Heilende Kraft für Leib und Seele
Glaube macht erfinderisch und wagemutig
PPredigttext: Markus 2,1-12 (eigene Übersetzung G.-O. Sevatius-Depner)
1 Und wieder nach Tagen nach Kafarnaum hineingekommen, wurde gehört, dass er [Jesus] im Haus ist. 2 Und es versammelten sich viele, so dass kein Platz mehr reichte, nicht einmal an der Tür, und er sagte ihnen das Wort. 3 Und es kamen welche und brachten zu ihm einen Gelähmten, getragen von vieren. 4 Und da sie ihn nicht zu ihm bringen konnten, wegen der Menge, deckten sie das Dach ab, wo er war, und als sie ausgegraben haben, ließen sie das Bett herab, auf dem der Gelähmte lag. 5 Und als Jesus ihren Glauben sah, sagte er zu dem Gelähmten: Kind, deine Sünden sind vergeben.
6 Es saßen aber einige der Schriftgelehrten dort und dachten in ihren Herzen: 7 Was redet dieser so? Er lästert. Wer kann Sünden vergeben, wenn nicht einzig Gott? 8 Und Jesus bemerkte sofort in seinem Geist, dass sie so bei sich überlegen, [und] sagte zu ihnen: Warum überlegt ihr dieses in euern Herzen? 9 Was ist leichter, zu sagen zu dem Gelähmten: Vergeben sind deine Sünden, oder zu sagen: Stehe auf und nimm dein Bett und gehe umher? 10 Damit ihr aber wisst, dass der Sohn des Menschen Vollmacht hat, zu vergeben Sünden auf Erden, sagt er zu dem Gelähmten: 11 Ich sage Dir: Stehe auf, nimm dein Bett und geh hin in dein Haus! 12 Und er stand auf und nahm sofort das Bett, ging hinaus vor allen, so dass alle außer sich gerieten und priesen Gott, sagend: So [etwas] haben wir niemals gesehen.
Hinführende Gedanken zum Predigttext
Ein wesentliches Element markinischer Wundergeschichten ist der Glaube. Dieser verleiht Kreativität und findet auch Wege, um zu erreichen, was es verspricht.
Vorstellungen über einen spektakulären Abriss des Daches über einem Raum, in dem sich Menschen befinden, müssen korrigiert werden. Im alten Orient spielte sich das Leben meistens im Freien ab. Jesus stand in der Tür eines Hauses und sprach zu einer Menge, die im Hof oder auf der Straße stand. Helfer werden kreativ und steigen mit einem Kranken, der auf einer Matte lag, auf das Dach des Hauses, um Zugang zu Jesus zu haben.
Die palästinischen Dächer hatten Tragbalken, zwischen denen Schilf, Heu und Zweigen gelegt wurde, darüber war alles mit einer Lehmschicht überzogen. Ziegelgedeckt waren die griechisch-römischen Häuser.
Möglich, dass Markus das Abdecken des Hauses hier einbringt. „Sie deckten ab“ stößt sich mit dem „sie gruben es auf“, was hier zutrifft. Markus hat auch den ursprünglichen Sinn der Dachöffnung verändert. Der Transport durch das Dach sollte erfolgen, damit der Krankheitsdämon hintergangen wird. Er sollte den Eingang des Hauses nicht kennen und wieder dorthin zurückkehren.
Hier ist keine Täuschung des Krankheitsdämons der Sinn der Aktion. Die „Kühnheit und Beharrlichkeit“ der Vier (also nicht des Kranken wird von Jesus als Glauben erkannt. Glaube besteht im festen Vertrauen, dass Jesus helfen kann und wird. Glaube wird sichtbar, indem Schwierigkeiten überwunden werden. Eine weitere Komponente des Glaubens ist die Fürbitte. Obwohl sie im Text fehlt, wird sie durch den ungewohnten Transport des Kranken mehr als ersetzt.
Jesus reagiert überraschend, da er zuerst ein Wort der Sündenvergebung spricht. In der Urchristenheit wurde die Vergebung der Sünden im Namen Jesu geübt, doch im Judentum wurde dieses bestritten.
Im Vers 10 begegnet zum ersten Mal der Ausdruck „Menschensohn“, der von der Vollmacht Jesu zur Sündenvergebung spricht. In der Sündenvergebung zeigt sich die jüdische Vorstellung, dass zwischen Krankheit und Sünde ein Zusammenhang besteht. Der Hinweis auf diesen gilt in der jüdischen Theologie für alle Heilungsgeschichten.
