Ehre für GOTT

Gottes Reich ereignet sich in dem, was die tun, die Jesus nachfolgen

Predigttext: Lukas 19, 37-40 (mit Einführung)
Kirche / Ort: Trinitatis-Gemeinde / Karlsruhe-Durlach
Datum: 02.05.2021
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Predigttext: Lukas 19, 37-40 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Einführung

Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben hat es noch mal vor Augen geführt: in Krisenzeiten sind zwar auch Wohlhabende betroffen, doch sie können in der Regel Krisen besser abfedern. In Indien kämpfen die Krankenhäuser um das Überleben ihrer Patienten, während indische Spezialisten den weltweiten digitalen Markt am Laufen halten. Im Mittelmeer, dem „mare nostrum“, unserem (!) Meer, ertrinken afrikanische Menschen. Die Caritas erwartet einen immensen Anstieg in den Beratungsstellen bei Verschuldung. Gott sei’s geklagt.

Zugleich: in allen unseren Pfarreien halten Dutzende von Ehrenamtlichen Kontakt zu Menschen, um der Vereinsamung entgegenzutreten. Ein Benediktinermönch von Münsterschwarzach ist bereit, für Kirchenasyl Bestrafung auf sich zu nehmen. Aus der kirchlichen Jugendarbeit heraus engagieren sich junge Menschen im Klimaschutz, in politischer Arbeit, geben Kindern Nachhilfe und gute Begleitung, damit die nicht in den Zeiten der Pandemie den Anschluss verlieren. Gott sei Lob und Dank.

So vertraut die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem zunächst scheint, soviel lukanisches Sondergut ist hier spezifisch eingesetzt; spezifisch verwendet durch den Evangelisten der Armen, durch jenen Evangelisten, bei dem immer wieder das Gebet (vielfach in unsere Lieder und Liturgiebestände eingewandert) allenthalben eine besondere Rolle spielt und bei dem der Zusammenhang mit alttestamentlichen Bezügen besonders fest gewebt ist. Die Fülle der Anspielungen ist in einer Predigt gar nicht aufzunehmen (sondern möglicherweise in einem Bibelgespräch, zum Friedenssonntag oder in der nächsten Passionszeit weiterzuführen).

In den aktuellen „Predigtmeditationen im christlich-jüdischen Kontext“ zur Perikopenreihe III hat nicht nur Michala Will Lk 19, 37-40, den Text für Kantate, umfassend ausgelegt (S.216-221). Zu Recht macht sie die verschiedenen Gestalten des Liedes an Kantate fest. „Die Klage erdet das Gotteslob, weil die eigene Not, die Not anderer und die Not der Mitwelt nicht verschwiegen werden müssen“ (221). Sie zitiert im Übrigen ausführlich auch Luzia Sutter Rehmann, deren Vortrag zu Lk 19,40 leicht im Netz zu finden ist: https://www.eaberlin.de/aktuelles/2019/nachbericht-zur-sommerakademie/wenn-sie-schweigen-werden-die-steine-schreien-luzia-sutter-rehmann-2019.pdf, abgerufen am 27.04.2021, 19.03 Uhr.

Im gleichen Band der Predigtmeditationen bearbeitet die Susanne Talarbardon, Professorin für Judaistik, den im Bild des Einzugs zitierten Prophetentext Sacharja 9, 9-10 (S.iV-Vii). „Das Nachdenken über eine Herrschaftsform, die ein gutes Leben ermöglicht, prägt Sach 9-14“ (so Talarbadon, VI) und viele andere biblische Abschnitte. „Und wenn schon ein König derart vehement auf Solidarität, Gerechtigkeit und die Armen gewiesen ist – dann demokratisch gewählte Machthaber: um wieviel mehr!“ (Dieselbe, Vii).

Lieder

„Ich lobe meinen Gott“ (EG 272, im Gotteslob findet sich eine weitere christologische Strophe).
„Komm in unsre stolze Welt“ (428)
„Holz auf Jesu Schulter“ (97)

Psalmgebet

Psalm 33, 16 ff; Psalm 72.

 

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                                                                                                                                                                                                           Lasst die Lieder nicht den Steinen

Die meisten von uns haben lange nicht mehr gesungen, jedenfalls nicht gemeinsam im Gottesdienst. Aber gehört haben wir Lieder, auch in den zurückliegenden Coronamonaten. Vertraute Lieder der Weihnachtszeit, erwartungsvolle im Advent, fröhliche an Ostern, klagende am Buß- und Bettag und in der Passionszeit. Wir haben Radio gehört, songs auf spotify, youtube oder wo auch immer. Zu Beginn der Coronazeit haben viele Lieder gespielt aus den Fenstern und von Balkonen. Das waren – wie viele Oster- und andere Lieder auch – in gewisser Weise auch Protestlieder: gegen Tod, gegen Übermacht von Depression und Tatenlosigkeit, gegen das Eingesperrtsein, gegen die Angst.

