„Gott schmecken“
Besondere Aromen
Predigttext: Matthäus 11,25-30 (Übersetzung nach Martin Luther)
25 Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart.
26 Ja, Vater; denn so hat es dir wohlgefallen.
27 Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
28 Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.
29 Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.
30 Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.
„Meine Mama hat immer gesagt, das Leben ist wie eine Schachtel Pralinen. Man weiß nie, was man kriegt.“ Dieses bekannte Zitat stammt aus dem Filmklassiker „Forest Gump“.
I.
Mir geht es manchmal so ähnlich mit Predigttexten. Besonders seit der Überarbeitung der Perikopenreihen weiß ich vor einem Sonntag nie, welcher Predigttext dran ist. Wenn ich für die Vorbereitung die vorgegebene Textstelle in der Bibel aufschlage und lese, ist es wie der unbewusste Griff in eine Pralinkenkiste. Bereits der Psalm 119 nimmt die Metapher der Süßigkeit auf, wenn in Vers 103 geschrieben steht: “Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig“. Geschmäcker können jedoch verschieden sein. Manchmal ist mir ein Wort Gottes auch bitter oder es gilt darin eine harte Nuss zu knacken. Einige würde ich lieber liegen lassen und andere immer wieder gern verkosten. Der heutige Predigttext ist für mich das Herzstück der Pralinenschachtel. Die eine Königspraline mit Goldstaub verziert. Ein Wort Gottes, das wie kaum ein zweites uns in Herz und Sinn schreibt, was die frohe Botschaft bedeutet. Also genießen wir nun Worte aus Matthäus 11.
(Lesung des Predigttextes)
Es ist allseits bekannt. Schokolade macht glücklich. Analog zur Schokolade möchte ich Ihnen nun eine Erkenntnis des Geschmackssinns und zwei Geschmacksnoten des heutigen Evangeliums entfalten, die mich glücklich stimmen. Zunächst die Erkenntnis: Gott zu schmecken, bedarf keiner fein ausgebildeten Zunge. Gott zu verstehen ist unmöglich, aber um ihn zu erkennen, bedarf es nicht viel, weil Gott sich zeigen will. Es braucht keinen hohen Intelligenzquotienten, kein langes Studium der Theologie oder Philosophie, damit ein Mensch Gott in seinem Leben schmecken kann. Jesus spricht: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart.
II.
Ich glaube nicht, dass Gott die Weisen und Klugen bewusst von sich ausschließen will. Vielleicht ist es aber wie folgt: Wer meint, er verstehe und wisse besonders viel darüber, wer Gott ist, sich der Gottesbegegnung mehr Steine in den Weg legt, als einer, der im Angesicht Gottes um die eigene Ohnmacht weiß und sich trotz dieses Unvermögens Gott ganz in die Arme wirft. Einer der klügsten Köpfe unter den Theologen des 20. Jahrhunderts ist beispielsweise der Schweizer Karl Barth gewesen. Von ihm stammt der Satz: „Wir sollen als Theologen von Gott reden. Wir sind aber Menschen und können als solche nicht von Gott reden. Wir sollen Beides, unser Sollen und unser Nicht-Können wissen und eben damit Gott die Ehre geben.“ Trotz dieser demütigen Erkenntnis von „Gott-nicht-reden zu können“, nahm er das „Sollen“ sehr ernst. Barth verfasste im Laufe seines Lebens eine Glaubenslehre in 13 Teilbänden – insgesamt über 9.000 Seiten. Ohne Frage war Karl Barth ein tiefer Denker und kluger Theologe. Mit Jesu Worten im Hinterkopf frage ich mich jedoch, ob er mit seiner Weisheit und Klugheit eine größere Ahnung von Gott hatte, ob er den Schöpfer mehr in seinem Leben entdeckt und erfahren hat, als ein Schweinehirte in Kasachstan, der mit Blick in den abendlichen Sternenhimmel im Herzen ein stilles Vaterunser betet.
Was uns im Leben und im Sterben trägt, sind nicht die hohen Gedanken über Gott, und wenn sie auf Latein auch noch so schön klingen, was uns im Leben und im Sterben trägt, ist die Beziehung zu Gott selbst. Ist das Wagnis zu glauben, er kann meinem Leben einen anderen Geschmack verleihen. Diese geringe Voraussetzung Gott „schmecken“ zu können, macht mich glücklich, denn das ist allen Menschen möglich. Kommen wir nun zu zwei Geschmacksnoten, zum himmlischen Aroma des Predigttextes: Gerade weil ich Gott nie ganz fassen kann, bin ich dankbar, dass er sich für mich klein macht und sich fassen lässt. Wie? Indem er Mensch geworden ist in Jesus von Nazareth dem Christus. Der Begriff Gott ist derart abstrakt, dass ich Konkretion brauche, die mir hilft, mit Gott in Beziehung zu gelangen. Eine Antwort auf die Frage: Auf wen vertraue ich, wenn ich Gott vertraue? Diese Antwort finde ich im Leben und Wirken von Jesus. Schaue ich auf ihn, schaue ich auf Gott. Denn Jesus spricht: Alles ist mir übergeben von meinem Vater, und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Hier gilt es vorsichtig auszulegen. Allzuleicht könnte damit ein Fundamentalismus unterstellt werden, den ich nicht vertrete. Auch in anderen Religionen gibt es Offenbarungen Gottes, gibt es Gutes und Licht.
