Volkstrauertag 2021 – Hoffnung auf gute Zukunft in der einen Welt

Sich mit dem Geist der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens kleiden

Predigttext: 2. Korinther 5,1-10 (mit Einführung)
Kirche / Ort: St. Gertrud Kirche / Lübeck
Datum: 14.11.2021
Kirchenjahr: Vorletzter Sonntag des Kirchenjahres
Autor/in: Pastor Hans-Dieter Krüger

Predigttext: 2. Korinther 5,1-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1 Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, diese Hütte, abgebrochen wird, so haben wir einen Bau, von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.
2 Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden,
3 weil wir dann bekleidet und nicht nackt befunden werden.
4 Denn solange wir in dieser Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir lieber nicht entkleidet, sondern überkleidet werden wollen, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben.
5 Der uns aber dazu bereitet hat, das ist Gott, der uns als Unterpfand den Geist gegeben hat. 6 So sind wir denn allezeit getrost und wissen: Solange wir im Leibe wohnen, weilen wir fern von dem Herrn;
7 denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.
8 Wir sind aber getrost und begehren sehr, den Leib zu verlassen und daheim zu sein bei dem Herrn.
9 Darum setzen wir auch unsre Ehre darein, ob wir daheim sind oder in der Fremde, dass wir ihm wohlgefallen.
10 Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf dass ein jeder empfange nach dem, was er getan hat im Leib, es sei gut oder böse

(Eigene Übertragung H.-D. Krüger)

Denn wir wissen, wenn unser irdisches Haus, diese Leibeshütte, zerbrochen wird, dann haben wir einen Bau von Gott erbaut, ein Haus, nicht irdischer Art von Händen gemacht, sondern ein Haus, das ewig ist im Himmel. Denn darum seufzen wir auch und sehnen uns danach, dass wir mit unserer Behausung, die vom Himmel ist, überkleidet werden, weil wir dann bekleidet und nicht bloß erfunden werden.

Denn solange wir in dieser irdischen Hütte sind, seufzen wir und sind beschwert, weil wir wollen nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, auf dass das Sterbliche würde verschlungen von dem Leben. Und dazu hat uns Gott bereitet und hat uns, damit wir es fassen können, als Unterpfand den Geist gegeben. So sind wir denn allezeit getrost und wissen: solange wir hier im irdischen Leibe wohnen, sind wir noch nicht ganz bei Gott; denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen.

Wir sind aber getrost und haben sogar eines Tages Freude daran, außerhalb des irdischen Leibes zu sein, um ganz daheim zu sein bei dem Herrn. Darum geben wir uns auch Mühe, wir sind daheim oder noch Wanderer in der irdischen Welt, dass wir ihm wohl gefallen. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder empfange, wie er gehandelt hat in seinem irdischen Leben, es sei gut oder böse.  

Vorbemerkungen zum Predigttext

Dieser Text gehört zu den wichtigen Trostworten bei Trauerfeiern, allerdings ohne die Verse 9 und 10. Aber nicht umsonst ist der Predigttext so geschnitten, dass neben den geistlichen Zusagen auch der Anspruch an das Verhalten der Gemeindeglieder zum Ausdruck gebracht wird. Gerade am Volkstrauertag ist die Christenheit aufgerufen, sich mit dem Geist der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens zu kleiden, um damit unsere unruhige, verfeindete und kranke Welt positiv zu beeinflussen. 

Bemerkenswert ist die Empathie des Apostels im Blick auf das Entkleidet werden, wenn er sagt: „Das wollen wir nicht.“ Diesen Gedanken möchte ich inder Predigt unterstreichen, weil viele von uns in einer entsprechenden Lebensphase sind. Das Wort vom Richterstuhl Christi, vor dem wir erscheinen und uns verantworten müssen, ist durchaus beängstigend. Es ist richtig, wenn wir es bei Trauerfeiern nicht zitieren und eine Herausforderung, darauf einzugehen und ihm einen positiven Aspekt abzugewinnen. Interessant ist auch die Andeutung des Apostels, dass es wohl auch ein Handeln der Gläubigen in der Ewigkeit geben wird. 