I.

Heute also feiern wir Sonntag Kantate, den Sonntag vom Singen, singen in österlicher Zeit. Wobei das biblische Wort zur Predigt noch einmal eine vorösterliche Szene aufnimmt: Jesu Einzug in Jerusalem, so, wie der Evangelist Lukas ihn beschreibt, Lukas 19, 37-40:

Und als er schon nahe am Abhang des Ölbergs war, fing die ganze Menge der Jünger an, mit Freuden Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Taten, die sie gesehen hatten, und sprachen: Gelobt sei, der da kommt, der König, in dem Namen des Herrn! Friede sei im Himmel und Ehre in der Höhe! Und einige von den Pharisäern in der Menge sprachen zu ihm: Meister, weise doch deine Jünger zurecht! Er antwortete und sprach: Ich sage euch: Wenn diese schweigen werden, so werden die Steine schreien.

Mit einem Demonstrationszug, einem Polithappening, kommt Jesus in Jerusalem an. In einem von Kriegsleuten, römischen Soldaten, Wachleuten und Offizieren zu den Feiertagen vollgestopften Jerusalem. Wir dürfen uns die Stimmung brodelnd und aufgeheizt vorstellen. Viele rechnen in ihrer Not, in großer Hoffnung, offenbar damit (vgl. Lukas 19,11), dass das Reich Gottes nun unmittelbar anbricht. Da lässt Jesus zwei seiner Schüler ein Eselsfüllen holen, ein junges, ungebrochenes Tier, zart und eigenwillig. Jesus hält kein Schild hoch, trägt kein Transparent bei dieser Demonstration. Und doch ist für viele erkennbar: das Prophetenzitat aus dem Sacharjabuch (9,9-10): „Siehe, dein König wird dir kommen: gerecht, der Hilfe erfahren hat. Armselig ist er, auf einem Esel reitend und auf Hengstfohlen von Eselinnen.“ (zitiert nach Susanne Talarbadon, v).

Ich stelle mir vor; die Bewacher an den Straßenrändern spüren deutlich, dass sie nicht alles mitbekommen, was sich da ereignet, dass sie nicht entschlüsseln können, was sich tut. Wie wenn sie einem fremdsprachigen Graffiti gegenüberstehen, einer fremden Zeichensprache. Die Schüler Jesu – und jetzt sind es anscheinend nicht nur die Zwölf, sondern eine Menge, viele, die sich zu Jesus und seiner Schule zählen – die alle aber verstehen! Sie haben sozusagen die Zeichen-Predigt gehört, entschlüsselt, verstanden; loben jetzt Gott, jubeln und freuen sich über den, „der Wunder tut, Heil schafft mit seiner Rechten“ (Ps 98,1, uns das Wort für die Woche). Begrüßen sie doch den einziehenden König, der Gottes Hilfe schon erfahren hat, der mit Gottes Hilfe kommt und nahe ist. Nahe den Armen und Benachteiligten, nahe denen, die unter der Bedrohung des Krieges leiden, nahe den Leuten auf der Straße, nahe dem zerrissenen Jerusalem. Und die Jünger loben Gott, der Jesus seine Hilfe hat zukommen lassen und durch Jesus den Menschen, loben Gott, in dessen Namen und Auftrag Jesus kommt, ein König an der Seite der Armen, solidarisch, anteilnehmend.

Friede im Himmel, rufen sie. In der Lutherübersetzung heißt es: Friede sei im Himmel. Im Hebräischen aber gibt es das Wort „sein“ nicht. Es gibt nicht „ist“ und es gibt nicht „möge sein“. All das muss in Gedanken jeweils ergänzt werden. Ich bin überzeugt, es geht hier nicht um den Wunsch, dass Friede im Himmel sei. Sondern um die Feststellung: Im Himmel ist Friede.  Ehre in der Höhe, Ehre für Gott. Sie rufen fast wie die Engel in der Weihnachtsgeschichte. Die aber hatten immerhin noch auf Frieden auf Erden bestanden oder wenigstens drauf gehofft. Friede im Himmel, Ehre in der Höhe – ist das nun nicht selbstverständlich? Wie sollte man sich denn Streit im Himmel vorstellen?

II.

Denken wir daran: Das politische System außen herum verspricht natürlich die Pax Romana, den Römischen Frieden. Gut für Rom. Nicht immer gut für die Menschen in Roms Provinzen. Und Rom erwartet Ehre und Ehrerbietung gegenüber dem Kaiser. Und nun schreien diese Jesusleute, dass der Friede im Himmel ist und eben nicht in Jerusalem. Der Friede ist im Himmel – und hier auf Erden warten sie immer noch auf den Frieden. Und sie rufen, dass Gott die Ehre gehört. Und wenn man dem Kaiser gibt, was dem Kaiser gehört (Lk 20,20), so gehört dazu eben nicht göttliche Ehre. Und vom Frieden auf Erden schweigen sie lauthals. Und bejubeln stattdessen den, der da kommt mit dem Stallgeruch des Himmels.

