Tun, was GOTT von uns erwartet

Unbequeme prophetische Botschaft

Predigttext: Jeremia 1,4-10 (mit Exegese und homiletischer Besinnung)
Kirche / Ort: Trinitatiskirche / Berlin-Charlottenburg
Datum: 09.08.2020
Kirchenjahr: 9. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Mag. theol. Ulrich Hutter-Wolandt

Predigttext: Jeremia 1,4-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Jeremias Berufung

4 Und des HERRN Wort geschah zu mir: 5 Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker. 6 Ich aber sprach: Ach, Herr HERR, ich tauge nicht zu predigen; denn ich bin zu jung. 7 Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: »Ich bin zu jung«, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete. 8 Fürchte dich nicht vor ihnen; denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR. 9 Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. 10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen.

Zum Predigttext

Die V. 1–3 der Perikope setzen das Wirken Jeremias in die Zeit der Könige Josias, Jojakims und Zedekias an, d. h.  in das 6. Jh. v.Chr. Es ist jene Zeit, in der unter König Josia eine religiöse wie politische Stabilität im Südreich herrschen, bis dann um 587 v. Chr. der Niedergang des Staates Juda erfolgte. In diesem historischen Kontext erfolgt die Beauftragung Jeremias zum Propheten durch Gott.  Kontext bestimmt ist.

Der Abschnitt Jer 1,4ff gehört formgeschichtlich zur Gattung der alttestamentlichen Berufungserzählungen, die vor allem dem Leser die Legitimation des Berufenen deutlich machen wollen (vgl. auch andere Berufungserzählungen wie 1.Kön 19,19–21; Jes 6; Hes 1–3). Eine besondere Nähe unserer Perikope zeigt sich in den Erzählungen der Berufung des Mose, Gideons und Sauls: 2.Mose 3,4b–6.9–15 (Berufung des Mose), Ri 6,11–24 (Berufung des Gideon) und 1.Sam 9,1–10,16 (Berufung des Saul). Diese Geschichten wenden ein ähnliches Erzählschema wie Jer 1,4ff. an. Auf die Anrede JHWHs und die Berufung (V. 4f) erfolgt der Hinweis auf Erschrecken und Einwand (V. 6) und schließlich die Zurückweisung des Einwands mit der Beistandserklärung durch JHWH (V. 7f). Nicht eindeutig geklärt ist, ob das Berühren der Lippen Jeremias durch die Hand JHWHs (V. 9) als ein Zeichen angesehen werden kann, wie es in anderen Berufungserzählungen vorkommt.

Eine zentrale Rolle spielt der Dialog zwischen dem zu berufenden Jeremia und Gott. Entsprechend gehören Jer 1,4–10 wie auch die anderen nach dem gleichen Schema aufgebauten Texte zum Typus der Berufungserzählungen und nicht zum visionsbestimmten Typus. Solche Elemente fanden auf der redaktionellen Ebene Aufnahme in den Text, indem Jer 1,11ff die Visionen vom siedenden Topf und dem blühenden Mandelzweig überliefert. Die beiden folgenden Visionsberichte, die nicht mehr unmittelbar zum Predigttext gehören, (V. 11–12: Vision vom Mandelzweig; V. 13–16: Vision vom siedenden Topf) deuten JHWHs künftiges strafendes Handeln an seinem Volk an.

Fragt man nach Parallelen in den anderen prophetischen Berufungserzählungen, so gibt es nur wenige Berührungspunkte. Der in Jer 1,4ff wichtige Aspekt des Erschreckens lässt sich auch in dem visionsbestimmten Berufungsbericht Jes 6, 5 nachweisen, doch fehlt dort das Element des Widerstandes. Jeremias Rolle ist in erster nicht die eines Propheten, sondern eher die eines politischen Führers seines Volkes.

Bei Jer 1,4–10 handelt es ich nach Mehrheit der Exegeten um einen möglicherweise von Jeremia selbst verfassten Grundtext, der später von der deuteronomistischen Redaktion in den Versen 7 bb und 9 b.10 ergänzt wurde. In dem Berufungsbericht könnten bestimmte „prophetische Grunderfahrungen“ als Einzelelemente aufgenommen worden sein, die vom „historischen Jeremia“ stammen, wiewohl der ganze Bericht m. E. nicht vom Propheten stammt.

