Zuwendung – ein Segen
Segen bringt Leben, verwandelt Hass in Liebe
Predigttext: 4. Mose 6,22-27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
22 Und der Herr redete mit Mose und sprach:
23 Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet:
24 Der Herr segne dich und behüte dich;
25 der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;
26 der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
27 So sollen sie meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.
Exegetische und homiletische Vorbemerkungen
Die Dreigliederung des aaronitischen lässt es zu, diesen Bibeltext dem Sonntag Trinitatis zuzuordnen. Ich finde es schön, dass ein evangelischer Gottesdienst mit einem jüdischen Segen schließt. Durch die Verwendung eines jüdischen Segens in einem evangelischen Gottesdienst wird unseren jüdischen Geschwistern aus meiner Sicht nichts weggenommen. Ihnen wird der Segen nicht entzogen und der christlichen Gemeinde angeeignet. Der jüdische Segen erinnert an unsere Herkunft und Wurzeln. Der Gott von Jesus ist auch der Gott Abrahams und Saras. Der Gott, von dem vom Ersten und Zweiten Testament die Rede ist, ist ein und derselbe. Wenn der aaronitische Segen in einem evangelischen Gottesdienst gesprochen wird, betont das die Verbundenheit des jüdischen und christlichen Glaubens.
Ich habe mich dagegen entschieden, über den Sonntag Trinitatis in meiner Predigt zu sprechen. In Gebeten könnte darauf Bezug genommen werden. Es ist ein äußerst schwieriges Unterfangen, die Trinität Gottes lebendig in der Predigt zu veranschaulichen. Alle Versuche, sowohl meine eigenen als auch die, die ich gelesen oder gehört habe, sind für mich blutleer geblieben. Das ist kein Votum dafür, dass Theologinnen und Theologen nicht über die Trinität predigen sollten, aber es ist eben nicht einfach.
In meiner Ausarbeitung habe ich den Schwerpunkt auf den Inhalt des Segens gelegt, wobei ich eine weitere Auswahl getroffen habe. Ich habe mich auf das zugewandte Angesicht beschränkt. Auch hier kommt wiederum nur ein klitzekleiner Aspekt in den Blick. Sowohl der Sonntag Trinitatis als auch der Predigttext bieten unerschöpfliche Möglichkeiten.
Ursula hat sich von ihrem Mann abgewandt. Sie möchte ihn nicht mehr haben, es ist ihr nicht mehr möglich.
I.
Die letzten Jahre ist sie sehr einsam gewesen. Er hat sie nicht mehr wahrgenommen, hat sich nur noch für seine eigenen Sachen interessiert und sich darum gekümmert. Seine Arbeit, seine Bücher, sein Sport, alles war wichtiger als sie.
Nichtdass es häufig Streit gegeben hätte. Wo es regelmäßig eskalierte, war, wenn sie das Abendbrot bereitet hatte und er nicht kam. Dabei versprach er jedes Mal, die Arbeit rechtzeitig zu beenden, um mit ihr zu Abend zu essen. Sie musste ihren Ärger Luft machen.
Selbst, wenn sie ihren Ärger nicht herausgelassen und unterdrückt hätte, wäre die Stimmung nicht besser gewesen. Die Atmosphäre wäre in jedem Fall vergiftet. Wer konnte denn in einer zerstörten Atmosphäre das Abendessen noch genießen.
Sie gab es schließlich auf, den Tisch für das Abendbrot zu decken. Wie gern hätte sie wie früher bei Kerzenschein und schöner Musik das Abendessen gemeinsam mit ihrem Mann eingenommen. Es blieb nur sehnsüchtige Erinnerung an längst vergangene Tage, nicht mehr wahr und wirklich.
Bald verbrachten sie selbst die Abende nicht mehr zu zweit. Ursula zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, las ein Buch, Thomas hatte sich im Wohnzimmer einen Computer hingestellt. Er arbeitete nicht an einer Aufgabe, am Computer sitzend vertrieb er sich die Stunden.
Ursula und Thomas lebten nicht miteinander, sondern nebeneinander her. Das wird Ursula im Rückblick schmerzlich bewusst. Sie muss ihr Leben ändern, das spürt sie, sonst geht sie ein. Sie hat versucht, mit ihrem Mann zu sprechen, er entzieht sich und geht nicht darauf ein. Aus reinem Selbstschutz muss sie einen Schlussstrich ziehen. Die Ehe ist zu Ende, in diesem Jahr wären sie 40 Jahre verheiratet gewesen. Ursula hat sich abgewandt, weil er sich ihr schon lange nicht mehr zugewendet hat. Ohne seine Zuwendung kann und will sie nicht weiter mit leben.