In der Menge stehen einige Pharisäer, die verstehen offenbar sehr gut. Die kennen die Schrift. Und sie kennen die politische Lage, die ganz schnell gefährlich werden kann, wenn mit der Prophetenstelle Jesus offenbar drauf angespielt, dass Gott Reiterei und Pferde herausschneidet aus Jerusalem. Den Kriegsbogen herausschneidet, wie man im PC mit dem Symbol der Schere ein Stück während sein Gesandter den Völkern Frieden zuspricht. „Zurück“, sagen die Pharisäer. „Weise deine Jünger zurecht“, wenden sie sich an Jesus. „Mach rückgängig, lösche, was du mit Esel und Armut und Einzug in die Welt gesetzt hast.“

Jesus fällt den Seinen nicht in den Rücken. Er steht hinter ihnen, er steht ihnen bei. Würden sie schweigen, würden die Steine werden an ihrer Stelle schreien. Als sie schweigen, schreien die Steine. Die Steine, von denen Lukas keine fünf Verse später berichtet, dass sie nicht aufeinander bleiben.  Weil sie grade eine Generation später, in der Katastrophe des Jahres 70 nach der christlichen Zeitrechnung, im Jahr 823 nach römischer Zeitrechnung, auseinanderbrechen, fallen, kippen, krachen, stürzen, vom Brand gesprengt und verheert werden.

Jesus klagt um Jerusalem, um die Stadt, um ihre Menschen. Und wie er klagen die Steine. Noch singen die Jünger das Protestlied für den Frieden. Ein Loblied für Gott. Eine Klage um Jerusalem. Ein Bittlied zugunsten der Armen. Hoffnung angesichts eines Königs, der sich um Gottes willen dem Frieden und der Gerechtigkeit verpflichtet sieht, der Armut und der Respekt noch gegenüber der Kreatur.

III.

Lukas, der Evangelist, mahnt an:  Gottes Reich ereignet sich in dem, was die tun, die Jesus nachfolgen. Zum Lobe Gottes. Für die Menschen. Für die Armen auf Erden. Wenn sie dem Frieden und Ausgleich und der Gerechtigkeit einen Weg bereiten.

So also lasst uns also klagen. Um die Armen, die den Katastrophen so wenig entgegensetzen können. Um die Sterbenden und Toten. Wegen des Unfriedens in dieser Welt. Wegen der Kinder, deren Zukunft so eingeschränkt ist. Lasst uns Protestlieder singen gegen Lebensverhältnisse, die Menschen dazu nötigen, ihr Leben auf der Flucht auf Spiel zu setzen.

Und lasst uns Gott loben!
Für alle, die sich für Frieden einsetzen.
Für alle, die Widerspruch einlegen,
wenn neben ihnen jemand beleidigt wird
wegen Hautfarbe oder Geschlecht.
Wegen seines Glaubens oder seiner Herkunft.
Lasst uns Gott loben
für alle, die sich einsetzen für die Schwachen in unserer Gesellschaft,
in unserer Welt.
Lasst uns Gott loben
für alle, die in unserer Gemeinde die Gemeinschaft stärken,
gegenseitige Verbundenheit über Stille und Einsamkeit hinweg.
Für alle, die politische Verantwortung auf sich nehmen.
Für die, die dabei ehrlich bleiben, ja, sogar Anfeindung auf sich nehmen.
Lasst uns Gott loben für all die.
Dass nicht erst die Steine rufen.
Und nicht erst Zerstörung mahnt.
Sondern wir Klage und Lob, Dank und Bitte vor Gott bringen.
Heute, am Sonntag Kantate und immer wieder.

 

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Ein Kommentar zu “Ehre für GOTT

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Mit dem Einzug Jesu in Jerusalem feiern wir in diesem Jahr den Freudensonntag Kantate . Die Jünger und viele Zuschauer erwarten den Einzug des Messias in unsere Welt: Friede im Himmel und auf Erden und nicht nur “römischen Frieden” . Die Jünger sollen schweigen, aber Jesus fällt seine Jüngern nicht in den Rücken. Mit einer kurzen Klage und einem schönen Loblied auf Gott endet die sehr vertändliche und anrührende und erfreuende Predigt von Pfarrerin Busch-Wagner . Etwas überraschend ist ja, dass als Predigttext von unserer Kirche auf ein vorösterliches Ereignis zurückgegriffen wird. Aber mit dieser Predigt kann man fröhlich und getrost Kantate feiern und Gott mit Gesang loben und preisen und dabei spüren, wie lobende Kirchenmusik uns an Körper und Seele anrührt und erhebt zu Gott und heilt.

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