Die „Wortereignisformel“ von V. 4 (wie auch V. 11 und 13) lenkt die Aufmerksamkeit auf das, was Jeremia tatsächlich gesagt haben könnte. Jeremia wurde von Gott wahrgenommen, als er noch in einer Wachstumsphase war. Der Prophet wird auch seinen normalen Lebensbeziehungen herausgenommen. Wie die frühe Erwählung ist auch die Einsetzung Jeremias zum „Völkerpropheten“ (V. 5b) etwas bisher Einmaliges: in einer Situation, in der Israel politisch keine Rolle mehr spielte, wird nunmehr die Bedeutung des Propheten weit über das eigene Volk ausgedehnt.

Insofern bleibt Jeremias Reaktion – eingeleitet durch ein klagendes „Ahach“ nachvollziehbar: der Prophet ächzt und seufzt unter der ihm aufgetragenen Last. Hinweise auf seine Jugend und mangelnde rednerische Erfahrung sollen deutlich machen, dass er das Prophetenamt nicht will und sich deswegen gegen diese Berufung wehrt.

Gott lässt aber Jeremias Bedenken nicht gelten. Ohne weitere Begründung weist Gott Jeremias Einwände zurück und bekräftigt noch einmal seinen Auftrag. Gottes Begründung lautet: weil er Gott den Propheten schon längst erwählt hat (V. 5), wird dieser nicht aus eigener Kraft reden; und weil Gott Jeremia entsprechend begaben wird (V. 8f), kann sich dieser auch nicht mit der Behauptung fehlender Erfahrung drücken.

In V. 9 folgt eine zeichenhafte Handlung Jahwes, die den Propheten als das menschliche Gefäß des Wortes Gottes darstellt (vgl. 2.Kor 4,7ff), als „Mund Jahwes“ (Jer 15,19). Wenn eine spätere Bearbeitung V. 9b in Anlehnung an 5.Mose 18,18 formulierte, so soll Jeremia als „Prophet wie Mose“ erscheinen.

V. 10: Die Darstellung Jeremias als eines Aufsehers über die Völker ist nur schwer mit seiner sonstigen Rolle im Jeremiabuch zu vereinbaren. War in V. 5 die Ausdehnung der prophetischen Zuständigkeit über den Bereich Israels hinaus in die universale Weite angeklungen, entspricht hier eine funktionale Ausdehnung, denn Jeremia wird als irdische Hand der Weltregierung Jahwes beschrieben. Die Verben des Zerstörens werden durch die des Bauens und Pflanzens ergänzt, und damit kommt zum ersten Mal eine Wende zum Heil nach der eingetretenen Katastrophe in den Blick – sicher auch als Botschaft für die Völker. Gott richtet nicht nur sein Volk Israel, sondern ist zugleich auch der bewahrende Herr der ganzen Welt. „So gesehen ist Jer 1,10 nicht nur ein Konzentrat der Botschaft des historischen Jeremia, sondern zugleich die Zusammenfassung der ersten Wirkungen seines prophetischen Auftretens, wie es von seinen Tradenten verstanden wurde“ (Siegfried Hermann, Jeremia-Kommentar Bd.1, 71).

Zur Predigt

Wenn Menschen in ihrem kirchlichen, administrativen oder auch industriellen Bereich Macht erhalten, z.B. über seine Untergebenen, kann das ganz schnell ins Extreme schlagen. Und es folgt ganz oft die Sucht zu weiterer Machtvermehrung, was natürlich Angst und bei den Untergebenen auslöst. Bei Jer 1, 4-10 darf man fragen, um wessen Macht es hier eigentlich geht.

