Energie, Mut, Vertrauen – und Freude auch

Das Wort vom Kreuz bleibt Herausforderung auch für die Frömmsten

Predigttext: 1. Korinther 1, 18-25 (mit Einführung)
Kirche / Ort: Gersbach und Fahrnau b. 79650 Schopfheim
Datum: 04.07.2021
Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrerin Ulrike Krumm

Predigttext: 1. Korinther 1, 18-25 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.
19 Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.«
20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?
21 Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben.
22 Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit,
23 wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit;
24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.
25 Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.

Exegetische und homiletische Einführung zum Predigttext

Es gibt Spaltungen in der korinthischen Gemeinde. Verschiedene Menschen taufen und sammeln den Kreis „Ihrer“ Getauften hinter sich. Paulus verweigert sich dieser Praxis. Sie passt nicht zum Wort vom Kreuz. Wer bei der Verkündigung nach dem Maß der Klugheit urteilt, verpackt den Inhalt in eine falsche Form und verblendet ihn so.

Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit – in den Augen derer, die nach diesen menschlichen Maßstäben urteilen. Paulus charakterisiert nicht, sondern beschreibt ein Urteil. Besonders empfänglich sind dagegen die, die das Wort ungefiltert in sich einwirken lassen und keine eigenen Ziele verfolgen. Sie erleben es als Gottes Kraft. Es wirkt aus sich selbst. Allerdings ist das Wort vom Kreuz auch denen, die nicht nach Weisheit fragen, nicht automatisch Gottes Kraft. Sondern es kann Gottes Kraft werden! Paulus schreibt seinen Brief nur an Getaufte, nicht an „die anderen“. Das Wort vom Kreuz bleibt Herausforderung auch für die Frömmsten!

Etwas von dieser Kraft zu spüren heißt für Paulus „Gott erkennen“ und „selig werden“. Gott hat die Weisheit der Welt in dem Sinne zur Torheit gemacht, dass sie hierzu nicht taugt. Sie taugt nicht, weil der Mensch auf dem Weg der Weltweisheit immer wieder nur bei sich selber landet. Gott aber will als Gott erkannt werden! Darum hat er nicht irgend etwas gegen die Weisheit der Welt gesetzt, sondern das krasse Gegenteil: die Torheit der Predigt. Die Behauptung, im Tod läge Leben und in Schwäche läge Stärke. Keine alternative Weisheit, sondern ein Ärgernis. Menschen müssen stolpern, sich ärgern und in ihren Normen durcheinander gebracht werden, damit sie merken, dass Kraft, Erkenntnis und Seligkeit auf einem anderen Weg liegen.

Die Juden fordern „Zeichen“ (sämeia), die der johanneische Jesus – aber nicht nur er - ja durchaus gibt. Zeichen sind das Sichtbare, das auf eine unsichtbare Wirklichkeit schließen lässt: unsere Sakramente gehören dazu. Die Griechen suchen Weisheit – das ist ihre Form von Seligkeit: die Welt und das Leben verstehen. „Juden“ und „Griechen“ in diesem Sinne findet man auch bei uns, in jeder christlichen Gemeinde. Gehöre ich nicht selbst auch dazu?

Letztlich geht es darum, das Kreuz auszuhalten – das unbeschreiblich Schreckliche. Und mit dem Kreuz alles andere, was wir auch nicht verstehen und haben wollen. Was wir mit Gott einfach nicht in Verbindung bringen können. Es geht um die Theodizee. Aber nicht nur das. Das Unverstandene und nicht Gewollte ist nicht Gottes „Ausrutscher“ neben all dem Schönen, wovon es sich gut reden lässt. Sondern der Jesus, der Kinder zu sich ruft, ist genau der, der am Kreuz hängt.

Die Frage, „warum Gott das zulässt“, würde Paulus wohl als Frage der „Weltweisen“ definieren. Denn sie distanziert. Die Kraft, die selig macht, ist die Gnade, Gottes Präsenz, ja Gottes Einstimmung in das Sinnlose glauben zu können. Andersherum: Gott erreicht uns nur, wenn wir unsere Hilflosigkeit gnadenlos aushalten. Genau so, sagt Paulus, schenkt Gott das, was wir eigentlich am dringendsten brauchen: Kraft. Dynamis. Energie, Mut, Vertrauen – und Freude auch.

