Das Parfum Gottes
(Heilsame) Störung
Predigttext: Markus 14, (1-)3-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
1 Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten.
2 Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.
3 Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.
4 Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls?
5 Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an.
6 Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.
7 Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.
8 Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.
9 Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.
Eigene Übersetzung (Christoph Kühne)
14,1 Es war aber das Pascha (D: entf.: und (das Fest) der ungesäuerten Brote) in zwei Tagen. Und die Hohenpriester und die Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn (D: entf: mit List) verhaften und töten könnten. 2 Sie sagten nämlich: (D: auf keinen Fall … sonst ist ein Aufruhr im Volk!) Nicht an dem Fest, damit nicht ein Aufruhr des Volkes sei.
3 Als er war in Bethanien in dem Haus Simons des Leprösen, als er (zu Tische) lag, kam eine Frau, habend ein Alabastergefäß mit teurem (wohlriechenden) Öl von echter (D: N entf: Narde); als sie das Alabastergefäß (D: und sie zerbrach) zerrieben / zerschlagen hatte, goss sie es auf seinen Kopf. 4 (D: Aber seine Jünger ärgerten sich und sagten: Zu was …) Es waren aber einige, die das nicht ertrugen, zu sich: Zu was - diese Verschwendung von Öl geworden? 5 Denn es hätte können dieses Öl verkaufen für 300 Denare und gegeben den Armen; und sie schnaubten sie (die Frau) an. 6 Aber Jesus sprach: Lasst sie! Was bietet ihr ihr für Beschwerde? Ein schönes Werk hat sie an mir getan. 7 Jederzeit nämlich die Armen habt ihr mit euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr (Sinaiticus: ihnen entf) ihnen (Vat: jederzeit) gut tun, mich aber habt ihr nicht allezeit. 8 Was sie hatte/konnte, hat (D: sie!) getan: vorweggenommen zu salben meinen Körper zum Begräbnis.
9 Amen aber ich sage euch, Wo verkündigt werden wird das (Vat, Sin, D: dieses) Evangelium in aller Welt, wird auch, was diese (Frau) getan hat, gesagt werden zu ihrem Gedächtnis.
Erste Gedanken beim Lesen des Textes
Jesus ist realistisch. Was hat im Leben Vorrang? Was ist JETZT wichtig? Die Geschichte von Maria und Martha fällt mir ein - aber auch mein eigenes Leben und Tun: Ich versuche mehrere Dinge auf einmal zu erledigen - und werde manchem (Menschen) nicht gerecht. Ein unwohles Gefühl stellt sich bei mir ein.
Beim zweiten Lesen „entdecke“ ich den aussätzigen Simon. „Normalerweise“ hat sich Jesus den Armen und Kranken zugewandt. Hier ist es anders. Jesus steht im Mittelpunkt. Ist das der „echte“ Jesus, oder hat der Evangelist hier eine Jesusverklärung komponiert?
Fest steht, dass er Kontakt zu einem „Aussätzigen“, einem Leprakranken hat. Und der hat sogar einen Namen. Warum hat die (wichtige) Frau keinen Namen? ist Simon ein Freund? Ein Jünger?
Und dann ist da noch die Frau, die der Auslöser der „Dramatik“ ist. Sie wird mit dieser Geschichte „geadelt“: „Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ Die Namenlose hat einen Lebendigen gesalbt. Ab jetzt ist Jesus der „Christus“, der Gesalbte, der Messias.
Anmerkungen zum Text
Die meisten Änderung hat cod. D (Bezae Cantabr. V.VI) vorgenommen: 14,1 lehnt er sich an Mt 26,2 an. Im Gegensatz zu Mk eröffnet bei Mt Jesus selbst seinen Jüngern den Todesbeschluss am Passafest. Mit Mt betont er die List der „Hohenpriester und Schriftgelehrten“ (so Lk). Mt nennt an dieser Stelle Kaiphas, bei dem sich die Gelehrten versammeln. Und dieses Gremium empfiehlt die Verhaftung nicht am Festtag. Lk betont ihre Furcht vor dem Volk.
