Vertrauen auf Gottes neuen Morgen

Der Gott allen Trostes will nicht Tod und Zerstörung, sondern Leben und Hoffnung

Predigttext: 2. Korinther 1,3-7
Kirche / Ort: Karlsruhe
Datum: 27.03.2022
Kirchenjahr: Laetare (4. Sonntag der Passionszeit)
Autor/in: Pfarrer Dr. Uwe Hauser

Predigttext: 2. Korinther 1,3-7  (Übersetzung nach Martin Luther, Revisom 2017)

3Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und  Gott allen Trostes, 4der uns tröstet in aller unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. 5Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. 6Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. 7Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.

 

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Der Krieg in der Ukraine – 32. Tag der russischen Invasion – macht uns alle fassungslos. Mitten in eine scheinbar friedliche Zeit hinein – zumindest für uns in Europa! – wird die Bevölkerung eines Landes überfallen, getötet, misshandelt, Wohngebiete, Krankenhäuser und Kindergärten in Schutt und Asche gelegt. Über drei Millionen Menschen sind auf der Flucht. Tausende Menschen wurden ermordet, zehntausende verletzt.

I.

Für uns, die wir scheinbar weit weg in einem friedlichen Land leben, ist dies alles so gut wie gar nicht vorstellbar. Selbst die schrecklichen Bilder von zerstörten Häusern und explodierenden Bomben, die uns über die Medien erreichen, sind und bleiben eben (für uns!) nur das was sie eben sind: Bilder. Das Leid, das sich dahinter verbirgt, die Bedrängnis, die damit verbunden ist, können wir nur schwer ermessen, geschweige denn sie in ihrer Tiefe mitfühlen. Erst wenn wir Geflüchteten begegnen, erst wenn sie uns von ihrem und dem Leid ihrer Familien unmittelbar erzählen, können wir vielleicht erahnen, was dort verloren und erlitten wurde und gelitten wird. Hinzu kommt, dass wir selbst, ob zugegeben oder verdrängt, ob real oder nur von uns befürchtet, uns im Innersten fürchten.

Unsere Logik ist einfach: Wenn eine verantwortungslose Gruppe von Militärs schon bereit ist, solch einen Krieg gegen ein friedliches Land anzuzetteln, wenn sie bereit sind, zynisch Bomben auf Krankenhäuser und Kindergärten zu werfen, zu was sind sie – und sei es nur, falls sie mit dem Rücken zur Wand stehen – noch allem bereit? Die Angst vor dem atomar geführten Krieg scheint näher zu rücken als wir es uns in der Vergangenheit und in unseren dunkelsten Albträumen vorstellen konnten. Davor fürchten auch wir uns. Aber: Unser Predigtwort beginnt nicht mit dem Weltuntergang, sondern mit dem Lob Gottes. Es endet auch nicht mit der Katastrophe, sondern spricht vom Trost, der uns in alledem, widerfährt. Wie dürfen wir deshalb leben?

Zunächst einmal in einer tiefen Nüchternheit und Klarheit gegenüber der Wirklichkeit. Sie wird nicht verdrängt oder verleugnet, nicht idealisiert oder weggedrückt, sondern es ist, wie es ist. Paulus erläutert das an seinem eigenen Leben: Er wird in Ephesus zum Tode verurteilt. Er muss in der Arena mit wilden Tieren kämpfen. Mit Mühe und Not entrinnt er dort dem scheinbar sicheren Tod (1. Kor 15,32; 2. Kor 1,8). Ein anderes Mal erzählt er, hätten sie ihn seine Gegner halbtot gesteinigt. Da sie glaubten, er sei tot, hätten sie ihn vor den Toren der Stadt liegenlassen (Apg 14,19-20). Einmal ist er schiffbrüchig, er überlebt, gewinnt Land. (Apg 27,43f). Ja, so kann das Leben sein. Es kann uns allerlei widerfahren, das Schlimmste auferlegt werden. So nüchtern sieht der Apostel die Möglichkeiten seines eigenen Lebens. Er beklagt sich nicht darüber, klagt nicht Gott an, warum gerade er das erleben müsse, wo er doch ein „auserwähltes Werkzeug“, der letzte der berufenen Apostel sei. So ist Leben, das alles kann uns widerfahren (und wir sind froh, wenn es nicht so ist…). Er sieht sich und sein Leben in der tiefen Gemeinschaft mit Christus: Bedrängnis Leid und Tod ist auch Christus widerfahren. Leiden ist nichts Erstrebenswertes, nichts, das man suchen soll. Leiden ist Wirklichkeit.

