“Weltethos”
Die Welt, ein symphonischer Klangraum für Alles, was gut ist und gut tut
Predigttext: Römer 10,9-17(18), Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017
9Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. 10Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. 11Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« 12Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. 13Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden« (Joel 3,5). 14Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? 15Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!« 16Aber nicht alle waren dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubte unserm Predigen?« 17So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi. 18Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Ps 19,5).
Eingangsgebet (nach Bibelstellen und Liedstrophe)
Gott, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege.
Was du sprichst, ist wahr, und was du tust, ist klar.
Deine Gebote lehren uns den Weg, der zum Leben führt.
Es ist uns gesagt, was gut ist, und was du bei uns suchst.
Aber wie oft höre ich darauf. Ich danke dir mit Allen, die nach dir fragen, für all das Gute, mit dem du uns durch Jesus Christus beschenkt hast.
Mit deinem Volk auf der ganzen Welt bitte ich dich:
Öffne uns auch heute und an jedem neuen Tag Ohren und Augen, Herz und Mund für dein Leben schaffendes Wort und dein Tun.
Stärke unsere Hände und Füße für Wege des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung. Im Namen Jesu rufen wir zu dir: Kyrie eleison.
Segen (nach Gerhard Engelsberger, Gebete für den Gottesdienst, Stuttgart, Zürich 2002, S. 244)
Der ewige Gott gebe Flügel deinen Gedanken, Hände deinen Worten, Füße deinen Träumen, Liebe deinem Tun, Maß deinen Zielen. Gott schenke dir ein Lächeln lang das Vertrauen eines Kindes. So segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Lieder
"Ich singe dir mit Herz und Mund" (EG 324)
"Gott liebt diese Welt" (409)
"Such, wer da will, ein ander Ziel" (346)
157 ("Lass mich dein sein und bleiben" (157)
Wochspruch
Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. 1. Johannes 5,4c
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In memoriam Professor Dr. Dr. h. c. mult. Hans Küng, *19. März 1928, † 6. April 2021
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Gute Nachricht
Eine gute Nachricht tut gut. Wer sie überbringt, ist willkommen. Der Apostel Paulus sagt es mit Worten aus der Bibel: „Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen“. Es ist ihnen förmlich anzusehen, wenn sie sich mit einer guten Nachricht auf den Weg begeben. Ihr Schritt wird größer und schneller. Sie eilen leichten Fußes, damit sie den richtigen Augenblick in Raum und Zeit nicht verpassen. Viele warten auf sie. Sie hoffen auf die gute Nachricht, das entsprechende lateinische Wort heißt „Evangelium“.
Evangelium
So manches gute Wort, mancher Augen-Blick und gewöhnlich Alltägliches werden unversehens zum Evangelium. Gute Erfahrungen beflügeln. Sie tragen in schwierigen Lebenssituationen. Sie helfen in Auseinandersetzungen über existenzielle Fragen zu Leben und Lebenssinn, Religion und Glauben. Sie verleihen Kraft, unterschiedliche Positionen miteinander zu verbinden. Hören und der Wille zur Verständigung schaffen dafür gute Voraussetzungen. Ein Beispiel dafür gibt der Predigttext, ein Ausschnitt aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom.
