„Beten und tun des Gerechten“

Lange Kette der Betenden und Glaubenden

Predigttext: Johannes 16,23b-28 (mit exegetischen und homiletischen Hinweisen)
Kirche / Ort: Johanneskirche / Johannesdiakonie Mosbach
Datum: 26.05.2019
Kirchenjahr: Rogate (5. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin Birgit Lallathin

Predigttext: Johannes 16, 23b – 28 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

23 b  :Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, wird er's euch geben. 24 Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen. Bittet, so werdet ihr empfangen, auf dass eure Freude vollkommen sei.   25 Das habe ich euch in Bildern gesagt. Es kommt die Stunde, da ich nicht mehr in Bildern mit euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater. 26 An jenem Tage werdet ihr bitten in meinem Namen. Und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde; 27 denn er selbst, der Vater, hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin. 28 Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater.

(Übersetzung: Basisbibel Neues Testament und Psalmen):

Jesus Christus spricht: An diesen Tagen werdet ihr mich nichts mehr fragen. Amen, amen, ich sage euch: Alles, worum ihr den Vater in meinem Namen bittet, das wird er euch geben. 

Bis jetzt habt ihr in meinem Namen noch um nichts gebeten. Bittet – und ihr werdet es bekommen. Dann wird eure Freude vollkommen sein.

Ich habe euch das alles in Gleichnissen gesagt. Es kommt die Stunde, wenn ich  nicht mehr in Gleichnissen zu euch reden werde. Dann werde ich zu euch offen und unverhüllt vom Vater reden. An dem Tag werdet ihr mich in meinem Namen bitten. Aber ich sage nicht, dass ich den Vater dann für euch bitten werde. Denn der Vater selbst liebt euch ja, weil ihr mich geliebt habt.

Und ihr seid zum Glauben gekommen, dass ich vom Vater gekommen bin. Ja, vom Vater her bin ich in diese Welt gekommen. Jetzt verlasse ich diese Welt wieder und kehre zum Vater zurück.

Hinführung zum Predigttext

Der Sonntag Rogate steht unter dem Motto: Die betende Gemeinde. Der ganze Gottesdienst wird die Teilnehmer und Teilnehmerinnen am Gottesdienst durch das Gebet geprägt sein. Deshalb erscheint das Nachdenken über das Gebet, eines der vermutlich großen Tabus unserer Zeit, als Zentrum der Predigt.

Tatsächlich ist das „Beten“ den heutigen Mitteleuropäern, uns Deutschen eher peinlich. Zeigen wir darin eine Verletzlichkeit, die niemand gerne zugeben möchte? Gilt Beten als voraufgeklärt? rückständig? kindlich? Diesen Vorstellungen muss im Gottesdienst entgegengehalten werden. Prediger sollten das bedenken. Vielleicht bewirkt erst das selbstverständliche, teils öffentliche Gebet der muslimischen (Neu)bürgerinnen und –bürger ein gefestigtes Selbstverständnis unserer Glaubensäußerung in der Gesellschaft. 

Das Predigtwort Johannes 16,23 – 28 entstammt den Abschiedsreden Jesu. In diesen Worten ist die gesamte johanneische Theologie konzentriert.  Soll sich der Prediger, die Predigerin, der Klärung der theologischen Prämissen widmen? Welches Thema soll er oder sie aus der angebotenen Fülle in fünf Versen wählen? Sämtlichen Windungen der johanneischen Theologie kann er, bzw sie nicht gerecht werden.

Themen, die nicht selbsterklärend sind, sondern ausgedeutet, wenigstens erklärt werden müssten (Auswahl):

Inwiefern spricht Jesus vom Vater? (Vers 23) Wie ist das Verhältnis Jesu zum Vater?

„Im Namen Jesu bitten.“(Vers 23) Welche Vollmacht verbirgt sich oder wird offenbart?

„Bis jetzt habt ihr in meinem Namen noch um nichts gebeten“. (Vers 24) Spricht hier die vorösterliche oder die österliche Gemeinde? Ist der Satz eschatologisch gemeint?

Das Reden in Gleichnissen und seine Enthüllung. (Vers 25). Welches Gleichnisverständnis hat der Schreiber des Johannes-Evangeliums? Gilt es exklusiv der johanneischen Gemeinde? Wird nur ihnen enthüllt, welcher doppelte Schriftsinn in den Worten des Evangeliums liegt?