II.

Die Frage ist: Wie geht man mit diesen Bedrängnissen und dem Leid um? Zerstört es mich, macht es mich ohnmächtig, hilf- und hoffnungslos? Für Paulus ist klar: Hier, gerade hier, zeigt sich die Kraft des christlichen Glaubens: „In dem allem überwinden weit wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37)Überwinden heißt darauf zu vertrauen, dass der Vater Jesu Christi, der Gott allen Trostes, nicht Tod und Zerstörung will, sondern Leben und Hoffnung. Sein Wille für mein Leben, sein Wille für unser Leben, für das Leben der Menschen in der Ukraine, in Russland in aller Welt. In Jesus Christus hat er uns das einfürallemal gezeigt, das er kann und dass er das auch tut. Gottes Wille ist Leben und Zukunft für diese Welt. Es ist seine geliebte Welt, die er nicht seinen geschworenen Feinden dem Tod und dem Bösen anheimgeben wird. Die Auferstehung Jesu ist dieser Sieg über den Tod. Und am Ziel siegen nicht die Knechte des Bösen, sondern die Kinder des Lichtes.

Und noch ein Zweites: Paulus erzählt seine Lebensgeschichten nicht um seiner großartigen Survival-Fähigkeiten willen. Er erzählt auch nicht davon, dass er „Glück gehabt hätte“ oder dass „das Schicksal“, die Vorsehung oder weiß Gott wer, sein Leben erhalten hätte. Nein, Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, selbst ist es, der ihn gerettet hat aus aller Bedrängnis. Er selbst ist es gewesen, der ihm das Leben erhalten hat. Das ist der Trost, der Paulus widerfahren ist, und den er gern an die Gemeinde in Korinth weitergibt: Gott lässt dich nicht. In seinen Augen bist du wertvoll. Sei dir gewiss: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand.

Haben wir das in diesen Tagen nicht erlebt, wie das Leid, das den Ukrainern zugefügt wurde, eine Welle der Gemeinschaft und der Solidarität in ganz Europa ausgelöst hat? War es denn etwa so, dass sich Menschen abgewandt hätten (– vielleicht mit Ausnahme unserer drögen und unfähigen Regierung!). Leisten nicht die Menschen in Polen, in der Tschechei, in der Slowakei in Rumänien, Moldawien und viele in Deutschland Großartiges? Sie sprechen: „Ihr Ergehen ist unser Ergehen, ihr Leid ist unser Leid. Aber auch ihr Trost unser Trost.

III.

Leid kann Gemeinschaft herstellen, wenn es geteilt wird. Denn wir glauben an den Gott, der hinabführt ins Totenreich und wieder herauf. Wir glauben an den Gott der größer ist als die Mächtigen dieser Erde. Wir glauben an den Vater Jesu Christi, der größer ist als der Tod und den Tod überwunden hat. Wir gehen in dieser Passionszeit auf Ostern zu und das bedeutet: Kein Rückzug in die Idyllik, in die Komfortzone und die heile Welt, aber auch keine Angst und Panik vor dem Schlimmsten, sondern: Getrost und zuversichtlich schauen wir in die Zukunft, nüchtern und wachsam, im festen Vertrauen auf den Gott, der bei uns sein wird gestern, morgen und vor allem heute.

Nein, wir können uns die Welt nicht machen können, wie sie uns gefällt. Aber wir können beten und hoffen, handeln und die Zeit nutzen, nicht für uns selbst, wohl aber für das heraufziehende Reich Gottes und die Nächsten, die uns anvertraut sind. Wir können so arbeiten und uns einsetzen, dass schon etwas sichtbar wird, von dem, was Gott versprochen hat. (Schön, dass Gottes Reich und seine Kirche lebt, jenseits aller Bürokratie!). Was das für uns und unsere Gemeinden bedeutet?

