“Von Mutterleib an…”
Von Gott angesehen
Predigttext: Jesaja 49,1-6 (Übersetzung nach BigS 2006, 3. Aufl. 2007)
1 Hört auf mich, ihr Inseln, hört gut zu, ihr Völker in der Ferne! Gott hat mich berufen von Mutterleib an, gedachte meines Namens, als ich noch im Leib meiner Mutter war.
2 Gott hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mich im Schatten der Gotteshand geborgen,
mich zu einem spitzen Pfeil gemacht, im Köcher mich verwahrt.
3 Gott hat zu mir gesprochen: »Du stehst in meinem Dienst! Israel, durch dich will ich meine Würde zeigen!«
4 Ich aber hatte mir gesagt: »Umsonst habe ich mich bemüht, für nichts und wieder nichts meine Kraft verbraucht!« Trotzdem: Mein Recht liegt bei Gott und der Lohn meines Tuns bei meiner Gottheit.
5 Aber nun hat Gott gesprochen! Von Mutterleib an bin ich gebildet,
im Dienst Gottes zu stehen, um Jakob zurückzuführen zu Gott, so dass Israel für Gott gesammelt wird.
Ich hatte Gewicht in Gottes Augen und meine Gottheit war meine Kraft.
6 Und Gott sprach: »Zu wenig ist es, dass du in meinem Dienst stehst, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Geretteten Israels zurückzubringen, sondern ich mache dich zum Licht der fremden Völker, damit meine Rettung reicht bis an die Enden der Erde.
Vorbemerkung
Zur Gemeindesituation: Der Gottesdienst findet im Augustinum / Seniorenresidenz in Heidelberg statt. Dort leben etwa 300 Bewohnerinnen und Bewohner im Alter ab 70 Jahren, deren Lebenssituation ich besonders vor Augen habe.
In der Predigt spreche ich von Jesaja und gehe nicht auf die Entstehungsgeschichte der Jesajaschriftrolle ein, deren einem unbekannten Propheten (in der Jesajaforschung “Deuterojesaja” / “Zweiter Jesaja” genannt) zugeschriebenen Texte ab Kapitel 40-55 in das 6./5. Jahrhundert v. Chr. datieren und die Botschaft des Propheten Jesaja aus dem letzten Drittel des 8. Jhs. v. Chr. aufnehmen, aktualisieren und “weiterschreiben”.
Predigt
Der Prophet Jesaja teilt aller Welt mit, wie ihm Gott begegnet ist: von Anfang an, “von Mutterleib an”, schon im Mutterleib. Wir wissen heute: Es stimmt, wir werden schon vor der Geburt durch unsere Gene geformt, welche sich aus dem Erbe von Vater und Mutter durchsetzen, sowie durch ihr Verhalten während einer Schwangerschaft. Dann werden wir in ein Umfeld hineingeboren, welches sich unseren Einflüssen entzieht: in eine friedliche Umgebung, uns zugewandt, fördernd, bildend und liebend oder in eine gleichgültige, überforderte, im schlimmsten Fall in ein feindliches Umfeld – von Mutterleib an, von Geburt an.
Bei uns hier in der Kapelle und diesem Haus ist das Umfeld mit dem Rückblick verbunden, der Erinnerung an das, was uns in „die Wiege gelegt“ wurde. Der Prophet sagt: Gott hat mich berufen von Mutterleib an. Gott dachte an mich, als ich noch im Leib meiner Mutter war. Wenn Sie, liebe Hausgemeinde, auf Ihr Leben zurück schauen, haben Sie dabei erkannt, zu bestimmten Tätigkeiten regelrecht geboren worden zu sein? Waren Sie ein guter Arzt, eine gute Ärztin, die von Herzen um die Gesundheit der Patienten besorgt waren? Waren Sie eine gute Lehrerin, ein guter Lehrer, die mit Zuwendung und Empathie die anvertrauten Schülerinnen und Schüler gefördert haben, fair und gerecht waren? Oder waren Sie ein begabter Musiker, eine begabte Musikerin, denen die Musik Freude bereitete und mit der Sie Menschen berührten, sie zu Tränen rührten oder zum Lobe Gottes beschwingten?
Jede und Jeder hier im Haus wird etwas besonders gut gemacht haben, ehrlicherweise zugegeben, dass nicht alles gelungen ist. Denn wir Menschen sind meist eher Mittelmaß und versagen oft, aber auch so hat uns Gott geschaffen. Gott kennt uns, davon ist Jesaja überzeugt, so wie wir geboren werden, mit Namen, und das bedeutet: mit unseren Stärken und unseren Schwächen, von Anfang an.