Inwiefern „glauben“ die Jünger der Abschiedsreden? Glauben ist erst nachösterlich möglich.

Dies sind, lediglich angedeutet, nur fünf der Schwierigkeiten des Predigtwortes, die den Text sperrig und unverständlich sein lassen. Bevor zum Kern einer Predigt einer betenden Gemeinde vorgedrungen werden kann, müsste eine große „Portion Lehre“ vorangeschickt werden. Der oder die Lehrende hebt sich dann von der Gesamtheit der Gemeinde ab und wird zum Hüter, bzw zur Hüterin des Glaubens, zum Erklärer, nicht zum Glaubenden selber. Die Predigenden sollten allerdings  die ersten Hörer und Täter des Wortes sein.

Die Predigerin hat sich deshalb entschlossen, sich auf die Stichworte: „Bitten“ und „Glauben“ zu konzentrieren.

Jesus spricht in der Überlieferung des Johannesevangeliums vom Vertrauen, das im Bitten liegt. Dieses Vertrauen ist die Grundlage des Glaubens. Nehmen wir Ernst, dass die Predigthörer und –hörerinnen Glaubenshilfe als Lebenshilfe im Sonntagsgottesdienst  erwarten, sprechen wir von der Kraft des Gebetes, des Glaubens durch Glauben. Suchen wir Vorbilder des Betens und Glaubens in unserer Tradition!

Tröstlich ist, nicht selber das Beten erfinden zu müssen, sondern mitzubeten in den Gebeten der Jahrhunderte vor uns.

In Jörg Zinks epochalem Kompendium „Wie wir beten können“ finden wir auch heute, fast 50 Jahre nach dem ersten Erscheinen, traditionelle Hilfen zum Glauben, etwa bei den Kirchenvätern, Gebete und Texte aus der weltweiten Ökumene und erstaunlich aktuell klingende Gebete, die Lebenshilfe sind. Nehmen wir ein Beispiel: „Wer nicht weiß, was er beten soll, lese die Zeitung!“

Die Einleitung des genannten Buches erscheint auch im Jahr 2019 so treffend und gut formuliert, wie es die Predigerin selber in einer Predigt nicht gekonnt hätte. Aus diesem Grund (und nicht aus Faulheit oder mangelnder Zeit) hat sie sich entschlossen, großzügig aus der Einleitung zu zitieren (und hat es kenntlich gemacht!)

Lieder:

Bist zu uns wie ein Vater – Vertonung des Vaterunser in :„Wo wir dich loben,  wachsen neue Lieder“ Anhang zum EG Baden, 2018 , Nr 8

Lass uns in deinem Namen Herr die nötigen Schritte tun , Anhang zum EG Baden Nr 172 Auch:Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehen, Anhang zum EG in Baden , Nr 173

Eingangs-/Bußgebet:

Ewiger, heiliger, geheimnisreicher Gott. Ich komme zu dir, Ich möchte dich hören, dir antworten. Vertrauen möchte ich dir und dich lieben, dich und alle deine Geschöpfe. Dir in die Hände lege ich Sorge, Zweifel und Angst. Ich bringe keinen Glauben und habe keinen Frieden. Nimm mich auf. Sei bei mir, damit ich bei dir bin, Tag um Tag..Führe mich, damit ich dich finde und deine Barmherzigkeit. Dir will ich gehören, dir will ich danken, dich will ich rühmen. Herr mein Gott!           (Jörg Zink: Wie wir beten können – Einleitung)

Fürbittengebet

Herr, was sind das für Aussichten, denen wir entgegen gehen. 

Du wirst uns entgegen gehen, hast Du gesagt, und die Erde neu schaffen, die wir lieben und die wir so misshandeln.

Wir bitten dich um Vernunft und Einsicht, damit das Leben hier noch lebenswert bleibt.

Herr, was sind das für Aussichten, dass du zu uns gekommen bist.

Wir bitten dich für die Traurigen und Verzagten, für die, die an den Zukunftsaussichten zweifeln, und für die, denen die Kraft zum Aushalten der Sorgen und Schmerzen fehlt.

Nimm sie an die Hand, mach du ihren Gang sicher und zuversichtlich.

