Auf dem Feld meines Lebens

„Unter Gottes Wort“

Predigttext: Lukas 8, 4-8 (mit Exegese)
Kirche / Ort: 79650 Fahrnau
Datum: 07.02.2021
Kirchenjahr: Sexagesimae (60 Tage vor Ostern)
Autor/in: Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: Lukas 8,4-8 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis:
5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf.
6 Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte.
7 Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's.
8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Exegetische und homiletische Einführung

Als ich einmal die Geschichte im Kindergarten erzählte, legte ich zur Veranschaulichung vier verschiedenfarbige quadratische Baumwolltücher als großes Quadrat in die Mitte. Erst jetzt in der Erinnerung und im neuen Nachdenken über den Text merke ich, dass ich damit unbewusst ein Bild meiner Kindheit und Kindergottesdienst-Zeit reproduziert habe: Das vierfache Ackerfeld. Klar voneinander abgegrenzte Flächen. Wie abgezirkelt – hier der Fels, da das Dornengestrüpp. Um so unverständlicher, warum der Sämann seinen Samen auch dorthin streut, wo erfahrungsgemäß von vornherein nichts wachsen kann!

Aber was ist mit diesem „vierfach“ gemeint? Woher hat die Geschichte überhaupt ihren Namen? In meinen Bibeln finde ich nur Überschriften wie „Der Sämann“ oder „Die Geschichte von der Aussaat“. Aber den Wikipedia-Artikel findet man unter dem Suchwort „Vierfaches Ackerfeld“! Offensichtlich ist dieser Titel griffiger als die biblischen Überschriften – die natürlich auch nicht wirklich biblisch sind. Warum und seit wann das Gleichnis unter dem Namen „Vierfaches Ackerfeld“ firmiert, habe ich leider nicht herausbekommen. Aber zumindest meine kindliche und auch erwachsene Phantasie hat er gelenkt.

In Wirklichkeit handelt es sich doch um ein einziges ganz normales Ackerfeld. Der Weg ist nötig und die Vögel haben ein Recht sich darauf pickend niederzulassen. Der Fels ist nicht böse, nur weil er Fels ist, und die Dornen dienen vielleicht sogar einem sinnvollen Zweck und können nichts dafür, dass sie schneller wachsen als die Saat. Und unter ihnen allen ist die gleiche Erde!

Ich denke und schreibe das auch geleitet durch das diesjährige Motto der Fastenaktion „7 Wochen anders leben“: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu.“ In den „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“ bemerkt Katrin Nele Jansen spöttisch dazu: „Ach ja?“ Bin ich wirklich so anders? Ihre Frage veranlasst mich, die vier „Felder“ des Ackerfeldes auf meine verschiedenen Lebensschauplätze beziehen, auf denen ich unterschiedliche Rollen spiele und mich leicht verzettele. Es ist eben nicht so einfach: Das Gefühl, nicht zu „sich selber“ zu kommen, stellt sich zwar manchmal ein. Aber ich bin doch auf allen meinen Feldern zumindest zum großen Teil „ich selber“. Der Erdboden ist auch unter den Dornen Erdboden. Nur stimmt vielleicht die Gewichtung nicht mehr.

Auf gar keinen Fall aber, so nehme ich mir fest vor, soll die Predigt aber im moralisierenden Aufruf zur Selbstfürsorge enden – so wichtig diese ist. Es geht ja um Gottes Wort! Und um die in Corona-Zeiten unglaubliche Verheißung, Frucht bringen zu dürfen. Gerade jetzt, wo ich mich manchmal frage, ob meine Arbeit überhaupt noch gebraucht wird. Und ob meine Gemeinde nach Corona jemals wieder Fuß fassen und leben kann …

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(Der Gottesdienst wird als Audiogottesdienst gehalten)

 

Als Kind habe ich diese Geschichte im Kindergottesdienst gehört. Sie vielleicht auch. Die Aussage war klar: da wo die Saat hundertfältig Frucht bringst, da sind die Guten. Die hören was Jesus sagt, beherzigen es und leben danach. Und da wo Weg ist und Dornen und Fels, da sind die Bösen, die nicht hören und auch nicht glauben. Die nach der ersten Begeisterung schnell wieder die Flinte ins Korn werfen oder sich von anderen Dingen ablenken lassen. Diese Bösen, die sind mehr, dreimal so viel wie die Guten. Also schau zu, dass du zu den Guten gehörst. Dann freut sich der Sämann.