Für die Schriftgelehrten ist das von Jesus Gesagte eine Störung der Ordnung, ja eine Gotteslästerung. Die Juden kennen den Weg zum Heil nur durch die Leistung, die die Schuld abträgt (Liebeswerke, Almosen, Opfer). Der Zuspruch der Vergebung geschieht nur auf Grund der Opfer am großen Versöhnungstag durch den Hohepriester. Hier tut Jesus, was dem Hohepriester vorenthalten ist, außerdem an einem einzelnen, zu beliebiger Stunde und an einem beliebigen Ort, ohne vorgeschriebene Opfer. Wo Jesus ist, ist heiliger Ort und heilige Zeit und da bedarf keine Opfer.
Die Einleitung der Frage Jesu lässt erkennen, dass sie nach dem in Palästina oft geübten Schlussverfahren a minori ad majus gestellt ist. Das Leichtere weist auf das Schwerere hin und hängt zugleich mit dem Leichteren zusammen, so dass das Schwerere aus dem Leichteren folgt.
Die Heilung wird beweisen, dass Jesus kein Sünder ist. Daraus muss geschlossen werden, dass die Sündenvergebung keine Lästerung war. Mit dem Bekenntnis, solches noch nie gesehen zu haben, wird diese Tat als eschatologisches Handeln Gottes gepriesen.
Benutzte Literatur
Stuttgarter Erklärungsbibel, Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 19922
Gnilka Joachim, „Das Evangelium nach Markus“, in: Evangelisch-Katholischer Kommentar zum Neuen Testament II/1, 1. Teilband (Mk 1-8,26), Benziger Verlag, Neukirchener Verlag, 19944
Grundmann Walter, „Das Evangelium nach Markus“, in: Theologischer Handkommentar zum Neuen Testament, Bd. II, Evangelische Verlagsanstalt Berlin, 19808
Das Leben ist so wunderbar, wenn man Freunde und hilfsbereite Menschen in seiner Nähe hat! Wenn wir alle doch so einen Menschen hätten, der uns nicht liegen lässt, wenn wir am Boden ist, sondern uns wieder aufhilft! Einen, der uns stützt oder sogar trägt, wenn unsere Kräfte nicht mehr ausreichen. Es tut so gut, wenn einer da ist, der uns neuen Lebensmut schenkt, wenn wir nicht mehr weiter wissen oder können. Es tut unserem Leib und unserer Seele gut.
Im heutigen Predigtwort hören wir über Menschen, die einem Gelähmten helfen wollen und ihn nicht seinem eigenen Elend überlassen. Sie haben sich zur Hilfe entschlossen und glauben fest daran, dass es gelingt. Wir erfahren in dieser Erzählung auch über die Liebe und die Heilkraft Gottes für unser Leib und unsere Seele. Diese Kraft hat sich in Jesus aus Nazareth offenbart.
Schnell hat sich damals in Kafarnaum herumgesprochen, dass er wieder da ist. Manche Menschen werden durch frühere Erzählungen über ihn und seine Worte, über seine heilsame Art und Weise erfahren und dadurch neue Hoffnung geschöpft haben. Darum lässt diese Nachricht auch unseren hilfsbereiten Freunden keine Ruhe Und sie gehen los.
Vor dem Haus, in dem sich Jesus befand, stand schon eine große Menschenmenge. Im Orient war es üblich, dass der Alltag sich im Freien abspielte, so hörte man auch einem Redner in der Tür eines Hauses, indem man im Hof oder auf der Straße stand. Die Vier, die den Kranken auf seiner Matte getragen haben, merken bald, dass sie keine Chance haben, zu Jesus durchzukommen. Alle da Versammelten wollen Jesus hören, weil er ihnen das Wort sagt. Das ist eine alte Formulierung, die bedeutet, dass er das Reich Gottes verkündigt. Da bedeutet, es liegt etwas in seinen Worten, das die Herzen bewegt, das Kraft und Hoffnung schenkt. Nun aber kann nichts die Helfer davon abhalten, sich doch einen Weg zu Jesus zu bahnen. Sie werden kreativ und steigen aufs Dach! Warum? Weil sie als letzte Lösung sehen, da ein Loch auszugraben, um die Matte mit dem Kranken hinunterzulassen. Die Dächer waren damals so gebaut, dass zwischen Balken Schilf, Zweige und Heu gelegt wurden, alles bedeckt von einer Lehmschicht. Robust, aber nicht undurchdringlich.
