden … Mit unserem heutigen Predigttext wird uns ein Wunder präsentiert. Und ich lade Sie ein, mit mir über den Jordan zu gehen!
(Lesung des Predigttextes)
Ein großartiges Bild, das uns da gemalt wird! Hier erleben wir die verheissene Landnahme durch das Volk Israel. Wir sehen die Menschen trockenen Fusses durch den Fluss gehen, während die Priester mit der Bundeslade Gottes am Oberlauf stehen, und hinter ihnen türmen sich die Wellen hoch auf. Damals im Roten Meer hat Mose die Arme erhoben, sodass das Volk durchziehen konnte. Damals sind die nachjagenden Heere des Pharao in den zurückflutenden Wassern ertrunken. Und damals gelangten die Israeliten nur auf der anderen Seite jenes Meeres. Das Gelobte Land lag noch 40 Jahre vor ihnen!
Es gibt noch eine kleine Geschichte von den Kundschaftern, die damals das „Gelobte Land“ besucht haben und mit der berühmten Weintraube zurückgekehrt sind. Die einen warten vor dem neuen Land: Es wären Riesen dort, die die Israeliten auffressen würden. Die anderen – unter ihnen ein gewisser Josua – machten Mut, in das Land zu ziehen. Doch es sollte nicht sein. Vor unserer Geschichte wird ebenfalls von Kundschaftern erzählt, die der nun ältere Josua in das neue Land aussendet. Mit viel Glück und der Hilfe einer Hure – Rahab – kommen diese wieder zurück, und der Plan, über den Jordan zu gehen, ist gefasst.
Damit das Ereignis auch würdig angegangen wird, fordert Josua die Israeliten auf, sich zu heiligen (V5). Josua wächst immer mehr in die Rolle des Großen Vaters Mose hinein. Ja, in unserer Geschichte soll der Durchzug durch den Jordan sogar der Heiligung, der Bedeutung Josuas dienen: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein, sagt Gott.
Und so geschieht der neue Tag: Josua lässt die Priester die Lade schultern und in die Mitte des Jordan gehen. Und da ganze Volk geht trockenen Fußes über den Fluss. Habt ihr gemerkt, dass ein lebendiger Gott unter euch ist (V10)? Und habt ihr gesehen, dass auf der anderen Seite keine Feinde waren? Das liegt an der Bundeslade des „Herrn der ganzen Welt“ (V11)! Also geht Gott mit den Menschen über den Jordan.
Über den Jordan gehen … Vielleicht haben Sie schon eine ähnliche Erfahrung in Ihrem Leben gemacht. Vielleicht gab es einen Übergang, einen Wechsel in Ihrem Leben, der für Sie (im Nachhinein) lebenswichtig war. Manchmal ist es eine Krankheit, die uns zum Nachdenken bringt. Oder der Umzug in eine andere Stadt, der für Sie ein Gang über den Jordan war. Übergänge prägen unser Leben, schmerzliche Phasen, durch die man durch muss – wie wir sagen. Und haben wir dann auf der anderen Seite das Gelobte Land gefunden?
Nach unserer Geschichte wird von Denksteinen gesprochen, die die Israeliten aufrichten sollen: Diesen Übergang sollen sie nie mehr vergessen! Und wie oft vergessen wir solche Phasen des Übergangs und wie wunderbarerweise die Fluten rechts und links hochstanden und sich auftürmten (V16) und wir trockenen Fußes durchkamen. Die Israeliten sollen sich erinnern, sollen ihren Kindern und Enkeln erzählen, was ER ihnen Gutes getan hat“ (Ps 103,2)!
In unserer Josua-Geschichte wird das Wunder durch die Priester bewirkt, die mit der Bundeslade mitten im Jordan stehenbleiben, sodass sich die Wellen „wie ein einziger Wall“ (V16) auftürmen. Israel kann also trockenen Fußes über den Jordan gehen. Fast selbstverständlich. Zumindest sind uns weder Gedanken noch Gespräche der Leute überliefert. Vielleicht gehen sie sogar „fröhlich ihres Weges“ (vgl. Apg 8,39), sind sich ihres Gottes und ihres Glaubens gewiss. Ja, vielleicht empfinden sie ihre Situation gar nicht als Krise, als Übergang, als etwas Besonderes.