Die Erzählung von der Salbung in Bethanien ist von Mt (26,6-13) und Mk (14,3-9) überliefert. Joh verlegt die Salbung in das Haus des auferweckten Lazarus statt Simons, des Leprösen, und lässt Martha bedienen und Maria die Salbung vornehmen (Joh 12,1-8).
Mk sieht Jesus im Haus Simons, eines (geheilten?) Leprakranken, im Kreise der Freunde beim Essen liegen. Nach einiger Zeit kommt eine Frau mit einem Alabastergefäß mit myrhon, einem wohlriechendem Salböl. Mk setzt ein hebräisches Lehnwort (nerd - 3x nur im CC) dazu: (indische) Narde, die echt sei und teuer! Er beschreibt das Zerbrechen des Gefäßes, um den Inhalt auf den Kopf Jesu zu gießen.
Einige der Anwesenden ertragen diese Szene nicht - Mt spricht von DEN Jüngern -: „Wozu ist diese Verschwendung gut?“ Man hätte 300 Denare für diese Narde bekommen. 1 Denar ist 1 Tagelohn, 300 Denare wären demnach fast ein Jahresgehalt. Mk betont schließlich einen Wutausbruch von Anwesenden über die Frau: „Und sie fuhren sie an“. Sofort stellt sich Jesus vor die Frau: Lasst sie in Ruhe! Erschlagt sie nicht! Die folgenden Worte sind bei Mk und Mt (fast) gleich: Die Frau hätte ein „schönes Werk“ getan. „Jederzeit habt ihr doch die Armen unter euch - mich aber habt ihr nicht immer.“ Mk betont, dass man den Armen immer helfen könne.
Der abschließende und zielführende Amen-Text ist bei Mk und Mt (fast) identisch: Dieser Vorfall wird in das Gedächtnis des Evangeliums von Jesus eingehen.
Lieder
"Tut mir auf die schöne Pforte" (EG 166)
"O Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens" (416)
Literatur
Paul Tillich, Das neue Sein, 3. Aufl. 1959, 52ff, Heilige Verschwendung
Das Evangelium des heutigen Palmsonntags hat das Thema vorgegeben: Jesus zieht in Jerusalem ein. Der wahre König nimmt seinen Dienstsitz ein. Das Volk jubelt. Die Kritiker bleiben im Hintergrund. Diese Geschichte kennen alle, alle Christen und alle Heiden. Der „Einzug“ ist das Tor zum wahren Verständnis Jesu. Wir finden dieses „Tor“ im Kirchenjahr zweimal: einmal vor Weihnachten und jetzt, in der Zeit vor der Passion. In der Adventszeit führt der Weg „hinunter“ in die Ärmlichkeit der Krippe, in der Passionszeit führt der Weg hinauf nach Golgatha, ans Kreuz. Und jedesmal jubeln Menschen … Wer ist das, der da in der Krippe liegt? Wer ist das, der da am Kreuz hängt? Einen Jesus Christus, also Messias, haben wir uns anders vorgestellt. Wenn einer von Gott kommt, dann doch mit Macht und Ehre!? Kein Wunder, dass die eigenen Jünger ihren „Herrn“ oft nicht verstanden haben. Manchmal sahen und wussten „die Leute“ von Jesus mehr als die eigenen Freunde. Als Epistel haben wir heute eine eigentümliche Geschichte gehört. Auch sie ist etlichen unter uns bekannt als „Die Salbung Jesu in Bethanien“. Markus, wie auch die Evangelisten Matthäus und Johannes, stellen diese Erzählung an den Beginn der Passion Jesu. Sie ist auch ein Tor zur Passion, zu ihrem Verständnis, ihrer Deutung.
