Erntedank 2019 – Dankbare Freude über die Früchte der Liebe und Güte von Mensch zu Mensch

Jeder Mensch, der durch das soziale Netz fällt, ist einer zuviel

Predigttext: Jesaja 58,7-12
Kirche / Ort: St. Thomas-Kirche / Lübeck
Datum: 06.10.2019
Kirchenjahr: Erntedankfest
Autor/in: Pastor Björn Schneidereit

Predigttext: Jesaja 58,7-12 (Übersetzung nach Martin Luther)

7 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!
8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen.
9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest,
10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag.
11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt.
12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.

zurück zum Textanfang

Manchmal fühle ich mich wie ein Koch, dem bestimmte Zutaten auf den Tisch gelegt werden, um daraus ein schönes Mahl zu zaubern. Jedoch mit der Vorgabe, das Gericht müsse schon zum Festtag passen. So ähnlich fühle ich mich hin und wieder mit den Predigttexten, die eine Kommission für die Sonntage festgelegt hat. Heute soll ich aus einem Text, in dem Gott die Fastenpraxis seines Volkes kritisiert, und an die Mitmenschlichkeit appelliert, eine frohe Botschaft an uns zum Erntedankfest kredenzen. Also stelle ich mich der Aufgabe, und lasse mich darauf ein, zu „verwerten“, was mir vorgegeben wird. Aber eines will ich heute nicht (!) an diesem Festtag – wonach der Text vordergründig schmeckt – ich will heute nicht appellieren oder moralisieren.

So wichtig dies in Anbetracht der Lage des Planeten ist, Erntedank darf auch mal eine Atem- und Ohrenpause sein von den vielen Ermahnungen unserer Tage. Ich nehme meine Kanzelrede generell davon nicht aus, aber heute darf einmal Pause sein, so wie die Hände der Arbeiter nach getanem Tagewerk ruhen dürfen, um den Anblick der Ernte zu genießen.

Kreative Köche greifen trickreich und kreativ zu Gewürzen, um Gerichte aufzupeppen. Analog dazu möchte ich unserem Text heute mit einem weiteren Text vermischen und ihm damit mehr Leichtigkeit verleihen und die geschmackliche Note des heutigen Tages zur Geltung bringen: Die Freude und den Dank an den Früchten, die Gott schenkt, zu kosten.

Es ist nur ein Vers, der aber wie ein Gewürz mit wenig Einsatz den ganzen Geschmack der anderen Masse verändern kann. Es geht um wichtige Früchte. Immaterielle Früchte des Geistes zu finden im Galaterbrief Kapitel 5,22: Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue. So wie eine Pflanze durch das Licht der Sonne zur Photosynthese ermächtigt wird, so befähigt der Geist Gottes uns Menschen, die Früchte hervorzubringen die da lauten: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue.

Diese Früchte geben Antwort auf die Forderung des Propheten Jesaja. Sie sind immateriell, aber alles andere als unsichtbar. Wie Gott Kartoffeln, Mais, Kürbisse und Weizen wachsen lässt, die den Tempel des Heiligen Geistes, also unseren Körper gesund erhält, so schenkt Gott ebenso reich die Früchte des Geistes, die unsere Seele zur Mitmenschlichkeit stärkt. Für diese Früchte möchte ich heute ebenso danken und uns nicht umfassend aber beispielhaft vor Augen führe, wo wir sie finden können. Der Prophet Jesaja fordert: „Brich dem Hungrigen dein Brot!“

Dazu braucht es Menschen, in denen des Geistes-Früchte der Liebe und Güte wachsen – diese Menschen teilen mit denen, die nichts oder wenig haben. Vor ein paar Wochen wurde mir der Jahresbericht 2018 des kirchlichen Spendenwerkes „Brot für die Welt“ übersandt. Wussten Sie, dass allein in Schleswig-Holstein im vergangnen Jahr Spenden in Höhne von 2.191.359,65 EUR gesammelt werden konnten? Insgesamt bewilligte Brot für die Welt im Jahr 2018 726 neue Projekte auf dem Globus im Umfang von rund 263 Millionen Euro. (Quelle: Aktionsmappe „Hunger nach Gerechtigkeit.“) Wieviele Einzelschicksale dadurch gerettet und zum besseren verwandelt wurden, ist mit bloßer Statistik gar nicht zu ermessen. Trotz dieses Lichtblicks wissen nur 8% der Deutschen um die weltweite soziale Entwicklung in den letzten 25 Jahren: Der Anteil extremer Armut ist gesunken, die Kindersterblichkeit wurde halbiert, Zugang zu Bildung und Trinkwasser wurden vielerorts verbessert.

