“… Hast du mich lieb?…”
Liebe weitergeben
Predigttext: Johannes 21,15-19 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
15 Als sie nun das Mahl gehalten hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieber, als mich diese haben? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer! 16 Spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 17 Spricht er zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe. Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe! 18 Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst. 19 Das sagte er aber, um anzuzeigen, mit welchem Tod er Gott preisen würde. Und als er das gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!
Der Tag beginnt mit einem schönen Frühstück. Man ist ausgeschlafen und für den bevorstehenden Tag gestärkt. So begannen damals zur Zeit Jesu die Tage, und so ähnlich beginnen auch unsere Tage. Bei jenem Frühstück am See Tiberias war aber alles anders, auch wenn es der erste Satz des Predigttextes – „nach dem Mahl“ – nicht erkennen lässt.
I.
Jesus erschien den Seinen zum dritten Mal nach seinem Tod und seiner Auferweckung. Sieben aus seinem vertrauten Kreis waren an jenem Morgen beieinander. In der Nacht waren sie ausgefahren, um zu fischen. Gegen Morgen steht Jesus unerkannt am Ufer und fragt, ob sie nichts zu essen haben. Als sie es verneinen, fordert sie der Unbekannte auf, die Netze auszuwerfen, und sie werden mit einem überwältigten Fang belohnt. 153 Fische! Dann lädt Jesus zum Mahl. Nach der Nacht beginnt ein neuer Tag, und dieser ist alles andere als ein gewöhnlicher. Denn es kommt überraschend zu einer ganz leiblichen Begegnung mit dem Auferstandenen, zu einer Sättigung mit österlichem Leben. Die Seinen ahnen, wer sie zum Mahl eingeladen hatte, wagen es aber nicht auszusprechen – weil die Begegnung so unglaublich ist, zu schön, um wahr zu sein?
Dann, nach dem Mahl, fragt der aus der Nacht des Todes in das Licht des Lebens Auferstandene, nach Tagesanbruch und einem wohltuenden Frühstück einen seiner Vertrauten, Petrus: „Liebst du mich mehr als die anderen?“ Jesus stellt diese Frage dreimal an Petrus, und Petrus wird drei Mal antworten, und er wird drei Mal einen Auftrag bekommen.
Die Zahl Drei ist eine Ganzheitszahl. Wir sprechen von der Dreieinigkeit Gottes, seiner Dreifaltigkeit. Jesus ist am dritten Tag auferstanden, und wir selbst zählen manchmal „eins, zwei, drei“, und bei „drei“ passiert, was passieren soll. Jesus fragt Petrus drei Mal, ob sein Vetrauter ihn lieb habe.
II.
Der Auferstandene, der die Liebe in Fülle ausgeteilt hat, vergewissert sich der Liebe des Jüngers, zu dem er an einer anderen Stelle gesagt hatte, dass Petrus der Fels sei, auf den Jesus seine Gemeinde bauen wolle. Es scheint doch so, als würde Jesus zu Petrus sagen: Jetzt ist es soweit, erinnere dich an die Liebe, die das Größte und Wertvollste ist, was ich euch gegeben habe und wovon ich in meiner Lehre immer wieder gesprochen habe. In bedingungsloser Liebe habe ich mich den Menschen zugewandt. Jetzt ist es soweit, Petrus, jetzt bist du gefordert. Weide meine Schafe. Die Menschen brauchen dich, und sie sollen erfahren und spüren, dass du sie aus deiner Liebe zu mir und meiner Botschaft begleitest und ihnen den Weg zeigst, der zum Leben, zum wahren Leben, führt.
Jesus gewährt Petrus einen kleinen Ausblick in die Zukunft, wir könnten darüber erschaudern. Es ist erschreckend, wie Petrus erkennen muss, was auf ihn zukommt: ein gewaltsamer und grausamer Tod. Folge mir, sagt Jesus, folge mir als Hirte – und folge mir in den Tod. Wir können es nur erahnen, was in Petrus vorgegangen sein muss. Erst noch – wie die Morgenröte – die Freude darüber, dass Jesus lebt, sich Zeit nimmt für seine Jünger und Jüngerinnen, dann die etwas lästige Frage nach der Liebe. Sein Meister weiß doch alles. Und zuletzt dieses „Folge mir“ in aller Konsequenz. Ist ihm heiß und kalt geworden, hat er innerlich gezittert oder war er ganz souverän, etwa mit der Einstellung „ich pack’ das schon“?
Wir hier im Gottesdienst hören heute diese Bibelgeschichte, und wir fragen uns vielleicht, wie es mit unserer „Nachfolge“ aussieht. Jede, jeder von uns muss ihren/seinen Weg finden. Es gibt auch heute Situationen, in denen wir mit dem Herzen erkennen, dass unsere ganz Liebe gefragt ist. Unsere Liebe zu diesem Jesus, der uns noch genau so wie vor zweitausend Jahren begegnet. Jesus fragt auch noch heute der Liebe, die er lebte, nach einfühlsamer Hingabe für die Menschen, die sich nach Zuwendung und Hilfe sehnen. Oft scheitern wir, so wie Petrus, der alles andere als ein perfekter Jünger und Nachfolger Jesu war. Aber gerade ihn beauftragt Jesus von neuem. Jesu Liebe, seine Hingabe für das Leben der Welt, soll auch ihn bestimmen, und dieser Weg der Hingabe wird auch ihn in den Tod führen.
III.
Vielleicht fragt auch uns Jesus mehr als einmal, vielleicht gerade jetzt in dieser Stunde: „Hast du mich lieb?“ Wir wissen nicht, wie unser Weg im christlichen Glauben sein wird und wohin unser Weg uns führen wird. Unser Bekenntnis zu der Liebe Jesu, die ein Bekenntnis zur Liebe Gottes ist, und unser Weg in dieser Liebe verlangt Entschiedenheit und die Bereitschaft, den Konsequenzen nicht aus dem Weg zu gehen. Keine Halbherzigkeit.
So wie Jesus uns Menschen liebte, sich für uns hingab und uns die Liebe Gottes verkündigte, so soll sich unsere Liebe im Glauben und Leben zeigen. Jesu und Gottes Liebe gehen weit über dieses Leben und den Tod hinaus. Sie ist seit über zweitausend Jahren als Hoffnung im österlichen Licht gegenwärtig und lebendig. „Hast du mich lieb?“- Die eindringliche Frage, die Jesus damals dem vertrauten Petrus stellte, bleibt nicht allein auf jenen prominenten Jesusjünger bezogen.
Der Tag beginnt mit einem schönen Frühstück. Man ist ausgeschlafen und für den bevorstehenden Tag gestärkt. So begannen damals zur Zeit Jesu die Tage, und so ähnlich beginnen auch unsere Tage. Bei jenem Frühstück am See Tiberias war aber alles anders. Sind wir auch heute auf dieses Andere gefasst? Und darauf, dass uns ein Ruf erreicht, dem wir nicht mehr ausweichen, sondern ihm nur noch folgen können? Weil jener Ruf sich mit der eindringlichen Frage des Rufenden verbindet: „Hast du mich lieb?“