Jeremia gehorcht, lässt sich auf die Berufung durch Gott ein, obwohl er zunächst widerständig ist, weil er erkannt hat, dass Gott eine überzeugende Autorität ist. Dies ins heute übertragen: „Eine Gesellschaft ohne hierarchische Strukturen wäre in der Konkurrenz mit anderen, gut geführten Gesellschaften unterlegen. Das setzt voraus, dass Führungsqualitäten anerkannt werden. Man spricht davon, dass man sich einer Führung anvertraut. Aber abgesehen von dem schon erwähnten Faktum, dass breite Bevölkerungsschichten die Vertrauenswürdigkeit ihrer politischen Führer oft gar nicht richtig einschätzen können, kommt in der anonymen Großgesellschaft gravierend hinzu, dass unter dem Angststress der Anonymität die Bereitschaft, sich Sicherheit bietenden charismatischen Persönlichkeiten anzuschließen, wächst und also auch die Bereitschaft zum blinden Gehorsam. Erziehung zu kritischem Gehorsam ist daher ein Gebot unserer Zeit. Sie allein dürfte jedoch nicht ausreichen, um zu verhindern, daß in Krisensituationen weniger standhafte und urteilsfähige Charaktere von den sie Führenden als Werkzeuge für unmenschliche Zwecke missbraucht werden. Es bedarf zusätzlich klarer und eindeutiger Gesetze, die überdies zur Kenntnis gebracht werden müssen (Irenäus Eibl-Eibesfeldt, Gehorsamsbereitschaft, in: Der Mensch – das riskierte Wesen, München 1991, 55).

Welche Ziele könnte die Predigt verfolgen? Wo Gott Menschen in seinen Dienst nimmt, kann es schwer werden, weil Menschen gern dem Anspruch Gottes ausweichen wollen. Und es folgen ganz normale Begründungen:  die natürliche Reaktion wäre, diesem Anspruch auszuweichen. Eine Vielzahl von Begründungen werden dann angeführt: zu jung, zu alt, zu schwach, zu beschäftigt, nicht klug genug, ohne Einfluss und Bedeutung.

Gott lässt solches Ausweichen nicht gelten. Er nimmt die Bedenken ernst, setzt sich aber doch darüber hinweg. Gott wendet andere Maßstäbe an, denn er hatte seine Wahl schon vor der Geburt Jeremias getroffen, als man noch nichts über Alter, Kraft und Zeit, Fähigkeiten und Schwächen wissen konnte. Gott lässt sich auf menschliche Bedenken nicht ein, weil sie für ihn kein Thema sind. Was für ihn kein Problem ist, soll auch für den Menschen keines sein.

Gott steht zu den Menschen, die er beauftragt. Er verschweigt nicht, dass der, den einen Auftrag bekommt, es nicht immer leicht haben wird, dass es da immer wieder steinige und krumme Wege geben wird. Er verspricht aber auch in Notfällen Rettung und Hilfe.  Und Gott nimmt demjenigen, den er beruft, auch die Last, weil er selbst demjenigen die Worte in den Mund legt. Gott trägt mit uns die Verantwortung für das, was wir in seinem Dienst verkündigen und tun.

Was Gott und dem Leben entgegensteht, soll vernichtet werden, alle die Menschen unterdrückenden Strukturen, Ideologien und Mächte soll Widerstand entgegengesetzt werden. Was dem Leben mit Gott dient (Vertrauen, Gerechtigkeit, Erhaltung der Schöpfung und der Lebensgrundlagen), soll aufgebaut werden.

Die Aussagen des Predigttextes werden bestätigt durch Jeremias Verkündigen und Handeln. Jeremia hat erfahren können, dass er nicht zu jung ist, dass Gott ihn immer begleitete, dass er niederreißen und aufbauen konnte. Es waren für Jeremia Erfahrungen, die auch für uns nicht fremd sind und Mut machen können, sich neuen Aufträgen Gottes zu stellen.

Literatur

Georg Fischer, Jeremia 1-25. HTHKAT, Freiburg-Basel-Wien 2005; ders., Jeremia. Prophet über Völker und Königreiche, Leipzig 2015; Axel Graupner, Auftrag und Geschick des Propheten Jeremia, Neukirchen-Vluyn 1991; Siegfried Herrmann, Jeremia, BKAT XII/1, Lieferung 1, Neukirchen-Vluyn 1986; ders., Geschichte und Prophetie. Kleine Schriften zum Alten Testament. Hg. von Rüdiger Liwak und Winfried Thiel, Stuttgart 2002; Nelson Kilpp, Niederreißen und Aufbauen. Das Verhältnis von Heilsverheißung und Unheilsverkündigung bei Jeremia und im Jeremiabuch, BThST 13, Neukirchen-Vluyn 1990; Wilhelm Rudolph, Jeremia, HAT 12, Tübingen 1968; Klaus Seybold, Der Prophet Jeremia. Leben und Werk, Stuttgart 1993; Gunther Wanke, Jeremias Berufung (Jer 1,4–10). Exegetisch-theologische Überlegungen zum Verhältnis von individueller Äußerung und geprägtem Gut anhand eines Einzeltextes, in: Alttestamentlicher Glaube und Biblische Theologie (FS Horst Dietrich Preuß), Stuttgart 1992, S. 132–144; ders., Gunter Wanke, Jeremia, ZBK 20/1, Zürich 1995;