Brich mit dem hungrigen dein Brot! Ich möchte daher heute sagen dürfen: Lieber Jesaja, du hast Recht. Wir sind noch lange nicht befreit davon, die Sorge um Hunger und Armut fahren zu lassen. Aber viele Menschen an vielen Orten sind jetzt schon bereit und dabei, mit Geld und Arbeitskraft den Hunger der Hungrigen zu stillen. Vielen wird er gestillt. Ja noch mehr, Menschen erfahren durch diese Projekte Hilfe zur Selbsthilfe. Welch ein Grund, heute froh und dankbar zu sein über die Früchte der Liebe und Güte von Mensch zu Mensch. Jesaja apelliert: „Die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut!“

Wussten Sie, dass die Bahnhofsmission in Deutschland 104 kirchliche Sozialstationen betreibt und in diesem Jahr ihr 125 jähriges Bestehen feiert. Dazu heißt es in einem Bericht auf der Internetseite der Bahnhofsmission – ich zitiere in Auszügen: Die Bahnhofsmissionen waren 1894 gegründet worden, um zuwandernde Frauen und Mädchen vor drohender Ausbeutung und Gewalt zu schützen. Im Laufe ihrer wechselvollen Geschichte haben sie sich dann immer wieder neuen sozialen Herausforderungen gestellt […]. „Neben den Herausforderungen, die sich uns immer wieder durch temporäre Krisen stellen, nehmen wir als wichtigste Funktion der Bahnhofsmissionen mittlerweile die soziale Hilfe für Menschen wahr, die den Anschluss an die Gesellschaft verloren haben. Viele unserer Gäste finden aus eigener Kraft keinen Zugang mehr zu den regulären Hilfesystemen“ beschreibt der Bundesvorsitzende der Bahnhofsmission Klaus- Dieter Kottnik den Trend der vergangenen Jahre. Bahnhofsmissionen würden für eine wachsende Zahl von Menschen zur oft einzigen Anlauf- und Kontaktstelle. „Die Überwindung von Ausgrenzung und Einsamkeit wird eine der großen Herausforderungen unserer älter und mobiler werdenden Gesellschaft sein“, so Kottnik. Mehr als die Hälfte der jährlich zwei Millionen Gäste der Bahnhofsmissionen sind sozial benachteiligt. (Quelle: https://www.bahnhofsmission.de/index.php?id=1433 ) Zitat Ende.

Ich möchte daher heute sagen dürfen: Ja, lieber Jesaja. Elende gibt es überall. Auch in unserem Land. Jeder Mensch, der durch das soziale Netz fällt, ist einer zu viel. Wir haben noch lange nicht alle ohne Obdach ins Haus geführt und zu viele frieren nicht nur körperlich. Aber ich sehe auch das Licht hervor scheinen, von dem du selber sprichst. Ich sehe allein in der Bahnhofsmission 2.000 ehrenamtliche und 400 Hauptamtliche Mitarbeitende, in denen die Früchte des Heiligen Geistes gereift sind und anderen als Ernte zugutekommen.

Heute möchte ich mich daran freuen, das es Menschen gibt, die sich nicht ihrem Fleisch und Blut entziehen. Die nicht abwiegelnd sagen: „Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ – sondern denen mit Rat und Tat zur Seite stehen, die sich auf ihrem Weg verirrt und jede Hoffnung verloren haben. Welch ein Grund, heute froh und dankbar zu sein über die Früchte der Liebe und Güte von Mensch zu Mensch. Und last but not least: Der Prophet Jesaja spricht: „Es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; und du sollst heißen: »Der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.

