Licht auf unserem Weg
Trauer überwinden
Predigttext: Matthäus 25,1-13 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
1 Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen.
2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.
3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit.
4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen.
5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein.
6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen!
7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig.
8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen.
9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst.
10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen.
11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf!
12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht.
13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde.
Liturgie
Votum
Salutatio
Eingangsspruch
Psalm 90,1f: Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Sündenbekenntnis
Die Bäume haben ihre Blätter verloren und wir vielleicht einen geliebten Menschen. Die Bäume stehen nun kahl da und wir sind vor Traurigkeit erstarrt. Die Bäume haben ihre Lebensenergie zurückgezogen und wir haben uns in unserer Trauer eingeigelt. Die Bäume ruhen sich aus, ehe sie wieder neu blühen und wir suchen Trost, um neue Kräfte für das Leben zu gewinnen.
Kyrie eleison
Gnadenzuspruch
Psalm 91,1f: Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzt und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibt, der spricht zu dem Herrn: Meine Zuversicht und meine Burg, mein Gott, auf den ich hoffe.
Gebet
Herr, unser Gott, tagtäglich sind wir vom Tod umfangen. Wir haben im vergangenen Kirchenjahr Menschen verloren, die uns wert und wichtig gewesen sind. Sie haben bei uns eine Lücke hinterlassen und ihre Liebe fehlt uns. Aber in unseren Herzen sind sie nach wie vor mit uns. Diese Erinnerung unserer Liebe macht uns stark, unseren Weg zu gehen. Und wir vertrauen darauf, dass unsere Lieben in deinem Frieden geborgen sind.
Fürbitten
Herr, unser Gott, wir gedenken heute unserer Lieben und all der Menschen, die uns im Tode vorausgegangen sind.
Wir empfinden Schmerz und Trauer, vielleicht auch Wut oder sogar Bitterkeit, dass ein Mensch uns verlassen hat, den wir sehr geliebt haben. Tröste uns mit der Kraft deines Geistes, die uns Zeit für unsere Trauer und das Verstehen gibt.
Wir spüren die Lücke und das Fehlen, vielleicht auch Einsamkeit oder sogar Verlassenheit, weil wir einen wichtigen Gesprächspartner verloren haben. Tröste uns mit der Kraft deiner Liebe, die uns nicht allein sein lässt.
Wir suchen die Nähe von anderen Menschen, vielleicht auch Halt oder sogar Orientierung, die uns wieder einen Blick für die eigene Zukunft gibt. Tröste uns mit Kraft deines Zuspruchs, die uns einen guten Weg weist und uns sicher gehen lässt.
Wir wissen auch unsere Zeit in deinen Händen, und niemand kann sagen, wie lange sein Leben währt und was das Morgen für uns bringen mag. Tröste uns mit der Kraft der Hoffnung, die uns darin Geborgenheit gibt, dass wir in deinen Händen aufgehoben sind.
Wir danken dir für den Zuspruch durch einen Mitmenschen, für jede Geste der Aufmunterung oder die Anteilnahme in Wort und Tat an unserem Trauern. Tröste uns mit der Kraft der Erinnerung, die das Gute wach und lebendig hält.
Herr, unser Gott, wir warten auf das Kommend des Bräutigams. Gib uns das Öl der Erinnerung, das sich in Öl der Hoffnung wandelt. Lass dieses Licht unser Leben erhellen. Und lass uns genug Öl haben, um am beim Fest der Freude dabei zu sein.
In der Stille beten wir für unsere Verstorbenen …
Zeit der Melancholie
Ein jedes Jahr im Herbst sehen wir, wie sich in unseren Breiten die Natur zurückzieht. Unter einem bewölkten Himmel zeigt sich eine farblose Landschaft. Blätter an den Bäumen verfärben sich, weil sich die Säfte des Baumes zurückziehen. Mit Hilfe des Windes fallen die Blätter im Laufe des Novembers zu Boden. Eindrücklich erinnert uns dieses Geschehen an unsere Vergänglichkeit. Und nicht zufällig liegen die Tage des Gedenkens an unsere Lieben, die uns verlassen haben, in dieser grauen und trüben Jahreszeit.