Hier die einen, da die anderen

– so sorgfältig scheint die Geschichte abgezirkelt zu zu sein. Hier der Weg, da der Fels, da das gute Land. Wenn Jesus dieses eine Viertel gut nennt, dann muss ja alles andere schlecht sein. Dann kann ich sogar meine ungläubigen oder unkirchlichen Mitmenschen charakterisieren: Du bist wie der Weg, du wie die Dornen. Das macht die Sache leichter, wenn man  die anderen klassifzieren und in Schubladen stecken kann.

Aber Moment mal – so einer ist Jesus doch nicht! Jesus will doch gerade Menschen aus ihren Schubladen heraus holen, in die andere sie gesteckt haben. Der Samariter ist nicht böse, nur weil er Samariter ist, und der Zöllner ist in der Lage umzukehren. Ja, sogar römische Hauptleute und als Fundamentalisten verschriene Pharisäer verhalten sich manchmal anders als man es von ihnen denkt – zumindest wenn sie Jesus begegnen. Nur mit den Reichen scheint Jesus seine Probleme zu haben: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt – von dieser Meinung scheint Jesus schwer abzubringen zu sein. Aber ansonsten müsste man sich die Geschichte mit dem vierfachen Ackerfeld doch noch mal näher anschauen.

Das Erdreich meiner Seele

Näher – am besten fange ich da mal bei mir selber an. Dornen, Fels, Weg – was fällt mir dazu in Bezug auf mein eigenes Leben ein? Der Weg, daran bleibt mein Blick als erstes hängen. Ja, tatsächlich, manchmal lasse ich mich breit treten wie ein Weg, unfähig, auch mal nein zu sagen: Der andere oder die anderen könnten mir ja böse sein. Im Extremfall lasse ich andere auf mir herum latschen. Natürlich weiß ich das längst und arbeite auch nach Kräften an mir. Denn ich merke: Das tut keinem gut.

Das lebendige Erdreich unter mir, in meiner Seele, fängt sozusagen an dagegen zu arbeiten, sich in Bewegung zu setzen. Dann entstehen Risse auf dem Weg, und die darauf gehen merken es früher oder später. Ich weiß also, ich muss aufpassen, aufpassen auf meine Weg-Existenz. Die Vögel, die den Samen weg picken: Vielleicht meint Jesus damit die Situationen, in denen ich das Gefühl habe, ich gebe, mache, tue – aber ich nehme mir zu wenig Zeit, um mal in Ruhe etwas in mich aufzunehmen, etwas Neues vielleicht, den Samen sozusagen einsinken zu lassen in das Erdreich meiner Seele. Manchmal höre oder lese ich etwas und vergesse es sofort wieder – das könnte ein Indiz dafür sein.

Und was ist mit den Dornen? Oh ja, wie oft fühle ich mich eingedornt von all meinen Aufgaben und Pflichten. Sie wachsen so schnell wie die Berge unbeantworteter Emails in meinem Mailprogramm, und ihre Stacheln pieken mich gehörig in meinem Gewissen. Das wirklich Wichtige, das vielleicht Neue und Gestaltende in meinem persönlichen wie in meinem beruflichen Leben, das hat gar keine Zeit zu wachsen, obwohl es genau diese Zeit bräuchte. Neue Entwicklungen brauchen immer Zeit, Beziehungen zum Beispiel.

Aber Neues braucht auch Mut, und die Dornen sind immer eine gute Ausrede: Tut mir leid, ich würde ja gerne, aber diese und jene Aufgabe hindert mich daran. Wenn ich ehrlich bin: Würde ich wirklich gerne? Oder bin ich dann doch zu träge – oder zu feige – um Neues zu wagen, und bin den Dornen ganz dankbar dafür, dass sie immer mit einer guten Ausrede zur Hand sind? Ja, ich fürchte, Jesus hat da bei mir ganz schön genau hingeschaut.

Und der Fels? Bei dem muss ich schon länger überlegen. Und noch einmal nachlesen, vielleicht weil Felsen für mich und ja auch für die Bibel eigentlich positiv besetzt sind: Gott ist mein Fels, heißt es im 31. Psalm. Aber beim nochmaligen Nachlesen in der Geschichte fällt mein Blick auf die Begründung: Warum kann die Saat auf dem Fels nicht wachsen? Weil sie nicht genug Feuchtigkeit hat, darum. Die Feuchtigkeit kommt von oben, sammelt sich aber im Erdreich. Vielleicht sind damit meine Gaben, meine Kräfte gemeint, all das Gute, mit dem Gott das Erdreich meines Lebens und meiner Seele gesegnet hat?

