Ganz großes Kino
Einblicke in himmlische Dinge - trostvolle Vision(en)
Predigttext: Offenbarung 5,6-14 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
6 Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Wesen und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. 7 Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. 8 Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, 9 und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen 10 und hast sie unserm Gott zu einem Königreich und zu Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden. 11 Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Wesen und um die Ältesten her, und ihre Zahl war zehntausendmal zehntausend und vieltausendmal tausend; 12 die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. 13 Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! 14 Und die vier Wesen sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.
Im Himmel ist etwas los, kein eintöniger gleichklingender zarter Gesang der schwebenden Engel, kein stilles ehrfürchtig Anbeten des Heiligen, kein leises Flüstern im Angesicht des geopferten Osterlammes, nein, kräftiger vielstimmiger jubelnder Gesang der gesamten himmlischen Heerscharen, erhabenes Preisen des Lammes, der zum Löwen von Juda geworden ist, als einziger für würdig befunden, die Siegel des heiligen Buches zu brechen, lautstarker himmlischer Gesang, der bis auf die Erde tönt. Im Himmel ist etwas los, im Himmel ist ganz großes Kino. Sie dürfen sich die himmlische Szene als berauschendes Finale einer großartigen Oper vorstellen.
I.
Welche Oper war das? Was offenbart uns die biblische Offenbarung? Wir sehen einen Thron im Himmel, auf dem einer sitzt. Es wird nicht näher bezeichnet, wer er ist. Um den Thron reihen sich vierundzwanzig Throne, auf denen vierundzwanzig Gestalten Platz genommen haben, das sind die Ältesten, gehüllt in lichtdurchfluteten weißen Kleidern mit goldenen Kronen auf dem Kopf. Um den Thron in der Mitte, auf dem der eine sitzt, schweben vier himmlische Gestalten. Die erste Gestalt gleicht einem Löwen, die zweite einem Stier, die dritte Gestalt hat ein Antlitz wie ein Mensch, die vierte sieht aus wie ein Adler.
Die vier Gestalten haben je sechs Flügel, übersät mit Augen. Die Augen sind auf allen Seiten, innen und außen. Die vier Gestalten sprechen feierlich unaufhörlich die Worte: „Heilig, heilig, heilig ist Gott Zebaoth, der Allmächtige, der ist, der war und der kommt.“ Sie zollen dem, der auf dem Thron sitzt, Anbetung, Ehre, Dank und Ruhm. Während die vier Gestalten mit den sechs Flügeln und den inneren und äußeren Augen den Allmächtigen loben, fallen die vierundzwanzig in weiß gekleideten Ältesten auf die Knie, nehmen ihre Kronen von ihren Häuptern und legen sie dem, der in der Mitte thront zu Füßen. Sie preisen seine Schöpferkraft, er hat alle Dinge geschaffen und gemacht.
Mitten in diesem erhabenen himmlischen Schauspiel voller Glanz und Pracht, mitten im klingenden Lobgesang steht ein kleines Lamm. Es ist tot gewesen, doch jetzt ist es lebendig. Dieses Lamm ist ein besonders Lamm, kein Lamm, das sich grasend eng an seine Mutter hält, lieblich anzusehen. Dieses Lamm hat sieben Hörner und sieben Augen. Die sieben Hörner sind Zeichen seiner Macht, sie sieben Augen durchdringen die Welt. Das Lamm symbolisiert den auferstandenen Christus und steht mitten in der himmlischen Versammlung vor dem Thron des Ewigen und Allmächtigen. Es sieht alles, hört alles, weiß alles. Es hat Pein und Marter erlitten. Diesem gemarterten Lamm wird höchste Ehre zu teil. Es wird für würdig befunden, das versiegelte Buch zu öffnen.
Nur das Lamm, sonst niemand, darf und kann das Buch öffnen. Das Lamm tritt hervor als ob es ein Mensch oder eine Gestalt sei, die Hände hat. Es empfängt das versiegelte Buch von dem, der auf dem Thron sitzt. Es ist Gott höchstpersönlich, sein Name ist zu heilig, als dass er ausgesprochen werden würde. Das Lamm ist der auferstandene Christus. Als er das versiegelte Buch nimmt, fallen die vierundzwanzig Ältesten auf ihre Knie, sie huldigen dem Lamm, spielen Harfe, räuchern wertvolle Gewürze und duftende Öle in goldenen Schalen. Der Gesang steigert sich, ihre Stimmen schwellen an, erklingen zum Jubelgesang. Sie ehren die Würde des auferstandenen Christus, singen ihm ein neues Lied.
Was für Geheimnis das Buch birgt, enthüllt uns der Predigttext nicht. Der Jubelgesang nimmt zu, wird dreifach angestimmt. Die Zahl der Jubelnden nimmt auch zu, plötzlich erklingen vieltausendmal tausend Stimmen der himmlischen Engel. Jubelgesang schallt aus allen vier Himmelrichtungen. Der Gesang wird noch stärker. Lässt sich denn der Jubelgesang der vierundzwanzig Ältesten und der vieltausendmal tausend Engel noch steigern?
Jetzt beginnt jedes Geschöpf, das im Himmel und auf Erden und unter der Erde lebt, zu singen. Alles, was lebt und webt auf dem Meer, alles, was darinnen ist, jubelt über den, der auf dem Thron sitzt und über das Lamm. Die gesamte Schöpfung entbietet Lob, Preis und Dank.