Wussten Sie, dass auch in der Wirtschaft nicht ausschließlich die Marktgesetze herrschen und dort ebenso Früchte des Geistes wachsen und zum Ausdruck kommen. Wie fürchterlich sind Nachrichten über Rodungen ganzer Fußballfelder im Minutentakt. Wie wohltuend zu hören, wenn diese Lücken wieder geschlossen werden sollen und aufgebaut wird, was lange wüst gelegen hat. Eine berühmte Outdoor-Marke mit einem Baum im Firmenlogo hat sich daher dazu entschlossen, in den nächsten 5 Jahren 50 Millionen Bäume weltweit zu pflanzen. (Quelle: https://www.timberland.de/responsibility/stories/plant-the-change.html )

In Berlin wurde eine GmbH gegründet, die eine ökologische Internetsuchmaschine entwickelt hat. Im Dezember 2009 wurde diese zur UN-Klimakonferenz in Kopenhagen freigeschaltet. Für jede Suchanfrage wird durch die Firma ein Centbetrag für den Regenwald gespendet. Das Unternehmen spendet dadurch 80 Prozent seines Einnahmeüberschusses für gemeinnützige Naturschutzorganisationen. Mit diesem Projekt wurden bereits über 69 Millionen Bäume gepflanzt. (Quelle: https://info.ecosia.org/what )

Ich möchte daher heute sagen dürfen: Ja, lieber Jesja. Es gibt viel Zerstörung auf der Welt. Wir sind noch lange nicht davon befreit, uns keine Sorgen mehr um die Schöpfung machen zu müssen. Aber ebenso sind da draußen Hände, die wieder aufbauen, die schützen und bewahren. Welch Grund heute froh und dankbar zu sein über die Früchte der Liebe und Güte von Mensch zur Natur.

Soweit drei Beispiele, mit denen ich plakativ die (unsichtbaren) Früchte des Heiligen Geistes schmecken kann. Diese Früchte, die ich heute dem Predigttext „untergemischt“ habe, heben die kräftige Note des Prophetenwortes nicht gänzlich auf, aber sie verleihen ihm eine Milde, welche uns die vielen Appelle des Jesaja verträglich machen. So können wir uns anregen lassen, mit dem Dank der Ernte, wieder in die Felder zu ziehen, um weiter daran zu arbeiten, dass das Licht Gottes auch durch uns hindurch scheint zu den Menschen, die im Finstern sitzen.

Wir feiern heute Erntedank. Aus gutem Grund mit Freude und Dank darüber, dass dieses Licht nicht nur in Zukunft erwartet wird, sondern, es bereits gegenwärtig mitten unter uns leuchtet. Gott zur Ehre und den Menschen zum Segen. Daher: Lobe den HERRN meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.

zurück zum Textanfang

Ein Kommentar zu “Erntedank 2019 – Dankbare Freude über die Früchte der Liebe und Güte von Mensch zu Mensch

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Sehr originell und ungewöhnlich wird mein Gemeindepastor B.Schneidereit predigen zum Erntedank nicht über die Faszination von Saat und Ernte. Auch wird er nicht auffordern zum Fasten oder zentral zum Spenden für Notleidende. Die Predigt soll entsprechend dem Evangelium Freude verbreiten über Gottes Früchte, welche da sind Liebe, Freude, Friede, Freundlichkeit, Güte, Geduld und Treue. Jesaja sagt: Brich dem Hungrigen dein Brot, aber es geht auch um Geistesfrüchte, Liebe und Güte. Pastor Schneidereit zählt dann die erfreulichen Spenden auf z.B. weltweit von Brot für die Welt. Nicht nur für Nahrung, sondern auch zur Hilfe für die Selbsthilfe. Aber auch die Bahnhofsmission zählt zu den Früchten der christlichen Liebe. Ganz neu sind Spenden übers Internet von Firmen. Dann kann man mit Freude und Dank Erntedank feiern und daran denken, was Gott dir Gutes getan hat. Durch diese Freude kommt diese Predigt zum Ziel.

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.