(Lesung des Predigttextes)
Die Eingangsverse sind der finstre Rahmen einer Geschichte, die durch die Zeiten bis zu uns heute duftet. Wer könnte sich dem Parfum von Bethanien entziehen? Er überdeckt die Pläne, die Matthäus dem Hohenpriester Kaiphas zuschreibt. Konspirativ versammeln sich in seinem Palast Menschen, die den Zimmermannssohn aus Nazareth „mit List“, wie es ausdrücklich heisst, verhaften und endlich liquidieren wollen. „Aber bloss nicht auf dem Fest! Das gäbe einen Volksaufstand!“ sagen sie.
Zu derselben Zeit versammeln sich in Bethanien, etwa 3km von der Hauptstadt entfernt, Menschen im Haus Simons des Aussätzigen. Sie essen gemeinsam, liegen zu Tisch. Nach der Auskunft von Johannes (Joh 12,1ff) soll Martha (wie gewohnt) die Anwesenden bedient haben. Die Stimmung mag fröhlich gewesen sein. Nichts deutet auf das furchtbare Ende dieser Geschichte hin. Es ist ein Jesus-Fest: Alle werden satt, alle erleben das „Reich Gottes“, „Hier lasst uns Hütten bauen!“ „Hier ist Gottes Angesicht. Hier ist lauter Trost und Licht“ wird Benjamin Schmolck 1700 Jahre später dichten.
Und dann die Störung: eine Frau kommt in die (nur Männer-?) Gesellschaft. Johannes erkennt in ihr die Schwester der Martha: Maria. Bei Markus ist sie namenlos. Was sie tut, sprengt alle Grenzen: Sie zerbricht ein Alabastergefäß. Der Duft von edlem Parfum breitet sich aus, betört die Anwesenden. Ohne Worte gießt sie den Inhalt auf den Kopf von Jesus. Die Menschen sind ergriffen. So etwas haben sie noch nie mit Jesus erlebt. Normalerweise ist ER der Handelnde. Weiss diese Frau überhaupt, was sie tut? War Jesus überrascht?
Einige der Anwesenden wachen aus ihrer Trance auf. Was geschieht hier? Eine unvorstellbare Vergeudung von wertvollem Parfum! Und wozu? Jetzt, wo sie mit Jesus zusammen sind, ist die Welt doch heil. Doch jetzt schnurrt das „Reich Gottes“ wieder zusammen: Was hätte man nicht alles Gutes tun können, wenn man das kostbare Öl verkauft hätte! Ist das nicht auch O-Ton von Jesus? Kümmert Euch um die, die am Rande leben: die Kranken, die Bettler, die Hungrigen, die Armen! Das große Manifest des Reiches Gottes sind die Seligpreisungen, in denen allerdings nicht von Verschwendung die Rede ist. Interessanterweise ist bei Johannes der Klagesteller Judas Iskariot, dem allerdings nicht „an den Armen gelegen war, sondern der ein Dieb war und als Führer der Kasse die Einlagen auf die Seite zu schaffen pflegte“ (Joh 12, 6).
Die gute Stimmung ist weg. „Einige“ der Anwesenden fallen über die Frau her, machen ihr Vorwürfe. Und Jesus stellt sich vor sie. Erinnern wir uns an die Geschichte der Ehebrecherin. Auch dort tut er das Unerwartete: „Lasst sie!“ Die namenlose Frau habe ein „gutes Werk“ an ihm getan. Und in dürren Worten wird von einer Salbung gesprochen – einer Salbung zum Begräbnis. Doch wurden in alten Zeiten nicht Könige gesalbt? Wird in dieser Geschichte nicht Jesus zum König gesalbt. Der, der in Jerusalem einzieht, soll DER Gesalbte werden und sein! Jesus ist (fortan) „der Gesalbte“, der Christus, der Messias. Und dies hat jene Namenlose getan. Unspektakulär. Einfach so. Bei einem Essen. Im Haus eines Aussätzigen.
