Weihnachten 2023 – Gute Nachricht in viel Verzweiflung und Angst hinein
Auf der Suche nach einem „Heiland“, der uns aus der Not führt
Predigttext: Lukas 2,1-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung[1] war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt. 4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe[2]; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. 7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. 8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens[3]. 15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Erste Gedanken beim Lesen
Die Melodie der Geschichte trägt mich. Josef tritt auf. Er folgt der Aufforderung, sich in die Stadt seines „Hauses und Geschlechtes Davids“, nach Bethlehem, zu begeben. Fast nebenbei wird Maria erwähnt, sein „vertrautes Weib“, die schwanger war.
Die Zeit drängt. Maria bekommt „ihren ersten Sohn“. Sie legt ihn in eine Futterkrippe „in der Herberge“. Zeitgleich sind „in derselben Gegend“ Schafhirten. Es ist Nacht. „Der Engel des Herrn“ erscheint ihnen. Es ist eine lange Rede, die er den verängstigten Hirten hält. Schließlich erleben die Hirten „die Menge der himmlischen Heerscharen“. Der Himmel steht offen. Alles ist Lob und Ehre.
Die Angst ist von den Hirten abgefallen. Was sollen sie mit dieser Kunde anfangen? Bethlehem ist nicht groß. Sie werden sicherlich ein gewickeltes Kind in einer Futterkrippe finden! Die Suche dauert nicht lange. Sie finden die kleine Familie. Ihnen wird klar, was „der Engel des Herrn“ ihnen gesagt hat: Sie haben den Christus, hebr. den Messias, als gewickeltes Kind gefunden. Dass sich „alle“ Leute darüber „wundern“, kann man verstehen. Maria „behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen“. Ihr Kind muss etwas sehr besonderes sein! Aber auch die Hirten sind berührt von ihrem Erlebnis: Sie haben den Messias gesehen. Mit diesem Wissen „kehrten sie wieder um“, gingen nach Hause. Man wird in der Bibel von ihnen nichts mehr hören.
Am Ende seines Evangeliums erzählt Lukas von Menschen, die auch unterwegs sind (nach Emmaus). Auch sie haben eine besondere Begegnung. Auch sie werden umgehend aufbrechen und den Jüngern in Jerusalem erzählen, „was auf dem Wege geschehen war“ (Lk 24,32ff).
In einer drangvollen Zeit haben Menschen Begegnungen mit „Gott“, die sie auf den Weg bringen. Sie müssen weitersagen, dass der, auf den wir immer schon gehofft haben, der Messias, der Christus, zur Welt gekommen ist. Dass der Himmel offen ist, dass die Nacht nicht obsiegt. „Und es ward licht“ (Gn 1,3b). Eine neue Welt ist entstanden.
Anmerkungen zur Predigt
Die Geburt des HERRN Jesus ist ein Affront gegen den Kaiser, der der HERR der damaligen Welt ist. Lukas belegt seine Geschichte mit „historischen“ Fakten. Gleichwohl ist ein Zensus nirgends aufgeführt. Auch eine Aufforderung an die Menschen, sich zur Erhebung von Steuern zu ihrem Geburtsort zu verfügen, ist nicht belegt. Im Gegenteil: „Im jüdischen Denken steht das Zählen von Menschen in direktem Gegensatz zum göttlichen Willen“ (NT - jüdisch erklärt 122). Auch hier wird die Geburt Jesu als Protest gegen die weltliche Herrschaft erzählt. Historisch unhaltbar ist auch Quirinius, der als militärischer Statthalter eingesetzt war, „um den Aufstand der Homonadenser in Kilikien zu unterdrücken; der eigentliche Statthalter war der brutale Statthalter Varus. Josephus berichtet (…) von einem Provinzialzensus unter Quirinius im Jahr 6 n.C., nach dem Tod des Herodes“ (NT - jüdisch erklärt 122).