Gott segne dich und behüte dich, Gott lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig, er hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Thomas ist Pfarrer, er spricht den Segen in jedem Gottesdienst. Ursula ist viele Jahre jeden Sonntag in die Kirche gegangen, saß unter der Kanzel. Es war immer schön gewesen, die Gottesdienste, die Orgel, der Gesang hatten sie erfreut, wirkten in der folgenden Woche nach.
Besonders hatte ihr der Segen am Herzen gelegen. In ihrer veränderten Lebenssituation begreift sie den Segen neu, sie spürt, wie lebensnotwendig Zuwendung ist. Sie ist aus dem Pfarrhaus ausgezogen, den Schlüssel hat sie noch nicht abgegeben, der große Kleiderschrank hatte nicht in ihre kleine Zwei-Zimmer-Wohnung gepasst. Einige Sachen von ihr sind noch da. Gelegentlich kommt sie, holt etwas aus dem Pfarrhaus. Wenn sie ihrem Mann begegnet, vermeidet sie Blickkontakt.
Die Situation ist künstlich und angespannt. Sie sieht ihn nicht jedes Mal, wenn sie notgedrungen das Pfarrhaus betritt. Sie spürt manchmal, dass er da ist. Sie huscht über den Flur, kramt ein paar Dinge hervor, verlässt unauffällig das Haus.
Wie lange hat sie sich um seine Zuwendung bemüht, er hat es nicht gemerkt. Wie lange hat sie auf seine Aufmerksamkeit gehofft, sie hat sie nicht bekommen. Irgendwann fing die Sonne an, für sie unterzugehen, ihre Seele hat sich verdunkelt. Monika ist trübsinnig geworden. Thomas hat sich in Arbeit geflüchtet. Schlagartig ist ihr klar geworden, dass sie gehen muss, sonst stirbt sie.
II.
Ohne Zuwendung kann kein Mensch leben. Eine Blume, die nicht gepflegt wird, verkümmert bis sie schließlich eingeht und stirbt. Genauso verhält es sich mit einer Beziehung zwischen zwei Menschen. Gegenseitige Zuwendung, liebevolle Aufmerksamkeit sind Nahrung und lebensnotwendig für eine erfülltes Miteinander.
Wenn Gott seinen Segen schenkt, spendet uns seine vollkommene Aufmerksamkeit und Zuwendung. Sein Angesicht blickt auf uns voller Liebe und Freundlichkeit. Gottes Angesicht leuchtet, heißt es im aaronitischen Segen. Gottes Glanz fällt auf uns, macht uns licht und klar. Umhüllt von Gottes Glanz fühlen wir uns geborgen und wohl.
Ich stelle mir das leuchtende Angesicht Gottes vor wie das strahlende Gesicht einer Mutter, die liebevoll auf ihr Baby blickt und es in den Armen wiegt. Umfangen von mütterlicher Zuwendung und warmen Glanz ruht das Kind behütet in ihren Armen.
Ich erinnere mich an den Anblick einer Mutter, die ihr Kind im Gottesdienst beim Segen auf den Armen wiegte. Ich glaube, ich werde diesen Anblick nie vergessen. Mutter und Kind führten mir bildlich vor Augen, was der Segen verhieß: vollkommene Zuwendung, vollkommene Geborgenheit vollkommenen Frieden.
Unser Herz sehnt nach Frieden in der Zerrissenheit. Wir brauchen Zuwendung, sonst können wir nicht leben. In jedem Gottesdienst vergewissern wir uns, dass Gott sich uns zuwendet, wenn er seinen Segen über uns ausgießt.
III.
Die Bibel ist voller Segensgeschichten. Gleich zu Anfang im ersten Schöpfungsbericht segnet Gott Frau und Mann. Sie sollen fruchtbar sein und sich mehren. Das möchte ich nicht nur im körperlichen Sinne verstehen, das gilt auf allen Ebenen. Frau und Mann dürfen schöpferisch fruchtbar ihr Leben gestalten, ihre Fähigkeiten vermehren zur gegenseitigen Erquickung.
Gott hat die Schöpfung wunderbar gemacht, wir sind umgeben von unerschöpflicher Fülle und göttlicher Zuwendung. Gottes Segen ist auf Erden sichtbar und spürbar. Er ergießt sich in überschwänglichem Reichtum und unsäglicher Pracht.