(Lesung des Predigttextes)
Standpunkte
Paulus stellt sich, wie der Zusammenhang (in Kap. 9-11) zeigt, einer Diskussion, in der scheinbar unüberwindliche Standpunkte gegeneinander stehen: hier das biblische Gottesvolk Israel, dort die jungen christlichen Gemeinden, die aus seiner Mitte entstanden sind. Dazu kamen noch Menschen aus nichtjüdischen Regionen, „Griechen“, wie sie allgemein genannt wurden. Trat ein neues Gottesvolk an die Stelle des bisherigen, und bildete es jetzt das wahre Israel? Die Kirche, das neue Gottesvolk, welches das alte ablöst? Die Einen verstoßen und verloren, die Anderen gerettet? Paulus widerspricht einer solchen Auffassung ebenso heftig wie leidenschaftlich und bekräftigt:
„Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen“ (V. 12). Ein Plädoyer, diesem Herrn gemeinsam Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Einladung, die guten Botschafterinnen und Botschafter, willkommen zu heißen. Er diskutiert heftig mit der jungen Gemeinde und argumentiert bewusst aus der ihnen bekannten Heiligen Schrift. In dem kurzen Briefausschnitt unseres Predigttextes bezieht er sich auf nicht weniger als sechs Bibelstellen. Damit belegt er, dass Gott sein Volk keineswegs verstoßen hat. Das Ostergeschehen brachte ohne Ausnahme für Alle die Wende. Eine neue Perspektive. Dreimal gebraucht Paulus dafür das Wort „retten“ im Zusammenhang mit glauben, bekennen und der Anrufung im Gebet („wenn du in deinem Herzen glaubst – mit dem Munde bekennst – den Namen des Herrn anrufst …“).
Was meint Paulus, wenn er von Rettung spricht? Wir kennen in unserem Leben so etwas wie Rettungsmomente. Denken wir an die Genesung von einer schweren (Virus/Covid 19-) Erkrankung, die Erfindung rettender Impfstoffe, die Versöhnung in einer Beziehung, die Verständigung verfeindeter Nationen. Die Rettung, von der Paulus schreibt, geht weit über solche Erfahrungen hinaus, sie liegt in der Zukunft, denn er verwendet das Futur: „so wirst du gerettet werden“. Meint Paulus so etwas wie „Seelenrettung“ oder „Seligkeit“, die über dieses Leben hinaus weist, ins „ewige Leben“? Dass ich nicht in die Irre laufe, mich verliere, mein Leben verfehle und nicht „vergebens hier auf Erden bin“?
Lied 168 „Hilf, Herr, meines Lebens“
Spricht Paulus darum von einem rettenden Glauben und Bekennen? Aber wie kommt es überhaupt zu diesem Glauben? Die Frage ist ihm wichtig. Seine Antwort findet er beim Propheten Jesaja. Solcher Glaube kommt aus der Predigt, wörtlich übersetzt: aus dem Hören. Die Predigt will mein Ohr erreichen und von dort mein Herz. Im biblischen Sprachgebrauch bedeutet „Herz“ nicht nur Gefühl. Von ihm gehen Vernunft und Wille aus und die Motive für Reden und Handeln. Der ganze Mensch ist einbezogen. Umso mehr kommt es auf intensives und auf Wahrheit bedachtes Hören an. Hören ist bekanntlich ein komplexes Geschehen. Ich kann hören und doch nicht verstehen, kann mit offenen Ohren taub sein für das, was mir gut täte. Darum braucht mein Hören ein selbstkritisches Rückfragen und genauso ein Infragestellen durch Andere. In gleicher Weise der Glaube, wenn er aus dem Hören kommt. „Haben sie nicht gehört“, fragte der Apostel seine damaligen Adressaten. Ist seine Frage heute weniger aktuell? Habe ich wirklich gehört? Ist mein Glaube lernbereit? Paulus lehrt mich, nicht blind zu glauben, sondern meine Fragen und Zweifel mit wacher Vernunft einzubeziehen.
Nötige Unterscheidungen?
In der Begeisterung für ihre neue Erfahrung und Erkenntnis mit Jesus gerieten die jungen Gemeinden in Gefahr, ihre Wurzeln im Gottesvolk Israel und seiner Religion zu vergessen. Fromme Überheblichkeit riss ein. Darum der leidenschaftliche Einwand des Apostels: „Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen …“. Es gibt zwar Unterscheidungen, die für ein gutes Leben und Zusammenleben nötig sind. Hat nicht Gott im Anfang das Licht von der Finsternis geschieden? Ein Leben lang gilt es zu unterscheiden zwischen Gut und Böse, Recht und Unrecht, zwischen Nachrichten aus verlässlichen Quellen und gezielt desinformierenden „Fake News“. In alledem ist unsere Fähigkeit zu unterscheiden gefragt. Aber es gibt auch die unnötigen und zu vermeidenden Unterscheidungen, die lebens- und gemeinschaftsfeindlich sind, und diese sind es, denen Paulus so vehement widerspricht und das Gespräch darüber sucht. „Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.“ Ein Herr, der die scheinbar unvereinbaren Menschen und Völker vereint. „Herr“ ist die griechische Übersetzung des Begriffes „Kyrios“. „Jesus der Herr“ ist das kürzeste Glaubensbekenntnis. Er ist eins mit dem Einen, den sein Volk schon vor ihm mit dem Namen Kyrios anrief.