Jesus musste in Bethlehem, der „Stadt Davids“, geboren werden und nicht in dem unbedeutenden Nazareth, wo er wahrscheinlich zur Welt kam. Maria ist mit Joseph verlobt. Nach Lk 1,27 ist sie eine Jungfrau. Lk 2 spricht nicht mehr von einer „Jungfrau“. Auch von einem Namen für das Kind ist nicht die Rede. Der wird erst bei der Beschneidung genannt. Dafür wird er als HERR proklamiert, als der Christus, der Messias, auf den Israel gewartet hat, der gegen den HERRN in Rom, den Kaiser, geboren wird. Die Geburtsstelle Jesu ist ein Futtertrog. Dieser mag ein Sinnbild für Nahrung darstellen und bereits das letzte Abendmahl antizipieren. „Die Hirten“ sind in der Bibel positiv besetzt: Mose wie David waren Hirten.
Auf dem Feld haben die Hirten eine Erscheinung. Sie sollen in einen „Stall“ (nicht im Text!) gehen, wo sie ein Neugeborenes finden werden, das ihnen vom Engel als (griech.) sootaer (lat. salvator) vorgestellt wird. Im Iwrit - NT steht moschia, das jeschua sehr ähnlich ist. Der Name des Babys lautet also „Heiland“ bzw. „Retter“ Jesus. Diese Nachricht wird verstärkt von der „Menge der himmlischen Heerscharen“: Ehre gebührt nur Gott - und nicht dem Kaiser (!).
Die Hirten erzählen weiter, was sie (von den Engeln) gehört haben. Die Reaktion: Verwunderung bei den Leuten. Dieses Wort gebraucht bei den Synoptikern am meisten Lukas (13 Mal). „Verwunderung“ finden wir auch oft nach den Wundertaten Jesu. „In den Berichten der Synoptiker gibt thaumazoo den Eindruck wieder, den die Menschen von der Heilungstätigkeit und Wundermacht Jesu empfangen“ (Theol. Begriffslexikon zum NT 1445). „Jesus redet als einer, der alle sonst gültigen Maßstäbe außer Kraft setzt“ (Theol. Begriffslexikon zum NT 1446).
Die Reaktion der Mutter Jesu: Sie be-hält alle diese Worte der Hirten (lat. conservare). syntaereoo findet sich nur hier bei Lukas. Andere Schriften des NT verwenden es z.B. für das Halten der Gebote. Symballousa (lat. conferens) - nur hier im NT - bedeutet: etwas im Geist zusammenstellen, sich zusammenreimen, begreifen, verstehen.
Die Hirten kehren „nach Hause“ zurück. Dabei ehren (doxa, lat. Gloria) und rühmen sie Gott - wie die Engel (V 13f).
Literatur
Bibel in gerechter Sprache 4. Aufl. 2020. - Das neue Testament jüdisch erklärt 2021. - Schalom Ben-Chorin, Bruder Jesus 14. Aufl. 1977. - Theologisches Begriffslexikon zum NT 3. Aufl. 1972. - W. Gemoll, Schul- und Handwörterbuch 8. Auflage 1962. - Jerusalemer Bibel 6. Auflage 1974.
Dass wir Weihnachten so schön bunt und prächtig feiern, das verdanken wir Franz von Assisi: Kein geringerer als er hat uns die Krippe beschert, die auch mich in meiner Kindheit begleitete. Wir bauten mit der Familie im Wohnzimmer eine Krippe auf mit Moos aus dem Wald. Dann stellten wir die Figuren auf und dekorierten den Baum. Mein Vater ließ dann in den folgenden Tagen die Hirten wandern, wie auch die Könige und manchmal auch die Tiere. Dieses Bild von Weihnachten trage ich immer noch in mir und vielleicht auch einige von Ihnen.
I.