Durch unsere Vorstellungskraft können wir uns nun Leb- und Bildhaftes ausmalen. Wir stellen uns vor, dass auch Jesus gestaunt haben muss, weil er auch sieht, dass diese Menschen solche sind, die von ihm alles erwarten. Wenn überhaupt jemand dem Kranken helfen kann, dann nur dieser! So ein Glaube macht erfinderisch und wagemutig. Nachdem sie das Loch im Dach ausgegraben haben, lassen sie den Kranken vor Jesus zu Boden. Jesus sieht nicht nur den tiefen Glauben, dieses Zutrauen, das sie zu ihm getrieben hat. Er hört auch deren stumme Fürbitte: „Hilf diesem Kranken! Mach ihn gesund! Du kannst es!“ Ja, und er kann noch mehr: er kann ins Herz sehen, Gedanken hören, er hört sogar auch, was die Schriftgelehrten in ihren Herzen später über seine Handlung denken. Und er erkennt auch die Not über das Körperliche hinaus!
In dieser gerade spannungsgeladenen Atmosphäre spricht er ein überraschendes Wort. Er sagt zum Kranken: „Mein Kind, deine Sünden sind dir vergeben.“ Die Schriftgelehrten sind empört! Für sie ist das eine klare Gotteslästerung – nur Gott allein kann Sünden vergeben! Sie sagen es zwar nicht, aber denken also in ihren Herzen. Jesus hat diese Worte als der von Gott Gesandte gesprochen. Er hat die Vollmacht, da er der Menschensohn ist. Er hat die Macht, Leid zu erkennen und die Vollmacht, Leid zu lindern. Dass Schuld und Leid zusammenhängen können, lässt uns über die Psychosomatik nachdenken, was in der Medizin die ganzheitliche Betrachtungsweise für das Leiden ist. Für viele Menschen mag eine Krankheit nichts anderes sein, als ein Defekt, so wie bei einer Maschine, die kaputt geht oder einen Schaden erleidet. Darum sagen manche über das Herz: „Die Pumpe will nicht mehr richtig funktionieren“, oder andere: „Meine Beine wollen nicht mehr.“ Dagegen schluckt man etliche Tabletten und hofft dann das Beste. Wie sollen da Worte helfen? Vor allem solche über Schuldvergebung?
Es gibt aber doch diese Verbindung und Wechselwirkung, damit meine ich zwischen dem, was wir tun, und dem, wie es uns geht. Manchmal erkennt man den Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung umgekehrt. Wir schließen dann von Leid auf eine Verschuldung zurück. So fragt sich einer, dem es schlecht geht, nach der Ursache, nach der Schuld und man hört dann Aussagen wie: „Das ist nun die Strafe dafür“…
In diesem Bibelwort erkennen wir, dass Jesu Blick tiefer geht als jeder menschliche Blick. Er hat sehende Augen für das Leiden der Menschen und sieht, woran die Welt „krankt“. Er sieht unseren schlechten Einfluss auf Gottes gute Schöpfung, er sieht den Hass zwischen uns und kennt den friedlosen Zustand, in dem Menschen sich befinden. Unsere Schuld durchzieht wie ein Gift unser Leben und keiner kann von sich behaupten: „Ich bin dagegen immun. Ich habe keine Schuld.“
Unter dieser „Krankheit“ leidet also die gesamte Welt. Nicht dass die Welt oder die Menschen im Laufe der Zeit schlechter oder besser wurden. Wir erkennen aber, dass wir alle einen brauchen, der uns hilft und an der Seite steht. Wir brauchen einen, der uns an Leib und Seele heil macht. Wir glauben zwar, doch brauchen wir trotzdem Hilfe für unseren Unglauben. Am Anfang der Bibel wird berichtet, dass die Abkehr von Gott, ein Leben ohne oder gegen Gott die Ursache war, dass Leid und Not, Schmerzen und Krankheit und auch der Tod erschienen sind. Dabei hat jeder Mensch Anteil an dieser Sünde, was Trennung von Gott bedeutet, und an dem heillosen Zustand der Welt.
