Die Namen sind aufgeschrieben
Gott und die Freude - Tag des Erzengels Michael und aller Engel
Predigttext: Lukas 10,17-20 (Übersetzung nach Martin Luther)
Die 72 Jünger kehrten voller Freude zurück und erzählten: Herr, auch die Dämonen haben in deinem Namen gehorcht! Jesus antwortete ihnen: Ich haben den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen sehen. Seht, ich habe euch die Macht gegeben, „auf Schlangen zu treten“ (Ps 91,13) und Skorpionen und auf jede Macht des Feindes - und nichts wird euch schaden. Aber freut euch nicht darüber, dass euch die Geister gehorchen. Freut euch vielmehr, dass eure Namen in den Himmeln angeschrieben sind!
Erste Gedanken beim Lesen
Ich lese bei Lukas von 72 Menschen, also 72 Jüngern, die „zurückkamen“ zu Jesus. Also hatten sie für ihren Meister einen „Aussendienst“?! Sie sind „voll Freude“ (Kernwort des Evangelisten Lukas). Das Herz geht ihnen auf. Sie sind begeistert, Geist-trunken: „Herr, auch die bösen Geister sind uns untertan in deinem Namen“! Keine Skepsis, keine Fragen, keine Zweifel am eigenen Glauben. Das Reich Gottes IST auf der Erde angekommen. Die Reaktion Jesu? Ja, der Teufel hat diese Runde verloren. Oder hat er nicht gänzlich seine Macht eingebüßt? Diesen Jüngern wird er nicht schaden.
Und dann eine Bemerkung, die mich nachdenklich macht: Die Unterwerfung der „Geister“ ist nicht das wichtigste! Obwohl es am meisten Eindruck macht! Und den Jüngern wohl am meisten Anerkennung bringt! Bei wem eigentlich? Bei Jesus oder bei den Mitmenschen?
Und nun das rätselhafte - und vielleicht auch tröstliche Wort, „dass eure Namen im Himmel geschrieben sind“. Was meint ER mit dem „Namen“? Sind Namen nicht „Schall und Rauch“? Oder ist der Name unsere Verbindung zu einem Gott, der über Zeit und Raum an uns festhält?
Gedanken zur Predigt
- Der Erzengel Michael (und mit ihm alle Engel) ist das Symbol dieses Sonntages. Er ist der Bezwinger des Teufels - zu sehen in vielen Plastiken und Bildern. (Gehört er nicht in unseren Predigttext?) Doch sein Name sieht von seiner Person ab und weist auf den hin, der den Satan aus dem Himmel geworfen hat: Mi-cha-el = Wer ist wie Gott?
- Die Freude der zurückgekehrten Jünger bildet das Intro zu dieser Geschichte. Sie haben - wie Michael! - die Dämonen besiegt! Sie fühlen sich wie die Machthaber des Bösen. Das unterscheidet sie von Michael, der um die Rangstellung Gottes weiß. Gleichwohl wissen sie um die wahre (All-) Macht: Es ist der Name des HERRN, der die Dämonen gefällt hat.
- Die Dämonen sind aus dem Himmel gestürzt worden. Hatten sie dort ihren angestammten Platz? Neben Gott? Wie der „Satan“, der Hiob bei Gott verklagt? Jesu Name hat den Bösen entthront. Und im Namen Jesu haben die 72 den Dämonen Gehorsam abgerungen. Für immer? Für eine gewisse Zeit? Wo ist „der Feind“ (V 19) jetzt? Auf der Erde? Ist er es, der Menschen verstummt, lähmt, blendet, tötet? Und haben die Jünger in SEINEM Namen das „Reich Gottes“ auf die Erde gebracht?
- Jesus korrigiert die 72 Jünger: Nicht sie haben die Dämonen besiegt sondern die Vollmacht, die er ihnen gegeben hat. Diese Vollmacht verleiht Zuversicht und Zuflucht, wie Ps 91,9 sagt. Dann wirst du „über Löwen und Ottern … gehen und junge Löwen und Drachen niedertreten“ (Ps 91, 13). Wer SEINEN Namen kennt, den wird ER schützen (Ps 91,14b).