Ich erzähle Ihnen sicherlich nichts Neues, wenn ich Ihnen sage, dass das Neue Testament nicht nur eine Weihnachtsgeschichte kennt. Die „schönste“ ist sicherlich die vom Evangelisten Lukas. Sein zweites Kapitel ist heute unser Text, und ich lese ihn, nachdem wir in bereits in der vertrauten Übersetzung hörten, in einer eigenen Übersetzung vor:
Das geschah aber in jenen Tagen: Es war ein Edikt vom römischen Kaiser Augustus ergangen, den ganzen Erdkreis zu registrieren. Diese Registrierung, die erste, geschah, als Kyraenios über Syrien herrschte. Und alle machten sich auf, sich in die Liste eintragen zu lassen, jeder in seine Stadt. Da ging auch Josef von Galiläa aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa, in die Stadt Davids, die Bethlehem heisst, weil er aus dem Hause und Geschlechter Davids war, um sich registrieren zu lassen mit Maria, die mit ihm verlobt war, und sie war schwanger.<<
Aber es geschah, als sie dort waren, dass die Tage (der Schwangerschaft) voll waren und sie gebären würde, und sie gebar ihren Sohn, den erstgeborenen, und wickelte ihn und legte ihn in eine Krippe, weil ihnen in der Unterkunft kein Raum zur Verfügung stand.
Und Hirten waren in dieser Gegend unter freiem Himmel und wachten des Nachts über ihre Herde. Und der Engel des Herrn trat zu ihnen und die Ehre des Herrn umleuchtete sie, und es erfasst sie ein großer Schrecken. Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Denn siehe: Ich verkündige euch eine große Freude, die jedes Volk betreffen wird: Geboren ist euch heute der Heiland, das ist der Christus-Herr, in der Stadt Davids. Und das ist für euch das (Erkennungs-) Zeichen: ihr werdet einen Säugling finden, gewickelt und in einer Krippe liegend. Und plötzlich war mit dem Engel die Menge eines himmlischen Heeres, die lobten den Gott und sagten: Ehre in den Höhen für Gott und auf der Erde Frieden in Menschen des Wohlgefallens!
Und es geschah, als die Engel von ihnen in den Himmel weggegangen waren, sagten die Hirten zueinander: Lasst uns sogleich gehen nach Bethlehem und diese Geschichte sehen, die geschehen ist, die der Herr uns kund getan hat. Und sie eilten davon und machten Maria ausfindig und auch Josef und den Säugling, liegend in einer „Krippe“; als sie aber gesehen hatten, taten sie kund das Wort, das zu ihnen gesagt war über dieses Kind. Und alle, die es hörten, war erstaunt über das Gesagte von den Hirten zu ihnen; aber Maria behielt alle diese Worte, und bewegte sie in ihrem Herzen. Und es kehrten um die Hirten, ehrend und lobend Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, genau wie es zu ihnen gesagt war.
II.
Welche der Personen ist die Wichtigste? Das ist natürlich eine rhetorische Frage, weil alle Personen wichtig sind. Ich möchte die Gruppe der Hirten herausgreifen. Nicht zuletzt eine jüdische Auslegung unserer Geschichte weist darauf hin, dass in den Schriften Israels „zahlreiche positive Hirtenbilder (Mose und David eingeschlossen)“ vorliegen. Das mag eine Ergänzung zu den armen Hirten sein, die gebeugt an der Krippe stehen. Hat Lukas solche Führungspersönlichkeiten vor Augen? Auch der Evangelist Matthäus erzählt von Eliten, die zur Krippe kommen: die „Hl. drei Königen“. In unserer Geschichte möchte Lukas sagen: Das Neugeborene ist aller Ehren wert.
Das Wort „Ehre“ erklingt mehrfach in der Weihnachtsgeschichte. Freilich steht am Anfang die Angst vor jener ungeheuerlichen Erscheinung, die die Hirten auf dem Feld hatten: Der Himmel tut sich auf. Ein Engel erscheint, umgeben von der „Ehre Gottes“ wie einem großen Licht. Ist es Gott selber, der den Menschen erscheint? Seine Worte erfüllen die Hirten mit „großer Freude“. Die Angst fällt ab. Und die „Ehre“ erscheint mit der „Menge eines himmlischen Heeres“: Ehre sei Gott in der Höhe, singen sie, und Frieden auf Erden in Menschen der Freude Gottes! Hier nimmt das Bach´sche Weihnachtsoratorium seinen Anfang! Oder sollten wir an den gewaltigen „Ehre-Chor“ im „Messias“ von Händel denken? Lukas will mit diesem Chor dem kleinen Kind in der „Krippe“ seine Aufwartung machen: Denn in ihm, dem „Heiland“, ist Gott selber zur Welt gekommen. Er ist der wahre Retter der Welt – und nicht der römische Kaiser damals oder sonst ein Oligarch heute.