Was macht nun Jesus? Er packt das Übel an der Wurzel. Er heilt die Seele, danach den Leib. Wir erkennen: Er ist in unsere Welt gekommen, um die Wurzel des Übels zu beseitigen. Er sagt in unsere Not hinein: „Deine Sünden sind dir vergeben.“ Daran liegt ihm, vor allem! Dass er die gestörte Gottesbeziehung heilt und das, was uns trennt, ausräumt. Es geht ihm um den ganzen Menschen, darum hängen Vergebung und Heilung eng zusammen. Die Vergebung ist die Voraussetzung, dass man wieder ein Leben mit Gott gemeinsam lebt. Wer kennt nicht das so erlösende Wort: „Ich verzeihe dir!“ Wer kennt nicht dieses Gefühl von dem Fall des immensen Drucks von unsere Seele, also wenn eine große Last von unserem Herzen gefallen ist, weil einem vergeben wurde!
Bei den Schriftgelehrten löst das Handeln der Schriftgelehrten eine stille Empörung aus. Jesus erkennt ihre Gedanken. Er sagt ihnen und beweist es dann auch, dass er Vollmacht hat. Er macht den Gelähmten gesund. Dieser steht auf, nimmt seine Matte und geht vor aller Augen hinaus.
Die Erzählung endet mit einer staunenden Menge die Gott lobt. Denn als die Menschen sahen, dass der Gelähmte aufstand, sein Bett nahm und hinaus ging, waren sie schwer beeindruckt. So etwas hatten sie noch nie gesehen. Dafür priesen sie Gott. In Jesus begegnet die vergebende und heilmachende Liebe Gottes. In ihm ist Gott am Werk, der neues Leben schafft, selbst wenn eine Krankheit unheilbar bleiben würde.
Jesus wurde und wird auch heute nicht nur wegen seinen Worten und seiner Redebegabung gesucht und nicht nur wegen seiner Heilkraft wird er begehrt, sondern weil er der Arzt der Seele ist. Anders gesagt: er ist der Heiland aller, die an ihn, als Sohn Gottes, glauben und ihr Leben ganz in sene Hände legen.
Jesus ist in unsere Welt gekommen, um das Leben zu bringen. Ein lebenswertes Leben wird gelebt, wenn Angst und Zweifel, Schuld oder auch Missgunst keine Macht über uns haben. Das Leben ist lebenswert in Liebe, in Gemeinschaft und in Vergebung.
Gebet
Herr, gib du uns sehende Augen für die Menschen neben uns,
für das, was sie freut und für das, was sie traurig macht,
für das, was sie haben und für das, was sie brauchen.
Herr, gib du uns helfende Hände für die Leidenden,
für die Ratlosen und Verzweifelten,
dass wir sie begleiten, bis sie wieder auf festem Boden stehen.
Herr, gib du uns richtige Worte
für die Benachteiligten und die Wehrlosen neben uns,
dass wir für sie das Wort ergreifen und für ihre Rechte eintreten.
Herr, gib du uns ein glaubendes Herz
für die Kranken und Sterbenden neben uns,
dass wir ihnen nahe sind in ihrer Not, sie trösten und ermutigen.
Herr, lass uns erkennen den Frieden und die Hoffnung, die Gott uns durch Dich gibt,
für uns und unser Leben
und heile uns an Leib und Seele.
Liederempfehlung
Ich singe dir mit Herz und Mund
Jesus ist kommen
Die Predigt gefällt mir. Anschaulich wird der Ort des Geschehens beschrieben.
Glaube und Vertrauen werden gewürdigt und uns anbefohlen. Jesus als Gottessohn proklamiert, der Macht hat, uns von Krankheit und Sünde zu befreien. Dass Sünde und Krankheit einen Zusammenhang haben, arbeitet der Prediger deutlich heraus. Das ist richtig. Ich würde aber mehr darauf abheben, dass Sünde mit unserem Schicksal zusammenhängt. Vergebung der Sünde ist für mich in erster Linie Versöhnung mit dem Geschick, das mir auferlegt ist, Friede mit mir selbst, mit meinen Mitmenschen, mit meinem Ergehen, wie schwer es auch sei, Friede mit meinem Schöpfer. Danke auch für das wunderbare abschließende Gebet.