Lieder

"Herzlich lieb" (EG 397)
"Lobet den Herren" (447)
"Ich weiß, mein Gott" (497)
"Danket dem Herrn" (333)
"Er weckt mich" (452)
"O komm" (136)
"Die güldne Sonne" (449)

Lesungen

Psalm 63, 2-9
Phil 3 (4b-6) 7-14 (Epistel)
Matthäus 13,44-46 (Evangelium).

 

 

 

 

zurück zum Textanfang

Das kennen wir doch alle: eine Diagnose beim Arzt, eine Benotung in der Schule oder an der Hochschule, ein Gerichtsurteil, ein Gutachten, ein Geständnis unter vier Augen. Die Angst vor der Wahrheit. Jeder hat es schon einmal das Gefühl kennengelernt: die schmerzliche und seltsame Angst vor der Wahrheit. Das Schöne an der schmerzlichen Angst ist ihre Nähe zur Wahrheit. Die Wahrheit ist immer schön und erhaben. Das liegt daran, dass Gott in Wahrheit Gott ist. Und Gott ist schließlich schön und erhaben. Das Tröstliche ist: Gott spricht in diese schmerzliche Angst, lässt sie unversehens vergehen, bringt an ihrer Stelle etwas ganz Neues. So wie wir es im Leben des Jeremia sehen und erleben können, so wie wir es bei vielen erleben, die sich zu Gott bekennen.

Jeremia hatte doppelt mit der Wahrheit zu tun. Und nur in einem Fall machte sie ihm wirklich Angst. Dass sein Land bald untergehen würde, das war für ihn die Wahrheit. Die bittere politische Wahrheit und Realität damals im 7./6. Jahrhundert. Das waren sicher keine Glücksmomente für Jeremia, als er sein Land vor dem Niedergang sah. Den baldigen Untergang des Landes seinen Leuten mitzuteilen, das ängstigte ihn dagegen sehr. Denn diese wollten damals die Wahrheit nicht hören, vielmehr hatten sie Angst, dass das alles eintreffen würde, sie hatten Angst vor der Wahrheit. Die Israeliten setzten ihre Hoffnung auf fremde Mächte, und erkannten in diesem Augenblick nicht, dass es der Gott Israels war, der sie allein retten konnte, weil er treu und barmherzig und ein Gott der Geschichte war, der sein Volk in Höhen und Tiefen begleitete. Doch für diese Gedanken waren die Israeliten damals blind.

Die Reaktion der Israeliten auf seine Botschaft hat Jeremia beschäftigt. Vielleicht wollen sie ihn gar nicht hören oder überhörten ihn sogar, weil seine Botschaft unbequem war. Oder würden sie ihn sogar auslachen und verspotten oder ihn ausgrenzen? Jeremia spürte die ganze Bandbreite der Aggressionen seiner Landsleute, ja er befürchtete sogar körperliche Gewalt. Das führte bei ihm dazu, dass er Angst vor seiner Aufgabe bekam. Er versuchte mit Gott zu verhandeln, die Sache mit der Verkündigung an sein Volk wieder loszuwerden. Dabei spricht er auf seine Jugend an, viel zu jung, unerfahren, für die Aufgabe nicht geeignet. Das könnten Stichwörter seiner Argumentation Gott gegenüber gewesen sein. Er wollte wieder frei sein, die Fesseln der Verkündigung sollten ihn nicht mehr hindern. Und wie erlebt Jeremia die Reaktion Gottes: Der HERR sprach aber zu mir: Sage nicht: „Ich bin zu jung“, sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende, und predigen alles, was ich dir gebiete.“ Zack! Ganz schnell! Gott erkannte, dass die Argumentation Jeremias nur eine Ausrede war und wischte dessen Bedenken schnell weg. Ein Prophet muss das tun, was Aufgabe eines Propheten ist: den Menschen die unbequeme Wahrheit ins Gesicht sagen. Auch wenn das vielleicht scherhaft ist. Im Zwiegespräch nimmt Gott Jeremia die Angst: „Fürchte dich nicht vor ihnen“. Dieser Satz wirkt wie ein Befehl für Jeremia und plötzlich scheinen seine Bedenken wie weggewischt, Angst und Schmerz vergehen.