Das Kind musste daher in einer besonderen Stadt geboren werden – so erzählt es uns der Evangelist. Für „Nazareth“ ist es zu schade. Es musste in der „Stadt Davids“, des großen Hirten, geboren werden. Aber wie kommt es dahin? Lukas legitimiert es mit einer fiktiven Volkszählung und einer mittleren „Völkerwanderung“. Nicht nur jüdische Kommentare weisen darauf hin, dass „das Zählen von Menschen in direktem Gegensatz zum göttlichen Willen“ steht. Wir erinnern uns an Volkszählungen im Alten Testament, die der Rekrutierung von Soldaten dienten (s. Ex 30,12 und 2 Sam 24). Auch in unseren Tagen erleben wir, dass Menschen einberufen werden! Treten Weihnachten also himmlische Heerscharen gegen kriegerische an? In der Passion sagt Jesus, dass er „himmlische Heerscharen“ zu Hilfe rufen könnte. In unserer Weihnachtsgeschichte umgeben die himmlischen Heerscharen den neugeborenen Gott und schützen ihn.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Hirten wieder nach Hause gehen können: Gott ist gut aufgehoben! Sie nehmen den Glanz der „Ehre“ mit und strahlen sie aus. Und die Menschen erleben an den Hirten, was später die Geheilten bei Jesus erleben: Alle staunen über das Leben, das Licht, das er ihnen bringt: Es ist die Freude, die sie ins Leben auferstehen lässt.
III.
Lukas erzählt uns seine Geschichte auf dem Hintergrund großer Unruhen: eine Mobilmachung steht im Raum. Von einem Kindermord berichtet Matthäus. Menschen müssen ihre Heimat verlassen. Sie haben das Gefühl: „Welt ging verloren“. Alte Lösungen helfen nicht bei unseren heutigen Problemen. Wir suchen nach einem „Heiland“, der uns aus der Not führt wie ein guter Hirte oder wie ein Licht, das der Welt endlich Klarheit bringt. Weihnachten – die gute Nachricht in viel Verzweiflung und Angst hinein.
Das hat Maria empfunden, die alles in ihrem Herzen bewegt. Vielleicht ist ihr manches fremd (geblieben). Vielleicht braucht sie noch etwas Zeit, um das Licht der himmlischen „Ehre“ zu fassen. Ist sie uns darin nicht sehr nah, dass sie ohne Überschwang und Ausgelassenheit alles behält und darüber nach-denkt und nachsinnt? Dass wir mit Maria nachsinnen und über das Licht der himmlischen Ehre staunen und uns wie die Hirten aufmachen, um zu sehen, „was der Herr uns kundgetan hat“, dass Gott zur Welt, zu uns komme, das wünsche ich uns allen. Fröhliche Weihnacht!
Die innere Melodie der bekannten Weihnachtsgeschichte nach Lukas trägt Pastor Kühne schon in seiner gründlichen Predigttext-Einführung. Interessant und neu beginnt die Predigt damit, dass Franz von Assisi angefangen hat, Weihnachten zu feiern mit einem Kind in einer aufgestellten Futterkrippe. Pastor Kühne beschreibt, dass zur Zeit Jesu eine große Volkszählung im Herkunftsort befohlen wurde. Josef und Maria zog deswegen nach Bethlehem, weil er von König David abstammte. Sie mussten ihr neugeborenes Kind in eine armseligen Futterkrippe legen. Engel verkünden den Hirten die Geburt und lobten Gott . Hirten sind in der Bibel wie Mose und David besonders wichtig. Sie verkündigen weiter den Retter der Welt. In friedensarmen Zeiten heute ist die Botschaft sehr wichtig.