Herr, Du kommst und hältst friedliche und gangbare Wege für uns bereit. Wir bitten dich für uns und alle, die diese Wege noch nicht sehen und ahnen, die jedem Friedensgerede misstrauen.

Wir bitten dich für die Mächtigen dieser Erde, und alle, die unter Macht und Gewalt leiden, sie mögen dich am Ende aller Umwege erkennen und erfahren, dass Du der Herr bleibst.     (ohne Quelle, Autor unbekannt)

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Seit über 30 Jahren begleitet mich ein Buch durch meinen Alltag, mein Berufsleben, meine Arbeit. Immer wieder finde ich die Inspiration und genau die Wortwahl, die mir aus dem eigenem Herzen gesprochen erscheint. Oft denke ich: Das ist begnadet geschrieben worden! Das kann nicht besser gesagt werden! – Sie denken, das sei die Bibel? Nein, nicht ganz. 

Die Bibel muss in ihren Büchern, aus dem sie besteht, immer wieder neu in unsere Zeit hinein mit Leben und Glauben gefüllt werden. In manchem ahne ich den über Jahrtausende währenden Atem der Generationen von Glaubenden vor mir, die gebetet, gehofft und geglaubt haben. In der Bibel finden wir Zeugen, Menschen, die eine Geschichte mit Gott erlebt haben und die sie verändert hat. Tiefe Erschütterungen finden wir, Zeugnisse, in denen Gott zu Menschen kam.  Das eine wahre, lebendige Wort Gottes, das ist Jesus Christus selber! Gott wurde Mensch, die Botschaft lebt in unserem Bruder Jesus Christus, der den Tod besiegt hat und den Weg zum Leben führt. In all unserem Bitten, unserem Hören, unserem Tun ist er der Mittler, der Weg zum Vater. Diesen Glauben lernen wir ein Leben lang.

Glauben lernt man durch Glauben, durch den der vor uns Glaubenden und durch das Beten, das gemeinsame Vertrauen, dass Gott mit uns auf dem Weg durch das Leben ist. Wenn ich heute darüber predige, dann ist meine Wortwahl nicht so wichtig. Es sind die Schätze der vielen Generationen, die wir heute bewahren und achten.

Das Buch also, das mich durch so viele Jahre begleitet hat, heute reichlich zerfleddert vor mir legt, mit vielen eingelegten Zetteln und Bildern ist dieses hier: „Wie wir beten können“, von Jörg Zink. 1970 ist es erstmals erschienen, hier ist die bereits 10. Auflage von 1981. Eigene Gebete hat der Autor formuliert, aber vor allem hat er gesammelt und überliefert. Und in Worten, die weit besser sind als meine eigenen, schreibt er von der Sehnsucht der Menschen  nach Gott, die noch heute im Herzen der Suchenden lebt. Das ist auch 2019 gültig. Lassen wir ihn doch selber zu Wort kommen, den Autor und Sammler Jörg Zink (Jörg Zink, „Wie wir beten können, 10. Auflage 1981, Einleitung, S.5 ff):

„Ich gestehe, dass ich an manches nicht glaube, das heute festzustehen scheint. Ich glaube zum Beispiel nicht an die religionslose Zeit, der wir nach verbreiteter Auffassung entgegen gehen, und auch nicht an den religionslosen Menschen von heute oder morgen, den uns eine furchtsame Theologie an die Innenwände der Kirchen malt. Das Bild, das die Menschen heute nach außen darbieten, täuscht. Es ist viel mehr Sehnsucht nach Glauben unter uns, als die Meinungsforschung den abwehrenden Auskünften obenhin befragter Leute entnimmt, viel mehr leidenschaftliche Suche nach praktischer Frömmigkeit, viel mehr einsame  Bemühung um das Gebet.

Gewiss, die Bemühung um den Glauben verzehrt heute mehr Kraft als früher und endet rascher in der Resignation. Aber das hat nicht den Grund, dass es schwieriger wäre zu glauben, sondern den, dass es mühsamer ist, über den Glauben zu sprechen. Das eigentliche Elend auf dem Felde des Glaubens und der Frömmigkeit besteht darin, dass der Einzelne seine Sache mit Gott mehr und mehr für sich selbst abmacht  in der Sorge, er müsse diesen persönlichsten Bezirk gegen den Einblick anderer Menschen oder den Zugriff von Autoritäten abschirmen …

Wenn vom Glauben die Rede sein soll, müssen wir den Glauben wagen und nicht weniger. Wenn wir uns selbst gewinnen wollen, müssen wir unser gesamtes Vertrauen einsetzen… Freilich werden wir in unseren eigenen Worten reden müssen, denn wir retten keine Kirche dadurch, dass wir überlieferte Worte so wiederholen, als liege im bloßen Festhalten und Wiederholen von Bekenntnissen oder Kirchengebeten der Beweis des Geistes und der Kraft.