Es ist, als ob sich das Haus mit einem neuen Geruch, dem Geist des Lebens, mit einem „Heiligen Geist“ erfüllt: Jesus ist der Christus, der Messias, der die Hungrigen sättigt, die Armen erhebt und das Evangelium eines guten Gottes in der ganzen Welt ausbreitet. Und dazu braucht Jesus uns, Menschen mit einem Namen und auch Menschen ohne Namen. Er braucht dazu keine offiziellen Termine, sondern Menschen, die in seinem Namen zusammen sind. Und die Armen in unserer Welt? Jesus: Es gibt immer Menschen, die uns brauchen. Aber manchmal ist es wichtig, sich bewusst zu werden, wer mich trägt, wer meine Hoffnung ist. „Woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott“ sagt M. Luther in seinem Großen Katechismus. Jene namenlose Frau hat IHM gegeben, was sie konnte. Sie ist darin der Witwe mit ihrem „Scherflein“ ähnlich, von der Markus noch kurz vorher erzählt hat.
Vielleicht ist es so, dass wir den Christus erkennen, wenn wir IHM geben, was wir können – ob es nun 300 Denare sind, also etwa ein Jahresverdienst, oder ein „Scherflein“, das überhaupt nicht ins Gewicht zu fallen scheint. Vielleicht zieht der Christus erst bei uns ein, in unsere Herzen, in unser Leben, wenn wir das, woran unser Herz hängt, IHM verschwenderisch geben. Vielleicht sind die Gaben der Hl. Drei Könige solche überschwänglichen Geschenke gewesen. Vielleicht wird Jesus erst zum Christus, wenn wir IHM nicht nur unseren Überfluss überlassen sondern das, wovon wir leben. Und dann geht das Leben auf. Dann bricht das Reich Gottes an. Dann erfüllt das Parfum Gottes, sein Hl. Geist diese Welt und wandelt sie in Segen. Dann steht nicht der Tod am Ende, sondern Ostern, die Auferstehung und das Leben. Das haben die Menschen damals erlebt. Das können auch wir Heutigen erleben. Paul Tillich zur Salbung in Bethanien: „Unterdrückt in euch oder anderen nicht das überströmende Herz, die sich verschwendende Selbsthingabe und den Geist, der höher ist als alle Vernunft!“
Unterdrückt in euch und anderen nicht das überströmende Herz für Jesus, die verschwendende Selbsthingabe und den Geist, der höher ist als alle Vernunft!.. Mit diesen Worten von Paul Tillich endet die Predigt und dieser Geist durchzieht die ganze Predigt. – In bedrückenden Corona-Zeiten mit wenig Hoffnung, aber immer mehr Zunahme an dumpfem Aberglauben und Angst, erzählt Pastor Kühne kühn vom Einzug des Heiligen Geistes von Jesus und will ihn wie einen belebenden Geruch unter uns heute verbreiten. -Eine lebendige und begeisternde Erzählpredigt mit der Hoffnung des Evangeliums. Wir brauchen sie besonders, aber sie wird oft vergessen. Trostworte sind heute oft wie Gänseblümchen am Wegrand, dabei brauchen wir das strahlende Licht Jesu, der bei uns einziehen will am Palmsonntag.- Die renommierte Zeitschrift Brigitte vom 11.März hat auf sieben ganzen Seiten vom Aberglauben mit Esoterik, Wahrsagern, ja Hexen und Kartenlegern unter uns berichtet.
Eine wichtige Aufgabe der Kirche ist es, überall heute gegen den Aberglauben zu predigen, weil Jesus sonst noch mehr vergessen wird. Eine Christusvergessenheit der Kirchen kann man heute leicht beobachten s. http://www.HL-live.de Stadtgeschehen Corona fördert Aberglauben HL-live Pastor Heinz Rußmann