Aber mich persönlich hat Jesus erleuchtet wie kein anderer. Das war nicht immer so. Nach meiner Konfirmandenzeit habe ich als Jugendlicher mit meinen Sinnfragen viele Religionen und Philosophien befragt und dort oft Gutes gefunden, aber – und das ist bereits der Ausblick auf das nächste Aroma – sie gaben mir keine Ruhe für meine Seele. Irgendwann hat mich die Liebe Jesu überwältigt. Ich sah keine Engel, ich hörte keine Stimme und ich wurde nicht vom Saulus zum Paulus, aber wie es sich im Englischen so wunderbar ausdrücken lässt: „I fell in love.“ Ich bin in die Liebe zu Jesus hineingefallen. Das sucht man sich nicht aus. Das geschieht und plötzlich schmeckt das Leben anders. Wer verliebt ist, schwärmt für seine Geliebte. Das unterscheidet vom Fundamentalisten. Dieser gebiert sich besonders selbstsicher und überheblich, wenn er andere Glaubensrichtungen abwertet. Wer hingegegen ergriffen ist von der Liebe, hat es gar nicht nötig, diese durch Abwertung anderer zum Glänzen zu bringen.
III.
Es geht nicht um den Vergleich und schon gar nicht um die Bewertung anderer. Der Mund kann einfach nicht schweigen, von dem wovon das Herz voll ist. So möchte ich verstanden werden, wenn mir die Worte Jesu unvergleichlich, himmlisch schmecken. Jeder mag selig werden auf seinem Weg. Jede und jeder mag nach eigenem Ermessen dem Guru, der Philosophie oder Religion folgen, dem er oder sie vertraut. Ich kann aus meiner Lebenserfahrung und aufgrund meiner Gottesbegegnung in Georg Weissels Lied einstimmen: Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden. Mein Herz allein bedacht soll sein, auf Christus sich zu gründen. Sein Wort sind wahr, sein Werk sind klar, sein heilger Mund hat Kraft und Grund, all Feind zu überwinden. (EG 346 : 1)
Für mich ist Jesus eins mit Gott, wie es nie ein Mensch zuvor auf Erden war. Dies weckt Urvertrauen und schenkt mir Freude Gott nahe zu sein, wie ich es ohne Jesus nie für möglich gehalten hätte. Gott durch Jesus nahe zu sein, bringt mir hingegen immer wieder Ruhe für mein Seele. Damit rundet sich unser Geschmackserlebnis mit dem Aroma der letzten Verse ab. Zu diesen Worten ließe sich viel sagen, aber ich möchte sie als Schlusswort pur in unseren Herzen wirken lassen. Mir ist als würde ich sonst mit jedem Kommentar etwas hinzufügen, das den Geschmack Jesu verzerrt, denn ihm, den ich heute morgen gepriesen habe, soll das letzte Wort gehören, nicht nur in dieser Predigt, sondern in meinem ganzen Leben – vielleicht ja auch in Ihrem, denn Jesus lädt uns alle ein, wenn er spricht: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.
Zum hoffnungsfrohen Predigttext passen die Worte von Pastor Schneidereit sehr gut. Nach der einladenden und originellen Einleitung ist das Evangelium heute wie eine Praline. Auch ohne intellektuelles Studium kann jeder es verstehen: der geniale Theologe Karl Barth ebenso wie der Schweinehirte in Kasachstan,, der in den Himmel schaut. Wir finden Gott durch Jesus und in Jesus. Er schenkt uns auch in wirrer Zeit Gottvertrauen und Gottes Liebe. Er ist eins mit Gott wie kein anderer Mensch. Er erquickt unsere Seele. – Eine vorbildlich positive und seelsorgerliche und frohmachende Predigt. Eine Einladung seinen Glauben als Christ noch gern zu intensivieren und regelmäßig zum Gottesdienst zu gehen auch bei Pastor Schneidereit , wie ich selbst es in Lübeck als Gewohnheit habe.