Wir brauchen diese Zeit der Melancholie. Weil es neben der fröhlichen Seite auch eine traurige Seite in unserem Leben gibt. Fallende Blätter, kahle Bäume, erdige Felder, nasse Straßen, nebulöse Landschaften zeichnen dieses melancholische Bild in unsere Seele. Man kann und darf diese Zeit nicht leichtfertig überspringen, um im Advent zu landen und sich an Lichtern, Düften und süßem Gebäck zu erfreuen. Wir müssen erst durch den November hindurch, durch trübe Tage und dunkle Nächte.
So ist diese Zeit, die im November liegt, eine passende Zeit zu trauern, wenn man einen lieben Menschen verloren hat. Unser inneres Gefühl korrespondiert mit der Natur. Unsere Traurigkeit spiegelt sich in der tristen Landschaft. Unser Schmerz zeigt sich in den kahlen Bäumen. Wir müssen diese Tage aushalten und hindurchgehen. Nur so können wir gestärkt aus ihr hervorgehen und die Trauer und den Schmerz hinter uns lassen. Nur so können wir uns ohne schlechtes Gewissen wieder den schönen Dingen des Lebens zuwenden.
Trauer ist ein Gemisch aus den unterschiedlichsten Gefühlen. Diese Gefühle können rasch wechseln, heiß oder kalt sein, können uns unvorhergesehen überfluten, uns in Wallungen versetzen oder ohnmächtig erscheinen lassen. Da hätte man gerne noch ein Wort gewechselt, doch es hat nicht mehr sein sollen. Vielleicht belastet Unausgesprochenes. Der Rat und Beistand, den man so sehr geschätzt hat, bleibt aus. Das Alleinsein ist nur schwer zu ertragen. Man hatte noch so viel vor miteinander. Nun sind die zu gehenden Wege andere geworden.
Denken unsere katholischen Mitchristen an Allerheiligen, so denken wir Evangelischen am letzten Sonntag im Kirchenjahr an unsere Verstorbenen und machen uns bewusst, dass unser Leben in dieser Welt von der Zeit begrenzt ist. Es kommt der Tag und die Stunde, von der niemand weiß. Und so erzählt Jesus das Gleichnis von den zehn Jungfrauen, die dem Bräutigam entgegen gingen, um ihm mit ihren Lampen zu leuchten. Aber das Kommen des Bräutigams verzögert sich, Müdigkeit macht sich breit und man legt sich nieder um zu schlafen.
Schatz der Erinnerung
Ein Mann war schon sehr alt und wusste fast alles. Er war so alt, dass er wusste, er würde bald sterben. Er hatte keine Angst vor dem Tod. Sterben bedeutete nur, dass er seinen Körper zurückließ. Und da sein Körper nicht mehr so wollte wie in früheren Tagen, machte es dem Mann nicht viel aus, ihn zurückzulassen. Seine einzige Sorge war, wie seine Freunde seinen Tod aufnehmen würden. Er hatte sie schon vorbereitet und gesagt, irgendwann einmal würde er durch den langen Tunnel gehen. Er hoffe, sie würden nicht zu traurig sein, wenn seine Zeit einst komme.
Eines Tages kam er von einem Spaziergang nach Hause und war sehr müde. Er aß zu Abend, schrieb einen Brief, setzte sich in den Schaukelstuhl und war bald eingeschlafen. Er hatte einen merkwürdigen Traum: Vor ihm öffnete sich ein langer Tunnel. Und er lief. Er brauchte keinen Spazierstock mehr, sondern lief leicht und schnell durch den langen Gang, schnell und immer schneller. Er fühlte sich frei. Es war, als wäre er aus seinem Körper herausgefallen. Am folgenden Tag versammelten sich seine Freunde vor seinem Haus. Sie machten sich Sorgen, weil er nicht wie sonst herausgekommen war, um ihnen einen guten Morgen zu wünschen.