Auf einmal rückt mir das Bild näher als ich es eigentlich haben will: Der Fels – ja, wie viel Steine lege ich mir eigentlich selber in den Weg? Was schiebe ich vor, wie den Felsen vor Jesu Grab, und lasse Lebendiges in mir begraben sein? Wo bin ich vielleicht doch hart wie ein Fels? Oder enttäuscht: Ja, ich weiß, das will ich eigentlich schon lange, aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass jemals daraus wird, ich spüre auch keine Energie mehr dazu …

Worte wie Regen

Um Energie geht es aber doch gerade. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Die Erklärung gibt Jesus direkt im Anschluss: Der Same ist das Wort. Wieder eine Erhellung: All das was ich eben gesagt und im Sagen gefühlt habe, das hat mit Worten eine Menge zu tun! Ansprüche und Anforderungen werden in Worten an mich heran getragen. Auf Worte reagiere ich, muss ich reagieren, tagtäglich, mein Ohr ist empfindlich und der Gehörgang wahrscheinlich deswegen so lang, damit das Gehörte ordentlich lange darin bleiben kann, vor allem das Negative, Fordernde oder Kritische.

Worte können die Dornen sein – oder ihre Stacheln -, Worte können bewirken, dass aus mir wieder ein platt getretener Weg wird. Aber natürlich, aus Worten besteht auch meine innere Stimme, die trotz aller Steine auf dem Weg weiter redet und mein schlechtes Gewissen nicht gerade kleiner macht. Allerdings redet sie zweistimmig: neben der Erinnerung an meine Träume hält sie mir auch vor, meinen Pflichten nachzukommen – oder dem was ich dafür halte. Für Worte bin ich also besonders sensibel. Gerade Worte können bewirken, dass ich so selten zu dem komme, was ich eigentlich bin, wie es im Motto unserer diesjährigen Fastenaktion heißt: Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu. Was aber ist dann mit Gottes Wort?

Um das geht es doch eigentlich in der Geschichte, die Jesus erzählt: Um Gottes Wort, das der Sämann aussät. Um Himmels willen, was heißt das eigentlich? Eine Erinnerung taucht auf, aus einer meiner früheren Berufsphasen: An eine Mitarbeiterin, die zu betonen pflegte wie wichtig es für sie sei, „unter Gottes Wort“ zu kommen. Unter Gottes Wort – mir klang das damals sehr fromm und sehr streng.

Aber heute, gerade im Corona-heute, ausgelaugt und ausgepowert und einfach müde wie ich mich manchmal fühle, spüre ich den Segen, der darin liegt. Als ob ich hinaus gehe, einfach so, wie ich bin, und mich mitten hinein stelle in einen frischen Frühlingsregen. Unter Gottes Wort: Oder ich bleibe in dem Bild, das Jesus wählt: die ausgestreckte, ruhige, zum Geben bereite Hand. Da hat einer etwas Gutes für mich und streut es einfach in meine Seele ein.

Und trotz Dornen, Weg und Fels: Irgendwo findet er ein freies Stückchen Feld. Es muss ja nicht groß sein. Und habe ich es in der Beschäftigung mit der Geschichte nicht schon gemerkt, wie etwas in Bewegung kommt? Mit Gehorsam und Pflicht hat das nicht das mindeste zu tun – Gottes Wort ist lebensdienlich! Und es schafft Frucht. Hundertfältig! Ja, nachdem ich, typisch für mich und sicher für manche andere auch, Dornen, Weg und Fels zuerst auf mich bezogen habe: Am Ende darf ich auch dieses tun: an die Verheißung glauben. Gottes Wort in mir schafft hundertfältig Frucht. Da geht es nicht um messbare Erfolgsquoten. Sondern um Früchte, die erst einmal für mich bestimmt sind! Hundertfältig, über jede Gen-Manipulation weit hinaus. Da werde ich bestimmt nicht ärmer, wenn auch andere daran teilhaben. 

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Ein Kommentar zu “Auf dem Feld meines Lebens

  1. Kinder Ulrike

    Liebe Frau Krumm ,
    vielen Dank für die schöne Predigt, auch dass Sie schreiben wie ausgepowert man sich momentan fühlen kann und wie schwierig es ist mit den” Dornen und Ihren Wucherungen” umzugehen .
    Ihre Predigt hat mir gut getan , es ist so schön immer am Abend vor dem Sonntag etwas von den ” Heidelbergern ” zu lesen . Wie oft haben Ihre Beiträge mich weiter gebracht .
    Vielen Dank
    Ihre Ulrike Kinder , Pastorin in Großenbrode an der OStsee.

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