Finden wir mit dieser Geschichte eine Hilfe für unsere heutige kirchliche Situation? Wir sind – als Kirche – ebenfalls unterwegs, scheinen aber festzustecken. In Gewohnheiten? In nicht eingestandener Bedeutungslosigkeit? Wir Christen werden vielleicht wirklich „über den Jordan gehen“, wenn wir uns nicht aufmachen und über den Jordan gehen! Aber haben wir denn eine Bundeslade, ein Symbol wie jenen Gotteskasten, in dem der Name Gottes liegt oder die Tafeln des Bundes oder – nichts?
Hilfe kommt uns von dem heutigen Evangelium, das diesem Sonntag seine Bedeutung gegeben hat: die Taufe Jesu – im Jordan. Wir haben gehört, wie Jesus mitten in den Fluss steigt und von Johannes, seinem Cousin, getauft wird. Auf alten Bildern sieht man um Jesus herum einen Wall von Wasser. Außerdem tut sich der Himmel auf: Du bist mein geliebtes Kind, an dem ich Wohlgefallen haben (Mt 3,17).
Dies gilt doch jedem, der getauft ist: dass der Himmel aufgeht, dass sich die Fluten von Angst undVerzweiflung auftürmen und ich singen und leben kann „in gar sichrer Ruh“ (EG396). Wer getauft ist, ist „in gar sichrer Ruh“! Eindrücklich bleibt für mich Martin Luther, der in Zeiten von Angst und Anfechtung auf seinen Schreibtisch mit Kreide geschrieben hat: Baptizatus sum – Ich bin getauft. Ist das nicht ein gutes Zeichen für uns, wenn wir aufbrechen (müssen) in ein neues Land, in eine neue Arbeitsstelle, vielleicht auch in eine neue Beziehung? Wo ist dann unser Halt? Unser Halt, „unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel undErde gemacht hat“! Das ist unsere Bundeslade als Christen. Und die steht immer da, wo wir drohen, „über den Jordan zu gehen“.
Christus ist unsere Bundeslade, die die Wasser der Not, der Angst, der Verzweiflung, der Hoffnungslosigkeit zum Stehen bringt. Das ist unser „Grund ewiger Freude“ (EG66). Das ist der Grund, weshalb wir in dieser Welt leben und arbeiten, lieben und leiden, handeln und ruhen. So verlassen wir uns auf das Wort Gottes, das er damals dem Josua zugesprochen hat, und das jetzt auch uns heute Morgen gilt: Wie ich mit Mose gewesen bin, so werde ich auch mit dir sein (V7b)! Und beherzigen wir, dass ER immer vor uns ist, uns vorgeht, ein Damm gegen Angst und Verzweiflung. Gott sei Dank!
Die Weihnachtswunderzeit liegt hinter uns. Damit beginnt Pastor Kühne. Unser Alltag ist dagegen durch berechnende Naturwissenschaft geprägt. Aber ohne Wunder kann unser Leben leicht depressiv werden. Im Predigttext wird dagegen ein hilfreiches Wunder gezeigt. Nach dem wunderbaren Durchzug durch das Rote Meer mit Mose durchquert jetzt das Volk mit Josua den Jordan. Josua ist der zweite Mose. Gott geht mit den Israeliten und der Bundeslade durch den Jordan. Wunderbare Übergänge durch tiefe Täler prägen ja auch unser Leben, wie z.B. eine schwere Krankheit und der Umzug in eine fremde Stadt. Mit Denksteinen sollen die Israeliten und wir und wir uns an unsere Rettungen erinnern. Ganz aktuell überträgt Pastor Kühne die Situation auf unsere durch wenig Bedeutung bedrohte kirchliche Situation heute. Es gilt wie mit Josua mit dem Kirchenvolk über den Jordan in eine hoffnungsvolle Zukunft zu ziehen. Der Text erinnert an die Taufe Jesu durch Johannes im Jordan. Gottes Stimme sagt: Du bist mein geliebtes Kind. Das macht Mut. Luther hat den Satz bei Anfechtungen vor sch auf den Tisch geschrieben. Ich bin getauft! Das ist unser Durhzug durchs tiefe Tal ins gelobte Land. Einmalig tiefsinnig und gut gelingt es Pastor Kühne die Geschichte aus der Bibel in unsere Gedanken und in unser Herz zu übertragen. Man ist ganz gefesselt von seiner Auslegung und geht hoffnungsfroh ins nächste Jahr 2019 als gelobtes Land. Die Unterscheidung von der berechenbaren Welt und der nicht berechenbaren geistigen Wunderwelt mit Freiheit nach Immanel Kant sollte wie in dieser Predigt wieder mehr bewußt gemacht werden in wissenschaftsgläubiger Zeit.