Es geht um „Frömmigkeit“. Wir sollten dieses Wort von aller sentimentalen Verfälschung befreien und dann wieder gebrauchen. Frömmigkeit besteht darin, dass das praktische tägliche Leben von einem Glauben durchformt wird und von ihm seine Freiheit empfängt. Sie hat mit allem zu tun, was uns angeht. Sie unterscheidet nicht zwischen weltlich und geistlich. Auf der anderen Seite werden wir bemerken, dass das Gebet bei uns fast nur noch in einem Reden besteht. Aber das Gebet ist mehr noch ein Hören. Beten kann heißen, einfach nur vor Gott „da“ zu sein oder vor Gott in aller Sachlichkeit einer Arbeit nachzugehen. Und was es heißt, nicht nur mit dem Mund, sondern mit dem ganzen Menschen zu beten, etwa mit den Füßen, das können wir am Kreuzweg Christi, diesem ersten und wichtigsten Gebetsweg der Christen, einmal wieder versuchen“. Soweit der Beter Jörg Zink.

Schauen wir doch darauf, wie Jesus selbst gebetet hat, da haben wir ein großes Vorbild: Vor den Augen und Ohren aller seiner Freunde und Freundinnen, in der Öffentlichkeit hat er gebetet. Er lehrt das Vaterunser und das praktische Tun der Nächstenliebe. Er tut Wunder an Leidenden und Verfolgten, er bringt Menschen zusammen, vollbringt soziale Wunder. Im heiligen Zorn reinigt er das Heiligtum in Jerusalem, den Tempel, von Missbrauch und habgieriger Gewinnsucht und schreit es heraus: „Mein Haus soll ein Bethaus sein!“ Und er zieht sich auch zurück in einsames Suchen und Beten: nachdem ihm alles zuviel wurde und die Menschen ihn bedrängten, er solle Wunder tun. Er war ermüdet, erschöpft. Er bringt seine Angst, seine Verzweiflung zu Gott, während seine engsten Freunde schlafen. Damals, am Ölberg war es. All das sind auch die Gleichnisse des Betens.

Beten und Tun des Gerechten, das sei die Aufgabe von Christen. Das sagte Dietrich Bonhoeffer, ein ernst zu nehmendes Wort, auch heute. Beten und Handeln werden eins, genau wie Jesus es gelebt hat. Tatsächlich: Jörg Zink hat es beschrieben: Jesus ist den Weg des ganze Menschen mit den eigenen Füßen gegangen: den Kreuzweg. Nein  er hat nicht fromm gelabert, er ist konsequent den Weg weiter gegangen. Sein  Tun ist unser Heil! Ihm nachfolgen ist nicht das eigene Leben zu opfern, das nicht! Aber es einzusetzen im Beten und Tun des Gerechten.

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Ein Kommentar zu “„Beten und tun des Gerechten“

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Nach der ausführlichen und originellen Predigtvorbereitung beginnt Pfarrerin Birgit Lallathin ihre Predigt, indem sie den Leser gespannt macht auf ein begnadetes Buch zum Beten. Die Bücher der Bibel sind ja das immer wahre Wort Gottes und die Mitte unseres Lebens. Das begnadete Buch, welches die Predigerin fasziniert, ist das Buch von Jörg Zink: Wie wir beten können. Pfarrerin Lallathin zitiert daraus wörtlich in ihrer Predigt, lang und ausführlich bis zum eigenen Schlußabschnitt. Dort schaut sie darauf, wie Jesus selbst gebetet hat. Beten und Tun des Gerechten sei die Hauptaufgabe der Christen, sagen Jesus und später Dietrich Bonhoeffer. Das ist das Schlußwort. Eine interessante Lesung des großartigen Gebetbuches von Jörg Zink, von der ich auch schon die 2.Auflage gern lese.

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