Gott erreicht durch einen Zuspruch, dass Jeremia in die Zukunft blicken kann. „Denn ich bin bei dir und will dich erretten, spricht der HERR.“ Und Gott versteht es, sogar die Neugier Jeremias zu wecken, indem er ihm Tatendrang und Redekunst „einpflanzt“: Und der HERR streckte seine Hand aus und rührte meinen Mund an und sprach zu mir: Siehe, ich lege meine Worte in deinen Mund. 10 Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen. Gott scheint uns hier ganz schön raffiniert. Gott nimmt Jeremias Argument – ich bin zu jung – und das gegen seinen Auftrag an ihn spricht, dreht es so um, dass die Jugend Jeremias in Gottes Augen gerade für Jeremia spricht. Es geht doch ums Säen, Keimen und Gedeihen. Neues soll entstehen. Warum sollte das nicht gerade ein Junger besonders gut können und andere Jüngere (oder auch Ältere) damit vielleicht anstecken?  Vielleicht hat diese Wendung Jeremia neugierig gemacht. So nach dem Motto: Hat Gott doch mehr drauf, als ich Mensch bislang geahnt hatte. Gott kann überzeugen und Reden, bei mir hat es jedenfalls geklappt. Er hilft mir, wenn ich Reden soll. Schließlich steht er von Anfang an meiner Seite: Und des HERRN Wort geschah zu mir: Ich kannte dich, ehe ich dich im Mutterleibe bereitete, und sonderte dich aus, ehe du von der Mutter geboren wurdest, und bestellte dich zum Propheten für die Völker.

Wie gesagt: Gott macht den Propheten zum Pflanzenzüchter. Soll heißen: Die Saat, die Jeremia wirft und aufzieht, die gedeiht bei uns Menschen. Überall, wo er auftritt, gewinnen seine Worte an Bedeutung, an Raum und an Zeit. Er erreicht es, dass sich einiges im Zusammenleben der Menschen ändert. Jeremias Worte haben zugleich gepflanzt und ausgerissen, zugleich gebaut und eingerissen. Seine Worte haben aber auch Widerstand bei seinen Landsleuten ausgelöst. Die Wahrheit wurde bekämpft oder verdrängt. Einsicht erfolgte erst später, so viel man weiß. Aber es gibt dies auch heute: ungehört, ausgelacht, gemobbt, misshandelt, kurzum – wie auch immer gescheitert. Jeremia war der eine einsame Rufer in der Wüste, der Recht hatte – gegen jede Chance, Recht zu bekommen. Eine der Quellen dessen, was in unserem Recht später als Unverletzlichkeit der Menschenwürde steht und wirkt. Gott spricht in unsere schmerzliche Angst, lässt sie unversehens vergehen, bringt an ihrer Stelle etwas ganz Neues. Das ist die Wahrheit.

Davon zeugen auch die anderen Teile der Bibel. In ihren Geschichten tauchen viele solcher Menschen wie Jeremia auf. Menschen, die kaum einer anstellen würde. Wir würden heute von Risikopersonal sprechen. Und gewiss gilt das auch für Menschen, die in der Kirche arbeiten, mit ihren manchmal gebrochenen Biografien. Vor den Augen der Welt irgendwie sonderbar, die eigentlich ganz anders sind, als auf den ersten Blick vermutet. David der Großkotz, Petrus, der es mit der Wahrheit nicht so genau nahm oder Paulus, der mit seinem Ja-aber eher langweilig wirkte. Ein Mensch Gottes muss tun, was Gott von ihm erwartet, auch wenn das manchmal schmerzlich ist. Es ist jenes Wort Gottes, das Jeremia an den Beginn seines Buches stellt und damit für sein Leben etwas wegweisendes und weichenstellendes auslöst.

 

 

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.