Es dauert allerdings nicht lange, da berichtet die Bibel davon, dass manches schief läuft unter den Menschen. Beziehungen werden gekappt und gehen in die Brüche. Jakob, der Zweitgeborene der Zwillinge, beansprucht den Segen des Vaters für sich, betrügt seinen Bruder Esau. Selbst der Segen kann missbraucht werden.
Jahre später auf dem Rückweg in seine alte Heimat, aus der Jakob voller Angst vor der Rache Esaus geflohen war, kämpft er mit einem Engel am Jabbok. Es ist nicht klar, wer gewinnt und wer der Engel ist. Der Kampf endet mit der Bitte des Jakobs. Ich lasse dich nicht eher los, als bis du mich segnest. Er braucht den Segen des Fremden, mit dem er gekämpft hat. Er kann nicht länger im Unfrieden mit seinem Bruder leben. Er möchte endlich sein Leben in Ruhe führen. Im Segen liegt Frieden.
Abraham wird gesegnet und Zukunft verheißen, als er aufbricht in ein neues Land, das Gott ihm zeigen will. Der Priester Aaron wird beauftragt, den Segen über das gesamte Volk zu sprechen. Israel braucht den Segen Gottes, besonders in Wüstenzeiten. Ohne gnädige Zuwendung ihres Gottes sind sie hilflos, kraftlos und ohne Perspektive.
Die flehentliche Bitte, Hoffnung und Gewissheit auf Gottes Segen begegnet uns in den Psalmen: Hilf deinem Volk und segne es, weide und trage es (Ps 28,9). Gott wird dich segnen von Zion, aus, dass du siehst das Glück Jerusalems dein Leben lang (Ps 128,5).
Gottes Segen wird nicht nur Menschen zuteil, auch Land, Acker, Früchte und Getreide werden gesegnet. Du segnest sein Gewächs“ dankt der Psalmbeter seinem Gott, der sich der gesamten Schöpfung zuwendet (vgl. Ps 65,11).
IV.
Von Jesus wird erzählt, wie er sich liebevoll Kindern zuwendet und sie segnet. Durch Jesu Heilungen wirkt Gottes Segen. Jesus fordert in der Bergpredigt, dass wir sogar Menschen segnen sollen, die uns verfluchen.
Segen bringt Leben, verwandelt Hass in Liebe. Gott ist der Spender des Segens, nicht etwa die Menschen, die die Segensworte sprechen. Priester, Eltern, Jesu Jünger und alle, die in seiner Nachfolge leben, dürfen und sollen segnen.
Der Segen, der in unserem traditionellen evangelischen Gottesdienst gesprochen wird, wird als der aaronitische Segen bezeichnet. Er ist nach Aaron, dem Bruder des Mose, benannt. Aaron war Priester. Er ist von Gott beauftragt, das Volk Israel zu segnen. Martin Luther hat den jüdischen aaronitischen Segen, in den evangelischen Gottesdienst eingeführt. Jedes Mal, wenn der aaronitische Segen gesprochen wird, sind wir mit unseren jüdischen Geschwistern im Herzen verbunden.
Ursula, die sich von ihrem Mann abgewandt und ihn nach langen Ehejahren verlassen hat, wird ihren Weg gehen. Sie geht in ihr neues Leben nicht ohne den Segen Gottes.
Und was ist mit Thomas? Er muss seinen Weg finden. Es braucht Zeit, bis er seine Frau loslassen kann. Es braucht Zeit, bis er ihr ein neues Leben schenken kann und sich selbst ebenfalls. Er wird sich neu dem Leben öffnen. Auch er wird seinen Weg nicht ohne den Segen Gottes gehen.
Predigtlied:
“Alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad gelegen” (EG 352)
Betest Du als Christ in erster Linie zu Gott dem Schöpfer, oder zu Jesus oder zum Heiligen Geist oder zusammen zur Heiligen Dreieinigkeit ? Pastorin Borchers schlägt vor am Sonntag Trinitatis über das uns zugewandte Antlitz Gottes zu unserem Segen zu pedigen. Dadurch wird es eine zumindest originelle Predigt, welche sie formuliert. Sie berichtet zur Einleitung eindringlich von einem Ehepaar, welches sich nicht mehr liebevoll und segensreich ansieht. Ohne Zuwendung kann kein Mensch leben. Gottes leuchtendes Angesicht, uns zugewendet kann man am besten mit dem Blick einer liebevollen Mutter auf ihr kleines Kind vergleichen, welches sie im Arm hält . Jesus hat Kinder segensreich angesehen. Wir sollen nach ihm sogar Menschen segensreich ansehen , die uns verfluchen wollen. In Jesus ist die Heilige Trinität eins. Eine originelle Predigt die uns innnerlich berührt.