Da würde die Fortsetzung von Luthers Beichtgebet einen Sinn machen, wenn er Gott bittet, er möge mir „zu meiner Besserung“ seines „Geistes Kraft verleihen“. Das hat bei manchen Auslegern zu tiefsinnigen Überlegungen bis hin zu waghalsigen Spekulationen über die jenseitigen Zustände geführt, worauf ich aber nicht eingehen möchte. Während das „Entkleiden“ gut anschaulich zu machen ist, weil wir es am eigenen Leibe erfahren, sieht es mit dem „Überkleiden“ mit den neuen Gewändern und dem Beziehen des neuen „Hauses“ anders aus. 

Da hat die Bibel viele schöne Bilder, die für den Glauben hilfreich sind, aber für das „Schauen“ schwer zu konkretisieren. So habe ich das Bild vom „Anziehen“ der neuen Kleider mit den Worten des Paulus aus Kolosser 3,12ff  illustriert, was nachvollziehbar und plausibel sein sollte.  

 

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Voller Zuversicht schaut Paulus in die Zukunft. Er weiß zwar, dass sich sein irdisches Leben dem Ende zuneigt, aber davor hat er keine Angst. Im Gegenteil: Er sehnt sich danach, endlich seinem Herrn von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Er ist guten Mutes, wenn es heißt, von dieser Welt Abschied zu nehmen. Ja, er freut sich darauf, endlich das Ziel seines Lebens gefunden zu haben: Daheim zu sein bei seinem Herrn.

I.

Das erinnert mich an einen Freund, der an Lungenfibrose erkrankte. Er wusste, dass seine irdische Zeit begrenzt war. Tapfer ging er diesen schweren Weg. Sein Glaube, seine Zuversicht und seine Hoffnung auf eine gute Zeit in der Ewigkeit waren bis zum Schluss ungebrochen. Er hatte sich gewünscht, dass bei dem Trauergottesdienst sein Bild an seinem Sarg aufgestellt wurde mit der Unterschrift: „Freut euch mit mir, denn ich bin zu Hause.“  

Nicht jeder von uns ist von solchem Glaubensmut beseelt. Und doch gibt es oft den Wunsch, ja eine Sehnsucht nach Erlösung aus dieser Welt, besonders dann, wenn die Lasten von Alter, Krankheit oder schier unsinnigem Leiden zu schwer werden und uns dann nur noch die Bitte bleibt, die Paul Gerhardt in seinem Lied „Befiehl du deine Wege“ in Worte fasste, die wir wie einen Seufzer gen Himmel schicken: „Mach End, o Herr, mach Ende, mit aller unsrer Not!“

II.

Der Apostel ist voller Vorfreude auf das neue Leben in der Ewigkeit, auf den Einzug in das neue „Haus“, das schon fertig gebaut ist, das Anziehen der neuenKleider, die schon bereit liegenDas sind schöne Bilder. Aber er lenkt zugleich unseren Blick auf die traurigen, die betrüblichen, die bitteren Seiten unseres Abschiedes aus dieser Welt. „Wir wollen nicht entkleidet werden“, so sagt er es in seiner ihm eigenen Bildsprache. Dem können wir nur zustimmen. Wir wollen nicht, dass alles in unserem Leben weniger wird. Aber wir können es nicht verhindern

Es gefällt uns nichtund wir seufzen, wenn unsere Kräfte weniger werden, wenn die Leibeshütte zu bröckeln beginnt, wenn wir das eine nach dem andern aufgeben müssen, wenn wir nicht mehr selbständig sein können, wenn der Geist versagtSehen, Hören, Laufen schwierig werden, wenn wir Mitglieder aus unserer Familie verlieren, wenn Freunde uns verlassen. „Wir wollen nicht entkleidet werden“, so fasst Paulus dieses „Weniger-Werden“ zusammen. Es ist tröstlich, dass der große Paulus dafür Worte gefunden hat. 