„Jesus, der Kyrios“ war für damalige Ohren im römischen Reich ein politisch kritisches und darum gefährliches Bekenntnis, denn damit wurde dem römischen Kaiser der Kyrios-Titel abgesprochen und auf Jesus übertragen. Wieviele Machthaber spielen sich heute als „Herren“ auf, fordern ihre Herrschaft mit brutalter Gewalt ein, treten Menschrechte mit Füßen, die alles andere als „lieblich“ sind. Aber gegen jene selbsternannten Herren steht der wahre Kyrios, er geht auf die Menschen einfühlsam zu. Das Gute anzukündigen und sie auf heilsamen Wegen in eine gute Zukunft zu führen, ist seine Mission. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, hat Menschenmacht und sogar die Macht des Todes gebrochen. „Christ‘, der Retter ist da“. Dazu passt der Wochenspruch mit seinem Bekenntnis: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat“ (1. Johannes 5,4c). Unser, nicht mein Glaube allein, ein kommunikativer und hörender Glaube. Niemand sieht auf den Anderen herab.
Symphonischer Klangraum
Hochmut, Feindschaft in und unter den Religionen haben bis heute blutige Spuren hinterlassen, leider auch in der Geschichte unserer Kirche. Gott sei es geklagt. Kyrie, eleison. Bis heute erleiden jüdische Gemeinden Hass und Gewalt, auch in unserem Land, aus dem sie vertrieben und zu Millionen ermordet wurden. Christe, eleison. Christliche Gemeinden haben ihre älteren Schwestern und Brüder vergessen. Kyrie eleison. Zwei Drittel unserer Bibel haben wir aus ihren Händen. Wir schöpfen daraus unsere christlichen Gottes- und Glaubensvorstellungen. Paulus argumentiert mit Worten aus dieser Bibel. Wir hören daraus in jedem Gottesdienst und beten mit Worten der Psalmen. Es ist ja „in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt“, heißt es in dem Psalm, auf den Paulus in dem Briefausschnitt verweist (Psalm 19,5).
Die Welt, ein symphonischer Klangraum für Alles, was gut ist und gut tut. Menschen in ihren abertausend Nöten glauben und vertrauen der rettenden Botschaft. Wer sich nach Liebe sehnt, nach Anerkennung in der Schule und Arbeitswelt, nach beruflichem Durchbruch oder nach einem schon lange erwarteten Kind, ruft den Namen des Kyrios an. In unserer Sehnsucht nach Frieden öffnen wir den Mund und bekennen uns zu dem Gott Jesu, der den Kriegen wehrt, die Armut besiegt und Gerechtigkeit in die Welt bringt. „Kein Friede zwischen den Nationen ohne Friede zwischen den Religionen“, betont Hans Küng in seinem Projekt „Weltethos“. Und Paulus: „Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen“. Gesucht sind auch heute Menschen, die sich bewegen lassen, „mit Herz und Mund“ an das rettend Gute zu erinnern und dazu einladen, das Leben gemeinsam zu gestalten.
(Obige Predigt ist im Septemberheft 2021 der “Pastoralblätter. Predigt-Gottesdienst-Seelsorge-Die Praxis”, 161. Jg., Kreuz Verlag Freiburg 2021, S. 758-762, veröffentlicht und hier für das Heidelberger Predigt-Forum leicht verändert. Heinz Janssen)