- Dass die Namen der Jünger in den Himmeln aufgeschrieben seien, das ist „Grund ewiger Freude“ (EG 66). Freude über einen Sieg gerinnt zu Schadenfreude. Sie stärkt den Narzissmus der Jünger und lässt vergessen, woher die „Vollmacht“ kommt. Der Grund „ewiger Freude“ liegt darin, dass die Jünger wissen, wer sie gesandt und beantragt hat - und wer die Quelle der Freude ist.
- Freude ist das Hauptwort des Evangelisten Lukas. Die Freude in die Welt zu tragen ist die Aufgabe der Jünger damals wie heute. Die Freude blüht, wenn das Reich Gottes genaht ist. „Die Freude am Herrn ist eure Stärke“, ruft der Statthalter Nehemia der nachexilischen Gemeinde zu, als es um den Aufbau Jerusalems geht (Neh 8,10). Und diese Freude erwächst aus der Geborgenheit in Gott - Paulus: aus dem IN CHRISTUS.
Lieder
„Jesus ist kommen“ (EG 66)
„Von guten Mächten“ (EG 65)
Psalm 91
Literatur
Ev.-Rk. Kommentar zum NT III/2, 1996
Freude
Heute soll es um Freude gehen. Denn das erwartet die Welt von uns, dass wir fröhlicher aussehen! Vergleiche die Anmerkung des Philosophen Nietzsche: Die Christen sollten mir erlöster – und damit auch freudiger aussehen! Als Hamburger habe ich vor einigen Tagen einen Ausbruch purer Freude erlebt, als der Fußballverein St. Pauli seinen Lokalgegner HSV mit 2:0 besiegt hat. Das war echte Freude! Natürlich nur für die einen. Und dazu passt auch noch der Satz, dass Schadenfreude die beste Freude sei. Ein Leben ohne Freude ist wenig lebenswert. Manche (Christen) gehen in den Gottesdienst, weil sie etwas von der wahren Freude hören wollen. Diese Menschen sind heute richtig in diesem Gottesdienst! Ich lese den heutigen Predigttext aus Lukas 10:
(Lesung des Predigttextes)
Ist der Anfang nicht herrlich? Da macht Christsein noch Spaß: Wir gehen in die Welt, heilen wie Jesus Menschen, führen Tote ins Leben und bringen das Reich Gottes auf die Erde. Die 72 Jünger damals waren begeistert. Fast möchte man von einem Pfingstereignis sprechen: Der Hl. Geist hat alle Dämonen zunichte gemacht. Auf diesem Level möchten wir bleiben, mögen die Zurückgekehrten ihrem Herrn gesagt haben. Wohin sollen wir als nächstes gehen?
Und Jesus? Er hat ja nicht seine 12 Jünger um sich, sondern eine große Schar von „Missionaren“, also Gesandten. Eigentlich müsste er auf sie und ihre Erfolge stolz sein. Das jesuanische Konzept klappt. So sollte auch unsere Kirche sein! Auf dem Erfolg der 72 können wir aufbauen. Wir werden eine Weltkirche. Und Hunger und Not, Kriege und Verbrechen wird es nicht mehr geben. Der Anfang ist gemacht!
Woher kommt das Böse?
Und Jesus? Er bestätigt, dass „der altböse Feind“ (EG 362) wie ein Blitz aus dem Himmel gefallen sei. Was für eine merkwürdige Erscheinung! Können wir das auch sehen? Auf jeden Fall ist es unser Wunsch, dass das Böse endlich aus dieser Welt verschwindet. Wie konnte Gott überhaupt das Böse zulassen? Braucht er unsere Hilfe, damit „der Feind“ (V 19b) aus dem Himmel fällt? Ist das Böse so nahe bei Gott? Und ist es jetzt weg? Und wo ist das Böse jetzt? Ist der Satan auf die Erde gefallen und macht unser Leben schwer und krank? Ist der Satan in den blinden Menschen, den tauben, gelähmten und stummen Kranken? Ist er verantwortlich für den Tod? Ist die Krankheit ein Werk des Teufels? Und kann Gott das zulassen?