Er selber musste diese dunklen Täler auch durchleiden: Seine Krankheit, die ihn quälte, die menschlichen Enttäuschungen, die er hinnehmen musste, die theologischen Auseinandersetzungen, die ihm zusetzten, die Anfeindungen, denen er ausgesetzt war, die Verfolgungen, Gefängnisaufenthalte, die ihn zuweilen so zermürbten, dass er keine Lust mehr hatte, zu leben. Da können wir verstehen, dass er immer wieder seufzte und zum Himmel flehte, das alles möge doch bald ein Ende haben. Dennoch ist er seiner Berufung treu geblieben bis zum Schluss. Und wenn er auf seinen Dienst am Evangelium zurückblickte, konnte er sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit.“ (2. Tim. 4,7-8)

III.

Ob wir im Blick auf unsere Lebensleistungen auch zu einem ähnlich positiven Urteil kommen? Paulus mahnt uns als Gemeindeglieder, daran zu denken, dass wir alle vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse.“ (V. 10)

Dieses Wort beunruhigt mich. Und manchen von uns wird es genauso ergehen. Ist das wirklich noch Evangelium oder schon Drohbotschaft? Was habe ich schon Gutes getan, was wirklich zählt? Was würde ich dem ewigen Richter antworten, wenn er auf mein irdisches Leben schaut und Licht und Schatten meines Daseins unter die Lupe nimmt? Ich würde wohl die Zeile aus dem Lied „Stern, auf den ich schaue“ anstimmen: „Nichts hab ich zu bringen, alles Herr bist Du“. (Krummacher, EG 407) Und ich würde kleinlaut Luthers Beichtgebet als mein Bekenntnis vortragen: „Ich armer, elender, sündiger Mensch bekenne dir alle meine Sünde und Missetat, die ich begangen mit Gedanken, Worten und Werken, womit ich dich jemals erzürnt und deine Strafe zeitlich und ewig verdient habe.“ 

Und dann würde ich mich darauf berufen, was der Gottessohn für mich auf Golgatha getan hat, dass ich bitten kann, auch im Blick auf die dunklen Stellen meines Lebens: „Vergib mir meine Sünden und wirf sie hinter dich“ (Herr Jesu, Gnadensonne, Gotter EG 404,2) und würde unter den neuen Kleidern mir das heraussuchen, auf dem das Logo prangt: „Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist mein Schmuck und Ehrenkleid.“ (Zinzendorf EG 350,1)

IV.

Nein, dieser Vers 10, der Jesus Christus als Richter beschreibt, ist nicht die stärkste und gültigste Glaubensaussage des Paulus, auch wenn die Herausgeber der Bibel ihn durch Fettdruck als besonders bedeutsam gekennzeichnet haben. Und dennoch sind die Verse 9 und 10 wichtig, geben sie dem Text doch einen besonderen Akzent: Neben die Worte des Trostes und der Ermutigung im Blick auf die Ewigkeit tritt die Ermahnung und die Erinnerung an den bleibenden Auftrag der Christen, sei es in der sichtbaren Welt, aber auch dort, wo wir in Zukunft einmal sein werden. 

Manches davon können wir schon in unserem zeitlichen Leben in Angriff nehmen. Paulus erwähnt  Kleidungsstücke, in denen wir eine gute Figur abgeben: „Ziehet an als die Heiligen und Geliebten herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld und ertrage einer den anderen, und vergebt einander wie der Herr euch auch vergeben habt, und zieht über alles dieLiebe, das Band der  Vollkommenheit. (Kol. 3,12ff) Wo wir uns das zu Herzen nehmen und in die Tat umsetzen, bewirken wir viel Gutes und verbessern die Welt. Der Apostel meint: Das sind Verhaltensweisen, die Gott gefallen.