In einem meiner Gottesdienste taufe ich das Kind kirchennaher Eltern. Es wird spannend, die Taufe mit dieser Thematik in Verbindung zu bringen.

 

 

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Zur Zeit werden viele Taufen gefeiert. Und Trauungen. Menschen wollen wieder feiern – auch in der Kirche. Feiern ist ein Zeichen von Normalität. Von Triumph auch, und von Erleichterung: Wir haben es geschafft. Wir können wieder unser eigenes Leben leben. Wenigstens fürs erste. Ein Fest ist ein Zeichen dafür. Sichtbar und fühlbar. Unter den vielen Festen sind eben auch Taufen. Auch die Taufe spendet ein sichtbares und fühlbares Zeichen. Wasser als Zeichen von Gott. Schutz und Segen fließen in das Leben eines Kindes hinein. Darum wird ja gegossen, darum muss das Wasser fließen, weil Schutz und Segen von oben kommen. Man braucht das gar nicht groß erklären. Man spürt es auch so.

I.

In den Gesprächen, in denen ich eine Taufe vorbereite, kostet es mich immer eine gewisse Überwindung, auch von der anderen Seite des Wassers zu reden: vom Wasser als Zeichen des Todes, in dem wir untergehen wie in einem tiefen See. Die Freude über die glückliche Geburt eines Kindes will ich doch nicht trüben! Ich ertappe mich dabei, wie ich fast entschuldigend anfange davon zu reden: Sie wissen ja, früher hat man Menschen in der Taufe ganz untergetaucht. Damit hat man sozusagen die Erfahrung des Todes vorweg genommen – und durch das Herausheben die Hoffnung auf Rettung. Ja, früher. Aber die Zeiten haben sich geändert, zum Glück.

Haben sie das wirklich? Noch immer ist Leben nicht unbedroht. Noch immer werden Kinder geboren, die eine angeborene schwere Krankheit oder Behinderung haben. Aber nur ganz selten sind schon Eltern solcher Kinder zu mir gekommen und haben um die Taufe gebeten. Warum? Gibt es da nichts zu feiern? Schämen sie sich? Aber was feiern wir denn in der Taufe? Feiern wir das Sichtbare, das süße Kind, das neu geschenkte Leben? Oder feiern wir das Unsichtbare, das hörbar wird in der Verheißung: Fürchte dich nicht! Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, weil es ja doch einiges zu fürchten gibt im Leben, und vieles, was der Erlösung bedarf.

Aber das, was es zu fürchten gibt, das kommt beim Tauffest möglichst nicht vor. Die Schattenseiten – ja, wir wissen, die gibt es, aber die wollen wir heute doch lieber ausblenden. Gesundheit und Glück wollen wir dem Kind wünschen, wie die guten Feen im Märchen von Dornröschen. Ich freue mich, wenn die Familie eines Kindes sich mit guten Wünschen im Taufgottesdienst beteiligt. Könnte nicht auch einer dieser Wünsche lauten, in Schwierigkeiten das Vertrauen nicht zu verlieren? Oder wäre das schon wie der Wunsch einer bösen Fee? Aber zumindest die Eltern wissen ja um die dunklen Seiten im Leben sehr gut, wenn sie für ihr Kind Taufsprüche auswählen, die es mit Beschützen und Behüten zu tun haben.

Dieses Beschützen und Behüten hat nichts mit Ausblenden und Wegzaubern zu tun. Sondern es trifft den Kern der Taufe! Denn worum geht es denn in diesem sichtbaren Zeichen? Um Dank für das Wunder des Lebens, um Willkommen in der Gemeinde … ja um all das. Aber im Kern geht es darum, dass ein Mensch Christ wird! Dass dieses kleine Kind an dem Heil teilhaben  soll, das Gott uns durch Jesus Christus schenkt. In der Taufe geht es wirklich um den Kern der Sache! Taufe bringt Christsein auf den Punkt und fordert uns auf, auf den Punkt zu kommen. Und was ist dieser Punkt? Paulus sagt es im ersten Korintherbrief. Er sagt es sehr drastisch und weiß, dass er sich nicht unbedingt Freunde damit machen wird: Der Punkt ist: das Wort vom Kreuz.