Und Jesus? Er durchkreuzt unsere Gedanken und Pläne von einem Weltreich ohne das Böse, das sich in Hunger, Krieg und fürchterlichen Krankheiten zeigt. „Freut euch nicht, dass euch die Geister gehorchen!“ sagt er. Dies ist Sieger-Freude – oft auf Kosten anderer. Siehe das 2:0 St. Pauli gegen HSV in Hamburg. Macht aus eurem Glauben keine magische Veranstaltung, keine Hexerei! Es gibt keinen Glaubenserfolg. Dann müsste es eine Hierarchie des Glaubens geben – von „geringer Glaube“ bis zu „höchster Glaube“. In der Christenheit sind manchmal solche Versuche gemacht worden, verschiedene Glaubensformen zu definieren. Wenn du glaubst, dann kannst du auch dieses Gift essen … Wenn du glaubst, kannst du dich Gefahren aussetzen …
Nein, sagt Jesus, wahre Freude sieht anders aus. Wahre Freude weiß, dass unsere „Namen in den Himmeln aufgeschrieben sind“. D.h. wahre Freude weiß, dass wir „von guten Mächten treu und still umgeben (sind), behütet und getröstet wunderbar“. Das schreibt Dietrich Bonhoeffer aus der Not des Gefängnisses. Und wirkt trotz alledem frei, fröhlich, zuversichtlich. Wenn wir diesen Text singen, können wir den Eindruck haben, dass er – im Gefängnis – „auf Schlangen und Skorpione tritt“, und er hat dennoch keinen Schaden genommen. Wir fügen hinzu: keinen Schaden an seiner Seele (Mt 16, 26). Das ist es, was den Jüngern gegeben wird, die IHM nachfolgen mit ihrem Kreuz und Leben.
Freude mit Blick auf Gott
Damit werden entscheidende Gedanken von uns korrigiert. Natürlich will ich in meinem Leben Erfolg haben. Ich will mich freuen über das, was mir gelingt. Will es auf ein Konto legen, dass es Zinsen abwirft. Aber Jesus sagt: Das geht nicht. Wahre Freude weiß, wo und bei wem ich bekannt bin. Nicht die Unabhängigkeit ist unsere Stärke, sondern, dass ich weiß, von wem ich abhängig bin, wer meine Quelle, meine Tankstelle ist. Ps 91 ist eine gute Vorlage für unseren Predigttext: Wenn „der Herr … deine Zuversicht, der Höchste … deine Zuflucht (ist)“, dann „wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird sich deinem Hause nahen. Denn er hat seinen Engeln befohlen auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und der deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest“ (Vv 9-12). Das sind hilfreiche Bilder für eine Wahrheit, die ein „Grund ewiger Freude“ sind.
Mit dieser Freude können wir dann auch ins Fußballstadion gehen und uns über einen Sieg freuen. Und über den Mut der Gegner und das Glück des Spielverlaufs. Und können genauso „besoffen“ sein von Freude, wie es die 72 Jünger waren. Denn wir wissen, dass uns Gott nahe ist. Dass in seinem Licht Menschen wieder gehen lernen und Freude am Handeln und Lust am Leben.
Dein Glaube und deine Predigten sollen Freude verbreiten,aber das Leiden nicht übergehen. Das gab mir mein weiser Vikarsleiter Pastoralpsychologe Dr Gunnar von Schlippe in HH. Pastor Kühne befolgt diese Regel sehr überzeugend. Nach den sehr lebendigen Predgtüberlegungen zum Thema mehr Freude in der Kirche ist nötig, beginnt die Predigt ausgesprochen freudig. Die Jünger haben ja fast ein Pfingstereignis erlebt. Sie erwarten eine Christenheit ohne Not und Krieg und Hunger. Jesus bestätigt die Vision vom gefallenen Satan. Unsere wahre Freude aber besteht darin, dass unsere Namen im Himmel aufgeschrieben sind, wie Bonhoeffer auch sagt. Letzlich geht es darum, dass wir wissen, wovon und von wem wir abhängig sind siehe Psalm 91 Gott ist meine Zuversicht . Er ist meine seelische Tankstelle für die wahre Freude am Handeln und für die Lust am Leben. Man kann mit dieser besonders hoffnngsfrohen Predigt weitergehen mit frohem Glauben, obwohl das Böse noch nicht verschwunden ist.