Da hörten sie, dass er tot sei. Sie lasen den Brief, den er ihnen geschrieben hatte: “Bin durch den langen Tunnel gegangen. Lebt wohl!” Alle hatten den Mann sehr lieb gehabt und waren sehr traurig. Er war immer zur Stelle gewesen, wenn ihn einer brauchte. Jetzt wussten sie nicht, wie sie ohne ihn zurechtkommen sollten. Er hatte ihnen gesagt, sie sollten nicht traurig sein. Aber das war schwer. Es war ein kalter Wintertag, als sie ihn auf dem Friedhof begruben.
Als es anfing, Frühling zu werden, besuchten die Freunde einander oft und redeten von der Zeit, als der Mann noch lebte. Der eine konnte besonders geschickt mit der Schere umgehen und erzählte, wie der alte Mann ihn einst gelehrt hatte, aus einem Bogen Papier eine Kette auszuschneiden. Ein anderer konnte gut Schlittschuh laufen und erinnerte sich, wie der Mann ihm geholfen hatte, die ersten unsicheren Schritte auf dem Eis zu tun. Noch ein anderer sagte, wie der Mann ihm beigebracht hatte, einen ordentlichen Krawattenknoten zu binden. Nie war es ihm gelungen, bis der Mann ihm zeigte, wie man es machte.
Jeder bewahrte eine besondere Erinnerung an den alten Mann – irgendetwas, was er sie gelehrt hatte und was sie jetzt ausnehmend gut konnten. Der alte Mann hatte jedem von ihnen ein Abschiedsgeschenk hinterlassen, das sie wie einen Schatz hüteten. Mit ihren verschiedenen Gaben konnten sie alle einander helfen. (Almut Giesen nach der Geschichte von Susan Varley, Leb wohl, kleiner Dachs)
Fest der Freude
Was ist das für eine besondere Erinnerung, was ist das für ein Abschiedsgeschenk, was ist das für ein Schatz, den derjenige/diejenige hinterlassen hat, der/die von uns gegangen ist? Es mag nicht immer gleich offensichtlich sein. Es mag erst nach einer gewissen Zeit hervortreten. Meist tritt das darin zutage, was man selbst für wichtig erachtet. Und dies verbindet einen auf eine ganz besondere Weise über den Tod hinaus mit dem, der von uns gegangen ist. Dies lässt den, der nicht mehr unter uns ist, doch ganz nah bei uns – ja auch in uns – sein.
Diese besondere Erinnerung, die für jeden von uns im Blick auf unsere lieben Verstorbenen ganz anders aussehen wird, mag das Öl für unsere Lampen sein. Es ist der Schatz, der uns der Zukunft entgegengehen lässt. Es ist die Erinnerung, die uns immer wieder aufmuntern mag mit guten Gedanken, die uns auf unserem Weg begleiten. Dieses Öl wird uns unterwegs die milde Kraft spüren lassen, die die Traurigkeit über unseren Verlust zu überwinden hilft. Und das Licht gibt uns stille Zuversicht, dass wir unser Leben hier und heute weiterleben können.
Das Kommen des Bräutigams, von dem Jesus spricht, ist ein Bild der Freude. Wir wissen nicht, wann er kommen wird und das Fest beginnt. Doch es ist noch Zeit, ihm entgegen zu gehen. Auch wenn wir jetzt traurig und in unserer Melancholie gefangen sind, auch wenn wir uns schwertun im Blick nach vorne, kann das Öl unserer Erinnerung zum Öl des Hoffens werden. Ja, wir hoffen, zu Getrösteten zu werden. Wir hoffen darauf, dass das Licht in unseren Lampen unseren Weg erhellt. Wir hoffen, dass wir genug Öl haben werden, um am Ende bei dem Fest der Freude mit dabei zu sein.