Hoffnung auf gutes Leben selbst in schwierigen Zeiten

Gottgegebene Verheißung und menschliche Schaffenskraft

Predigttext: 1. Mose / Genesis 12,1-4a
Kirche / Ort: Ev.-Luth. Kirchengemeinde Marli-Brandenbaum / Lübeck
Datum: 17.07.2022
Kirchenjahr: 5. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastor Björn Schneidereit

Predigttext: 1. Mose / Genesis 12,1-4a (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

1 Und der HERR sprach zu Abram: Geh aus deinem Vaterland und von deiner Verwandtschaft und aus deines Vaters Hause in ein Land, das ich dir zeigen will. 2 Und ich will dich zum großen Volk machen und will dich segnen und dir einen großen Namen machen, und du sollst ein Segen sein. 3 Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf Erden. 4 Da zog Abram aus, wie der HERR zu ihm gesagt hatte, und Lot zog mit ihm.

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In einem schottischen Café soll die Autorin Joanne K. Rowling Teile ihrer Harry-Potter-Romane geschrieben haben. Zu dieser Zeit war sie weder berühmt noch wohlhabend, sondern lebte als alleinerziehende Mutter von Sozialhilfe mit Existenzängsten, aber auch mit einer inneren Berufung zur Schriftstellerin. Die Geschichte, die sie zu Papier brachte, wurde von vielen Verlagshäusern mangels Erfolgsaussichten abgelehnt. Rowling gab nicht auf, glaubte an ihre Geschichte, und schließlich kam sie mit einem Verleger ins Geschäft. Ihr erster Roman fand regen Absatz, die Nachfrage stieg, neue Bände wurden geschrieben und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Rowlings Geschichten über den jungen Zauberlehrling gingen um den ganzen Erdball und haben ihre eigene Lebensgeschichte verwandelt: vom armen Nobody wurde sie zum reichen Star.

I.

Zu den meistverkauften Büchern aller Zeiten zählt jedoch auf Platz Eins immer noch die Bibel. Sie stammt nicht aus einer einzigen Hand, sondern viele Bücher wurden in ihr zu einem vereint. Und anders als bei den Harry-Potter-Romanen begann ihre Geschichte nicht mit einem Wort auf einem Blatt Papier, sondern mit Worten, die Gott direkt zu einem Menschen sprach. So wichtig die Bibel als Medium der Überlieferung bis heute ist – Gott verfasste seine Heilsgeschichte nicht mit Stift und Papier, sondern mit und durch Menschen. Von einem, mit dem Gott Geschichte schreiben wollte, erzählt unser heutiger Predigttext.

(Lesung des Predigttextes 1. Mose / Genesis 12,1-4a)

Abram klingt ungewohnt für unsere Ohren. Besser ist uns dieser Mann als Abraham bekannt. Aber diese ehrenvolle Umbenennung vom „erhabenen Vater“ zum „Vater vieler Völker“ bekam er erst etwas später von Gott. Auch hier wurde ein Nobody zum Star. Ein Stern am Himmel, der durch die Jahrhunderte als Vorbild des Glaubens jenen leuchtet, die als Abrahamitische oder monotheistische Weltreligionen bezeichnet werden: Judentum, Christentum und Islam.

Was Abram für alle drei vorbildlich macht, ist sein Gottvertrauen.  Gott spricht mit Worten zu Abram und Abram antwortet Gott mit Taten. Taten,  die Gott segnen will. Er hinterfragt nicht, wie genau wahr werden kann, was Gott ihm verspricht. Er fordert nichteinmal Details, wohin die Reise geht. Allein die Zusage, er werde von Gott geführt, reicht aus. Abram lässt sein vertrautes Leben zurück, um dem Wort Gottes in ein neues zu folgen, begeistert vom Glauben, dass Gott an einer segensvollen Geschichte schreibt.

II.

In einem hebräischen Wörterbuch wird segnen umschrieben mit den Worten „mit heilvoller Kraft ausstatten“. Danach scheint sich sich Abram zu sehnen, vermutlich wie jeder Mensch. Gottes Handschrift zeigt sich daher gerade darin, dass es ihm nicht darum geht, aus einem unbekannten Abram den berühmten Abraham zu machen, sondern durch ihn soll die Sehnsucht nach Segen für viele Menschen und ganze Völker gestillt werden. Davon zeugen viele biblische Gestalten mit ihren Gotteserfahrungen.  Gott schreibt keine Erfolgsgeschichten für wenig auserwählte Menschen, sondern wo Gott zum Wohle eines Menschen handelt, sollen viele „mit heilvoller Kraft ausgestattet werden“. So wurde Abram zu Abraham und mit seiner Geschichte zu einer Quelle des Glaubens an den lebendigen Gott für Milliarden von Menschen.

Der nächste Vers, der sich an den Predigttext anschließt, zeigt uns, dass der lebenserfahrene Abram nicht naiv auf die Reise in das Unbekannte ging. Er nahm Menschen mit, die ihm lieb waren und dazu auch alle Habe, die ihnen gehörte. Eine Grundausstattung für die Reise und für das neue Leben. Darin zeigt sich für mich, dass Abram sein Gottvertrauen nicht überstrapaziert. Er macht Gott nicht zu einem Flaschengeist. als ob er nicht mehr für sich selbst zu sorgen brauche. Abrams Gottvertrauen ist tief, aber nicht töricht.  Hier verbinden sich gottgegebene Verheißung und menschliche Schaffenskraft auf gute Weise. Stoff, aus dem Wunder entstehen.

