Hiob ganz nah

Glaube und Zuversicht auch im Angesicht des Leidens

Predigttext: Hiob 19,19-27
Kirche / Ort: Eberbach
Datum: 21.03.2021
Kirchenjahr: Judika (5. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Lehrvikarin Svenja Laura Adler

Predigttext: Hiob 19,19-27 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

19 Alle meine Getreuen verabscheuen mich, und die ich lieb hatte, haben sich gegen mich gewandt. 20 Mein Gebein hängt nur noch an Haut und Fleisch, und nur das nackte Leben brachte ich davon. 21 Erbarmt euch über mich, erbarmt euch, ihr meine Freunde; denn die Hand Gottes hat mich getroffen! 22 Warum verfolgt ihr mich wie Gott und könnt nicht satt werden von meinem Fleisch?

23 Ach dass meine Reden aufgeschrieben würden! Ach dass sie aufgezeichnet würden als Inschrift, 24 mit einem eisernen Griffel und mit Blei für immer in einen Felsen gehauen! 25 Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er sich über dem Staub erheben.  26 Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen. 27 Ich selbst werde ihn sehen, meine Augen werden ihn schauen und kein Fremder. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.

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Hiobs Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Seine Rede, seine Klage wurde niedergeschrieben. Und heute können wir das Buch Hiob lesen.

I.

Die Geschichte vom biblischen Hiob: Der Satan behauptet, dass Hiob nur so fromm und rechtschaffen ist, weil er alles hat, was er braucht und noch mehr. Schließlich ist er ein zufriedener wohlhabender Mann. Er wettet, dass er Gott fluchen würde, wenn man ihm das alles nehmen würde.

Gott, und das überrascht mich immer wieder, geht auf diesen zutiefst fragwürdigen Deal ein. Und Hiob wird das Versuchsobjekt des Satans. Nacheinander wird ihm alles genommen. Zuerst sein Vieh, sein Haus, sein ganzer Besitz; dann seine Kinder, seine Frau und die eigene Gesundheit. Er verliert alles – fast alles. Nur sein Leben bleibt ihm. Und im Angesicht dessen zweifelt und verzweifelt er. Er kann sein Leiden nicht mehr einfach so hinnehmen, sondern wendet sich an Gott. Klagend, zürnend, aufgebracht.

II.

Im März 2021 ist Hiob ganz nah. Im Leiden vieler Menschen kann ich Hiobs Leiden wiedererkennen. Hiob ist in meiner Nachbarin, im Ladenbesitzer in der Bahnhofsstraße, im älteren Mann, der allein lebt. Hiob wird der Besitz, die Arbeit, die Familie, die Gesundheit und die Gemeinschaft genommen. Wie so vielen im März 2021. Nicht der Teufel, sondern die Pandemie beraubt uns dessen, was wir brauchen. Die einen spüren es mehr, die anderen weniger. Aber spüren tun wir es alle!

Viele haben ihre Arbeit verlorenUmfragen zeigen, dass jeder dritte Laden jetzt schon vor dem Aus stehtMillionen Schülerinnen und Schüler fürchten um ihre Schulabschlüsse und deren Anerkennung. Ganz abgesehen von der gesundheitlichen und finanziellen Gefahr und Unsicherheit, die Corona mit sich bringt, ist auch unsere mentale Gesundheit bedroht: durch den Verlust von Gemeinschaft, von Berührungen, von Menschen, die da sind, bei denen wir sein können.

Wie auch Hiob können wir das Leiden nicht einfach hinnehmen. Wie auch Hiob können wir uns an Gott wenden. Das Hiobbuch ist eine klare Einladung zu solchem Protest Gott gegenüber. Wir dürfen und wir sollen mit Gott streiten, ihn fragen und klagen.

III.

Kurz vorm Ende der Passionszeit weist das Klagen Hiobs auf das Leiden Jesu hin. Im Garten Gethsemane wirft sich Jesus, bedrückt von seiner Angst, nieder und betet. Und auch er fragt und klagt. Jesus weiß um sein zukünftiges Leiden und seinen Tod. Und in diesem Moment – im Garten allein im Dunkel der Nacht hadert er mit seinem Schicksal, will sich diesem nicht kampflos ergeben, will nicht sterben.  Jesus, der Sohn Gottes und unser Erlöser, leidet, wie wir.

Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt.

Die Rede Hiobs begann mit seinem Leiden und seiner Niedergeschlagenheit. Dann kommt plötzlich dieser Umschwung vom Leiden Hiobs zur Erlösung, von Klagen und Verzweiflung zu Hoffnung und Zuversicht. „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt“, sagt Hiob. Nicht ich hoffe, ich denke, ich vermute oder ich glaube. Ich weiß. Definitiv! Für manche, und auch manchmal für mich, schwer nachzuvollziehen. Hiob hat alles verloren. Woher also diese plötzliche Zuversicht? Oder war sie schon immer da?

Hiob hat einen festen Glauben, der nicht durch sein Leiden gebrochen wird. Er weiß, dass Gott da ist, wenn er sich an ihn wendet. Er weiß, dass Gott sein Klagen hört. Und er weiß – unabhängig von all dem, was war und was ist, wird er erlöst werden und Gott schauen. Diese Zuversicht, trotz allem, trotz all seiner Verluste und Schicksalsschläge, würden manche als verzweifelt und vielleicht naiv bezeichnen. Ich finde es vorbildhaft. Und ich hoffe, dass auch ich, dass wir unseren Glauben und unsere Zuversicht auch im Angesicht des Leidens (im März 2021) nicht verlieren. Sondern standhaft in unserem Vertrauen auf Gott und unsere letztliche Erlösung bleiben.

Auch Jesus bleibt standhaft und stellt sich seinem Schicksal. Er lässt seine Verhaftung zu und wird am nächsten Tag hingerichtet. Am Kreuz ist Jesus für uns gestorben. Und am dritten Tage auferstanden, aus dem Staub, damit auch wir sagen können: Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.

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