Helfen wir, wo wir können. Sach- und Geldspenden sind dringend nötig. Wo in ihrer Nachbarschaft in ihrem Freundeskreis etwas organisiert wird: Machen Sie einfach mit. Jede Hand wird gebraucht und auch wenn es nur dabei hilft, unsere eigene Ohnmacht zu überwinden.

Beten Sie für die Menschen in der Ukraine, Russland und in Westeuropa. Unsere Ohnmacht braucht eine Sprache, unser Entsetzen und unsere Hilflosigkeit einen Ausdruck. Auch das ist ein Trost für die Menschen in der Ukraine: Hier beten Menschen für siue denken an sie, geben dieses Land nicht auf.

Schreiben Sie den Politikern in ihrem Wahlkreis, ihrer Region. Das fast gleichgültige und initiativelose Nicht-Handeln unserer Regierung schreit zum Himmel. Nach einem regelrechten Schock am Anfang ist nun wieder die Alltäglichkeit eingekehrt. Es gibt keinen Alltag, in dem der Krieg vor unserer Haustür ignoriert werden kann: Wachen Sie endlich auf verehrte Damen und Herren in Berlin und handeln sie bedingungslos zugunsten der Menschen in der Ukraine.“ Hier in dieser Rückmeldung lebt Demokratie. Hier sind wir Christen auch als Staatsbürger gefordert. Und das ist der Trost auch für die Menchen, die wissen, dass wir nicht nur an sie denken, sondern auch für sie einstehen.

Augen auf!

Erkennen, wo wir gebraucht werden. Wo ist meine Hand vonnöten? Wo soll ich anpacken? Ws kann ich tun? Trost hat es mit Worten und Taten zu tun, die wirklich getan werden. Mit Menschen, die man drückt und denen man die Taschen und die Kühlschränke füllt.

Ohren auf!

Die Stimme der Bedürftigen und unter die Rede Gekommenen laut werden lassen. Auch vor Gott – im Gebet. Vor ihm gilt, was schon Hanna wußte: Laßt euer großes Rühmen und Trotzen. Denn er Herr ist ein Gott, der es merkt und vor ihm werden Taten gewogen. Der Bogen der Starken ist zerbrochen und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.“ (1. Sam 2,3.4)

Mund auf!

Die Stimme erheben und sprechen von Gottes bereits heraufziehender neuer Welt, die kein Wolkenkuckucksheim, aber auch kein apokalyptisches Inferno ist, sondern in denen Frieden und Gerechtigkeit für alle herrschen wird. Deswegen machen wir es wie die kleinen Vögel: Wir singen noch vor dem Anbruch des Tages schon von Gottes anbrechendem Morgen. Wie unser heutiges Predigtwort anhebt: „Gelobt sei…“ Das ist ein Lied in dunkler Nacht, das auf Gottes neuen Morgen vertraut. Im Singen kommt die Hoffnung und der Trost zur Sprache, den uns Gott schenkt: Dass Gott ein Gott des Lebens ist und die Finsternis und das Böse nicht siegen werden. Gott gebe uns ein festes Herz voller Vertrauen in diesen Tagen.

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Ein Kommentar zu “Vertrauen auf Gottes neuen Morgen

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Diese Predigt entspricht dem Rat meines Vikarsleiters, dem Hamburger St.Petri Pastors und Dozenten Dr G.von Schlippe: Er riet: Predigten müssen dem Hörer ein hoffnungsvolles Gefühl schenken! Das ist heute beim Ukraine Krieg besonders aktuell. Der Predigttext spricht von Hoffnung auf Gottes Wirken. Das nimmt Pastor Hauser sehr gut und aktuell auf.Der Verfasser des Predigttextes Paulus wurde in großer Not manchmal schon totgesagt. Aber er hat immer wieder tiefe Verbundenheit mit Jesus und Gott erlebt . Du wirst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Heute erlebt die Ukraine europaweit Mitleid und Gemeinschaft. Wir können als Christen nach dem Text beten für den Frieden und hoffen. Wir könnten die Politiker in unserem Wahlkreis und in Deutschland wachrütteln. Wir können intensiv beten und hoffen auf Gottes neue Welt. Wie ein Licht in der Nacht haben wir Hoffnung auf Gottes Morgen: Gott schenke uns heute ein festes Herz.- Diese Predigt schenkt uns ein hoffnungsvolles Herz !

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