Zum Schluss der Vision rücken die vier Gestalten, die einem Löwen, einem Stier, einem menschlichen Antlitz und einem Adler gleichen, in den Blick. Sie bekräftigen den Lobgesang mit einem feierlichen Amen. Die vier ist keine Reduzierung, sondern eine Verdichtung, die vier symbolisiert die vier Himmelsrichtungen und damit die ganze Erde.
II.
Eine gewaltige Vision, die uns die Offenbarung am Ostertag präsentiert. Eine Vision, die in fremden Bildern zu uns spricht und nicht aus unserem Kulturkreis und unserer Zeit stammt. Dennoch fasziniert sie mich in ihrer Fremdheit, vielleicht gerade wegen ihrer Fremdheit, aber auch in ihrer Erhabenheit. Wir sind Menschen und reden nur in Worten, die von unserer Welt sind. Wie aber sollen Menschen reden von dem, was im Himmel ist?
Manchmal öffnet sich der Himmel. Menschen empfangen Bilder und Visionen, die nach irdischen Maßstäben gemessen unrealistisch sind. Die biblische Offenbarung will Einblicke in himmlische Dinge geben. Johannes z.B. ein Jünger Jesu, der auf Patmos festgesetzt ist, schreibt seine Visionen auf. Er schreibt von himmlischen Dingen in irdischen Worten. Er redet in Bildern und er benutzt dazu Bilder aus seiner Kultur und seiner Zeit. Wie sollte es auch anders sein.
Visionen sind uns aufgeklärte moderne Menschen heutzutage suspekt. Ein Visionär muss vorsichtig sein, wem er seine Visionen erzählt. Er muss damit rechnen, dass er nicht ernst genommen wird, im schlimmsten Fall wird er für verrückt erklärt.
Können Sie mit dieser biblischen uns fremden Vision etwas anfangen? Für Christinnen und Christen damals bedeutete die Vision von der Herrschaft Gottes und Christi im Himmel ein Trost. Die christlichen Gemeinden in der zweiten Generation in Kleinasien hatten keinen guten Stand im römischen Kaiserreich. Sie werden wegen ihres Glaubens und wegen ihres Anderssein verfolgt, besser, sie halten sich zurück, besser, sie leben ihren Glauben privat in ihren Haus.
Auch innerhalb des christlichen Glaubens fühlen sie sich keineswegs gefestigt. Es gibt verschiedene Ansichten, was die christlichen Inhalte betrifft. Christlicher Glaube hat sich noch nicht fest etabliert. Christinnen und Christen sind äußerlich und innerlich verunsichert. Sie brauchten Trost und Vergewisserung. Ihnen fehlt Orientierung und Verlässlichkeit. Die himmlische Offenbarung ist ihnen Hilfe und Trost. Die Vision in der Offenbarung ist zukünftig und zugleich gegenwärtig.
Christinnen und Christen in den christlichen Gemeinden der zweiten Generation verstehen die Botschaft, unseren modernen Ohren ist sie zunächst verborgen, gar suspekt. Die Vision ist harsche Kritik gegen den römischen Kaiserkult. Die Ältesten, die Engel und andere Gestalten fallen vor dem himmlischen Vater und dem auferstandenen Christus nieder und nicht dem weltlichen Kaiser in Rom. Der gesamte Erdball, so die Vision, singt Christus ein neues Lied. Das heißt doch: Die Lobeshymnen auf den römischen Kaiser haben ausgedient.
Den christlichen Menschen, die verstreut in ihren Gemeinden leben, denen es an Orientierung fehlt, hilft die himmlische Vision. Die Vision hält die Hoffnung wach, dass Gott und Jesus Christus die Macht über Himmel und Erde haben, als also auch über ihr persönliches Leben. Ihr Leben hat einen Sinn. Die Vision von der gewaltigen Himmelsmacht gibt Kraft. Visionen sind kein Relikt aus vergangenen Zeiten.
III.
Es gibt Menschen, die sagen, sie hätten Visionen gehabt. Absprechen können wir ihnen das so ohne weiteres nicht, selbst wenn wir persönlich Zweifel haben. Hat nicht jeder Mensch in gewisser Weise „Visionen“? Ich meine damit: Haben wir nicht alle Bilder und Vorstellungen im Kopf, die unser Fühlen, Denken und Handeln bestimmen? Diese Bilder sind nicht wirkungslos, sie machen etwas mit uns. Was sind meine inneren Bilder? Spenden sie Trost und Hoffnung, bauen sie auf, machen sie frei, geben sie Mut? – Lösen sie Angst aus? Halten sie mich klein, machen sie mich krank?
Wenn uns die Orientierung fehlt, wenn wir unsicher und in Sorge, was werden wird, ist es von Bedeutung, dass wir Bilder im Kopf haben, die uns stärken und Mut machen. Sollten sich Szenarien zu Horrorvisionen entwickeln, ist es gut, wenn andere unsern Blick auf den Himmel richten.
Wir feiern das Osterfest. Von Feiern kann eigentlich nicht die Rede sein, Corona lässt uns die Ostertage still verbringen. Ostern bleibt das Fest der Auferstehung. Das Leben blüht auf und beginnt neu. Christus ist von den Toten auferstanden. Das bekennen wir in jedem Glaubensbekenntnis, das uns an unsere Wurzeln und an unseren Glauben erinnert. Im Osterruf: „Christus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden“ vergewissern wir uns gegenseitig, dass der Tod nicht für immer ist. Auf dem Tod folgt das Leben. Ostern zeigt uns Bilder, die Hoffnung machen, die gesamte Schöpfung stimmt in den Jubelruf ein. Ostern ist das ganz große Fest des Lebens.
Lied
„Erstanden ist der heilig Christ“ (EG 105)