Denken wir nochmal kurz an die Autorin J. K. Rowling. Allein die tief empfundene Berufung ein Buch zu schreiben, hätte sie nicht in ihr neues Leben geführt. Ihre kreative Schaffenskraft verbunden mit guten Fügungen auf ihrem Weg, brachten erst zusammen den ersehnten Erfolg.

Ebenso der Fischzug des Petrus, von dem das heutige Evangelium erzählt hat, zeugt von diesem Zusammenspiel. Der Segen nutzt das alte Boot, die alten Netze und die Fähigkeiten der Fischer. Dank Jesus kommen diese bei der Arbeit in Kontakt mit der heilvollen Kraft Gottes und das Wunder geschieht. Zur Unzeit eines Fischfangs, also während einer Tageszeit, die nicht zum Fischen taugt,  werden die Netze berstend voll.

Wäre Abram daher ausschließlich mit Gottvertrauen und einem Mantel bekleidet aufgebrochen, seine Reise hätte schnell enden können. Ich denke daher, was Abram und seine Lieben bereits mit ihrem alten Leben geschaffen hatten, ihre Gaben und Talente, all das blieb wertvoll und gab ihnen etwas Halt für den Weg, der vor ihnen lag. Selbst der gläubigste Mensch kann nicht allein von Luft und Liebe leben.

III.

Blicken wir mit diesen Geschichten abschließend noch zu uns in das Jahr 2022, sehe ich viele Menschen, die, wie einst J.K. Rowling, um ihre Zukunft bangen. Menschen, die sich fragen, wie lange sie ihre Miete, die Heizkosten, Lebensmittel, Autoreparaturen usw. werden zahlen können. Wir haben keine Wahl und werden in ein Land geführt, das uns vertraut war, sich aber rasant wandelt. Dort werden wir jeden Tag hineingerufen, leider nicht verheißungsvoll wie Abram, sondern durch Sorgenrufe gespeist aus Ungewissheiten.

Unsere Politikerinnen und Politiker schreiben mit ihren Ideen am weiteren Verlauf unserer Geschichte. Es sei keine Panikmache, aber man müsse sich „offen die Karten legen“, wir sollen unsere Duschzeit verkürzen, Energie sparen und hören von der Gefahr einer „sozialen Zerreißprobe“. Wie anders das doch klingt als Abrams Reiseruf ins Unbekannte. Hier fehlt dieses Zusammenspiel aus menschlicher Schaffenskraft und göttlicher Verheißung. Es gibt keine Inspiration, kein Vertrauen auf eine positive Vision, wie wir mit dem, was wir in alten Zeiten geschaffen haben, in eine neue Zeit gehen können, die Segen bereit hält. Es wird um Mithilfe und um Schaffenskraft geworben ohne gleichzeitig echtes Vertrauen zu stärken. Zumindest empfinde ich das so. Dabei brauchen wir es gerade im Umbruch, mit heilvoller Kraft, mit zukunftsweisenden wie vertrauensvollen Worten berührt zu werden.

Ich glaube, wir Menschen können Vieles schaffen. Wenn wir jedoch nur auf uns und nach unten schauen, und nicht mehr in den Himmel, dann fehlt der Stoff, aus dem Segensgeschichten werden. Von Gott und himmlischer Inspiraiton wollen aber immer weniger Menschen hören. Paradox ist das, denn Gottes Plan ist ja, was oft gefordert wird: nicht die wenig Auserwählten allein zu segnen, sondern durch sie die vielen. Und wo viele etwas Segen spüren können, überlebt gute Gemeinschaft und Hoffnung auf gutes Leben selbst in schwierigen Zeiten.

Würden die Mächtigen und wir alle Gottes Handschrift folgen, unsere Welt wäre für viele ein schönerer Ort mit einem besseren Leben. Ich glaube aber auch, dass Gott geduldig mit uns ist; wie J.K. Rowling gibt er nicht auf, nach Menschen zu suchen, die seine Geschichten lieben und für die Öffentlichkeit verbreiten wollen. Wir Kirchen stehen zu seiner Heilsgeschichte, wir erzählen davon so oft und so gut wir es können, denn wir sind überzeugt, sie führt uns in ein gutes Leben – und werden wir auch kleiner, Gottes Segen wird es nicht. Er trägt uns mit heilvoller Kraft durch jede Zeit bis hinein zur Ewigkeit.

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Ein Kommentar zu “Hoffnung auf gutes Leben selbst in schwierigen Zeiten

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Abraham steht am Beginn der Heilsgeschichte der Bibel :als erster der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, als Vater vieler Völker und Vorbild des Glaubens. Er gehört zu den wichtigsten Personen Gottes, hinter Jesus sowieso und Moses.Die drei monotheistischen Weltreligionen, Juden, Christen , Moslems, die heute fast die Hälfte der Weltbevölkerung beeinflussen gründen sich auf Abraham. Das stellt mein Gemeindepastor B. Schneidereit zu Beginn seiner Predigt heraus. Abrahams Gottvertrauen wird von Gott gesegnet. — Heute im Jahr 2022 haben wir viele Sorgen mit Krieg und Corona. Aber mit Gottvertrauen und heilsgeschichtlicher Hoffnung können wir viel schaffen. Damit endet die positive Predigt vom Pastor und dem Satz : Gott trägt uns heilvoller Kraft durch jede Zeit bis in die Ewigkeit. Eine besonders mutmachende, aktuelle Predigt heute. – Hinweisen möchte ich auf mein Wort zum Sonntag bei http://www.HL-live.de Stadtgeschehen, Abraham welches die Heilsgeschichte betont.

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