(Lesung des Predigttextes)

In Korinth wurde auch getauft. Und es war ähnlich wie bei uns heute. In größeren Städten oder Regionen haben die Menschen die Auswahl. Bei wem ist die Kirche schöner, wer gestaltet die Taufe persönlicher, wer hat die angenehmeren Gottesdienstzeiten? Bei dem oder der lassen wir unser Kind taufen, egal wo wir selber wohnen. In Korinth gab es auch mehrere Menschen, die Taufen vollzogen, und die Getauften waren sozusagen ihre Anhänger und versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen. Paulus aber sagt: Das wichtigste ist nicht, welchen Pfarrer die Menschen gut finden, sondern worauf sie sich bei der Taufe einlassen. Hinter der Taufe steht die Verkündigung, die Predigt einer Botschaft. Auf die kommt es an, sagt Paulus, und ich bin froh, dass ich nur predige und nicht selber taufe. Diese Botschaft aber ist sperrig. Diese Botschaft ist das Wort vom Kreuz. Wir predigen Christus, sagt Paulus, und das ist dasselbe wie: Wir predigen das Wort vom Kreuz. Wenn ich von Jesus rede, muss ich immer mitdenken, dass er gekreuzigt wurde.

 II.

Das Kreuz ist kein Ausrutscher. Das wissen wir ja auch. Und was ist daran so schlimm – außer dass es natürlich traurig ist, wenn ein guter Mensch unschuldig stirbt? Schlimm daran ist, dass in diesem guten Menschen Gott war. Dass die Welt an Karfreitag Gott zugrunde richtete. Dass Gott unterging in der Welt. Dass er also offenbar machtlos ist. Und dass er darum auch dem ganzen Unheil, mit dem wir es zu tun haben, nichts entgegen setzen kann. Wo ist Gott, fragen wir, und wie kann Gott das zulassen? Das Wort vom Kreuz sagt: Gott hat gar nichts zuzulassen. Weil Gott nicht über diesem Unheil steht, sondern selbst darin untergeht – untergegangen ist am Kreuz! Das ist so hart, dass es fast unerträglich zu hören ist. Es wäre viel leichter, von Gott zu denken: Ach, das meiste, das macht er doch ganz gut – nur an manchen Stellen gibt es halt auch bei Gott Ausrutscher, es kann einem ja nicht alles glücken … Dumm nur, wenn diese Ausrutscher uns selber betreffen. Das Wort vom Kreuz sagt: Aber das kann durchaus sein, dass diese Ausrutscher euch selber treffen. Und das wird so sein, wenn der Tod kommt. Gott sagt: Wenn ihr mich finden und erkennen wollt, dann dürft ihr um diese Ausrutscher keinen Bogen machen. Sondern dann bin ich genau da! Dann müsst ihr mich genau da suchen!

Nein, so eine Botschaft wollen wir einem Kind und seinen glücklichen Eltern nicht zumuten. Und vielleicht ist im Taufgottesdienst auch nicht der richtige Ort dafür. Aber im Hinterkopf müssen wir sie haben, denn die Taufe geht ja weiter und das Kind wird groß und erkennt mehr und mehr. Und dann wollen wir ja auch noch Antworten wissen für das Kind und seine Eltern – Antworten und vor allem Hoffnung!

III.

Kraft, die selig macht. Hoffnung finden wir tatsächlich auch bei Paulus, und zwar gewaltig. Er spricht nicht von Glück und Segen, aber von Kraft. Uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft, sagt Paulus über das Wort vom Kreuz, und am Schluss noch einmal: Wir predigen Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Kraft daraus, in den Abgrund zu blicken? Kraft gerade im Angesicht dessen, was wir nicht begreifen in seiner Schrecklichkeit? Damit auch Zuversicht, Hoffnung, Freude? Ja, sagt Paulus. So paradox es klingt – aber gerade das was schwach macht, macht stark. Oder besser: In dem was schwach macht, macht Gott euch stark! Die Kraft die er schenkt ist die Kraft des Glaubens. Die Kraft, die eigenes Schwachsein aushalten hilft, weil sie glaubt, dass Gott da ist. Unser Leben bleibt bedroht. Aber wenn wir Gott nur machen lassen – oder: wenn wir nur Gott machen lassen! – wird in allen unseren Karfreitagen ein Ostern sein. Wir müssen vom Kreuz reden, damit wir an diese Kraft von Ostern glauben lernen. 

 

 

 

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