Religionsforscher sind der Ansicht, der christliche Glaube habe deshalb so schnell Zustimmung und Verbreitung gefunden, weil die religiöse und soziale Komponente, also die Ewigkeitsperspektive und die umfassende Nächstenliebezusammen kamen. 

V.

Am heutigen Volkstrauertag gedenken wir in besonderer Weise der Opfer von Krieg und Gewalt und treten ein für Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Völkern, Gemeinschaften und gesellschaftlichen Gruppen. Da können wir Manches bewirken. Ohne Stolz, ohne Selbstlob, ohne Fehler zu vergessen, aber in Dankbarkeit unserm Herrn gegenüber dürfen wir manches aufzählen, womit seither Menschen und Gemeinschaften christlichen Glaubens die Welt zum Guten hin beeinflusst haben: 

Grausamkeiten, früher oft fälschlich als gesunde Härte gepriesen, wurden als schändlich betrachtet. Der bisher zuweilen sanktionierte Kindermord als abscheulich deklariert und aus der Gesellschaft verbannt. Sklaven wurden befreit. Das Knüpfen sozialer Netze sowie Krankenpflege wurden Standart. Die Stellung der Frau wurde verbessert. Mitleid, früher als Fehler gebrandmarkt, wurde zur Tugend. Arbeit, oft als lästiges Übel oder sogar als Schande empfunden, wurde wichtiger Bestandteil eines erfüllten Lebens. Toleranz, vorher oft als Schwäche belächelt, wurde zum Maßstab für friedvolles Miteinander. Nächstenliebe, zunächst nur für den engen Kreis von Nachbarschaft und Familie vorgesehen, wurde ausgeweitet auf den „fernen“ Nächsten, ja auf die ganze Menschheit. 

Aus dem christlichen Bereich kommen auch immer wieder wichtige Impulse, wenn es um aktuelle Themen geht wie Klima-, Natur- und Tierschutz oder Menschenrechtsfragen. In allen Ländern und Gesellschaften, in denen christlich gesonnene Menschen und Gemeinschaften den Ton angeben, gibt es deutlich mehr Frieden und Glück als dort, wo der christliche Glaube nicht Fuß gefasst hat. Damit loben wir uns nicht selbst, sondern preisen den, der uns teilhaben lässt an der Gestaltwerdung einer neuen, besseren Welt, die auf Christus gegründet ist. Wir vertrauen darauf, dass er seine Vorhaben zu einem guten Ende bringt. 

Du wirst dein herrlich Werk vollenden, der du der Welten Heil und Richter bist. Du wirst der Menschheit Jammer wenden, so dunkel jetzt dein Weg, o Heilger, ist. Drum hört der Glaub nie auf, zu dir zu flehn; Du tust doch über Bitten und Verstehn. (EG 241,6 v. Bogatzky / Knapp)

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Ein Kommentar zu “Volkstrauertag 2021 – Hoffnung auf gute Zukunft in der einen Welt

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Eine ganz besonders hoffnungsvolle Predigt zum düsteren Volkstrauertag hat Pastor Krüger verfasst. Im Bibeltext sieht auch Paulus voll Zuversicht in die Zukunft trotz Verfolgungen , Leid und Tod, weil er gewiss ist, dereinst bei Gott zu sein. Paulus und Pastor Krüger blicken ganz realistisch auch darauf, dass wir uns alle vor dem ewigen Richter dereinst verantworten müssen. Neben den Trost und und das Gericht tritt die Erinnerung an den bleibenden Auftrag für die Christen , die Welt im Sinne Jesu zu verbessern. Originell und ungewöhnlich selbstbewußt erinnert Pastor Krüger daran, dass Jesus und Paulus die Trost- Ewigkeitsperspektive mit der Nächstenliebe verbinden und beides das größte Engagement in der Menschheitsgeschichte gebracht hat. Christen haben die Welt verbessert, sagt Pastor Krüger sehr originell und selbstbewusst und führt Beispiele uns vor Augen besondersam am heutigen Volkstrauertag. Eine Hoffnungspredigt zum Aufbewahren und Verbreiten !

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