Jesaja wurde von Gott zum Propheten geformt: Gott hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mich im Schatten der Gotteshand geborgen, mich zu einem spitzen Pfeil gemacht, im Köcher mich verwahrt. Gott hat zu mir gesprochen: »Du stehst in meinem Dienst! Israel, durch dich will ich meine Würde zeigen!« Eine Auszeichnung und Ehre, genauso wie eine Aufgabe, Verantwortung und schwere Last. Der Prophet gibt selbst die Antwort: Ich aber hatte mir gesagt: »Umsonst habe ich mich bemüht, für nichts und wieder nichts meine Kraft verbraucht!« Kennen wir das nicht auch? Menschen bringen sich ein, engagieren sich und?: Ärger, Ignoranz und Gleichgültigkeit, im schlimmsten Fall sogar Anfeindungen schlagen ihnen entgegen. Wer hat so etwas in einem langen Leben nicht schon erfahren? Unter Gottes Schutz zu stehen, so wie Jesaja, oder Christ zu sein, so wie wir hier, schützen davor nicht.
“Trotzdem: Mein Recht liegt bei Gott und der Lohn meines Tuns“, ruft der Prophet aus! Wie Mut machend ist dieses „Trotzdem“ . Bestimmt haben Sie, liebe Hausgemeinde, Erinnerungen daran, wie Sie trotzdem weitergemacht haben, gegen alle Widerstände gekämpft haben, manchmal gewonnen, manchmal verloren haben und wieder sagen mussten: “Trotzdem”. Das Recht liegt bei Gott, und die Bewertung unseres Tun auch. Welch eine Entlastung!
Lassen wir uns von der prophetischen Stimme ermutigen: Von Mutterleib an sind wir in unserem ganzen Bemühen um die gestellten Lebensaufgaben, auf unseren Wegen von Anfang an, von Gott angesehen und haben “Gewicht” in seinen Augen, sind ihm wichtig. Gott ist meine “Kraft”, Lebenskraft, Kraftquelle, ich bin ihm unendlich wertvoll. Was für eine Perspektive! Sie ist eher ungewohnt, weil sie uns einlädt zu nehmen, ungeniert und ohne Hemmung.
Ich höre in den Worten des Propheten und an vielen anderen Stellen in der Bibel, die die Beziehung zwischen Mensch und Gott beschreiben, dieses Angebot: ‘Ich bin die Kraft, die dir immer zur Verfügung steht! Nutze sie, zögere nicht! Wie diese Kraft aus Gott beschaffen ist, davon hat Jesus von Nazareth unermüdlich und den Menschen einladend zugewandt gesprochen, und er hat wie Jesaja aus dieser Quelle geschöpft bis hinein in seinen Tod.
“Ich mache dich zum Licht der Völker, damit meine Rettung reicht bis an die Enden der Erde”, kündigte Gott Jesaja an. Stehen unter dieser Ankündigung nicht auch die Worte Jesu: “Ich bin das Licht der Welt…” und sein jedem Menschen geltenden Zuspruch: “Ihr seid das Licht der Welt”? Das Licht, ich würde sagen die Erkenntnis, leuchtet bis heute in unser Leben bis an das Ende unserer jeweiligen Lebenszeit, bis in jeden Winkel der Welt – eine Stärkung unseres Gottvertrauens, unseres Glaubens, der, wie es im Wochenspruch heißt, der Sieg ist, der die Welt überwunden hat.
Von dieser Predigt von Petra Neumann-Janssen können alle sich erfreulich ermutigen lassen. Aktuell aktualisiert sie, dass wir alle durch unsere Gene geformt werden. Nach der Geburt formt uns die Umgebung, in der wir aufwachsen.Im Rückblick auf unser Leben erkennen wir, was uns mehr oder weniger gelungen ist. Gott kennt uns alle mit unseren Stärken und Schwächen.Jesaja wurde von Anfang an geformt zum Propheten für Israel. Probleme und Anfeindungen schlugen ihm entgegen. Trotzdem hat er und haben wir bisher dagegen weiter gekämpft. Welche Entlastung ist es, dass die Bewertung unserer Taten bei Gott liegt! Wir sollten uns von der prophetischen Stimme der Bibel ermutigen lassen. Gott ist immer wieder unser Kraftquell. Jesus wurde durch Gott unglaublich ermmutigt, und auch wir sollten uns dadurch im Leben immer wieder ermutigen lassen.Jesus ist das Licht der Welt, und wir sollen ihm nachfolgen immer und überall! Wie gesagt diese Predigt ist wunderbar ermutigend und überzeugend und ansteckend!
Die Autorin spricht die Bewohner einer Seniorenresidenz in Heidelberg an und lädt sie ein nachzudenken, was ihnen „in die Wiege gelegt“ wurde. Denn das ist auch das, was Gott uns „von Mutterleib an“ geschenkt hat. Können wir dies – im Nachhinein – erkennen? Oder sind wir an unseren Gaben vorbeigelaufen? Das Wichtigste ist doch, dass wir annehmen, dass Er uns unsere Lebenskraft gegeben hat. Die Bewertung, was wir aus unserem Leben gemacht haben, liegt bei Ihm. Solange wir leben, können wir die Kraft Gottes, die uns auch schon in die Wiege gelegt wurde, in Anspruch nehmen. Diese Kraft ist unser Lebenslicht. Darum dürfen wir dieses Licht scheinen lassen, wo und wie wir leben. Diese Erkenntnis kann unser Gottvertrauen stärken. Zu unserm Wohl und zum Wohl der Menschen.
Danke für diese ermutigende Predigt!