„Wo Himmel und Erde sich berühren“

Höhe- und Tiefpunkte - Beides zusammen macht erst das Ganze aus

Predigttext: Matthäus 17,1-9 (mit Einführung)
Kirche / Ort: Sinsheim
Datum: 29.01.2023
Kirchenjahr: Letzter Sonntag nach Epiphania
Autor/in: Dekanin Christiane Glöckner-Lang

Predigttext: Matthäus 17,1-9 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Sechs Tage danach nahm Jesus mit sich Petrus, Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.
Und er wurde verklärt/verwandelt vor ihnen, und sein Angesicht erstrahlte wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.

Und siehe, es erschien ihnen Mose und Elia, die redeten mit ihm.
Petrus aber antwortete und sprach zu Jesus: Herr, es ist gut, dass wir hier sind.

Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Als er noch so redete, siehe, da überschattete sie eine helle Wolke. Und siehe, eine Stimme aus der Wolke, sprach:  Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, auf ihn sollt ihr hören!
Als das die Jünger hörten, fielen sie auf ihr Angesicht und fürchteten sich sehr.

Aber Jesus trat zu ihnen berührte sie und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!
Aber als sie ihre Augen aufhoben, sahen sie niemand außer Jesus allein.
Und als sie vom Berg hinabstiegen, gebot ihnen Jesus und sprach: Berichtet niemandem von dieser Erscheinung bis der Menschensohn von den Toten auferstanden ist.

 

 „Da berühren sich Himmel und Erde“

Es gibt Orte, da berühren sich Himmel und Erde. Und es gibt Momente, da erscheint alles in einem anderen Licht. Die Fragen und Zweifel schwinden und alles wird klar. Alles erscheint deutlicher als sonst und anderswo. Gipfelerfahrungen. Die Welt hüllt sich in Schweigen. Geräusche höre ich nur aus der Ferne. Die Kuhglocken, das Rauschen eines Wasserfalls, eine tief unten vorbeiziehende Eisenbahn. Die Welt scheint entfremdet. Verändert. Wer schon einmal einen Berg bestiegen hat, der weiß, wie anstrengend das ist, aber auch was für ein wunderbares Gefühl, wenn man es endlich geschafft hat bis ganz oben! Alles, was mich verfolgt, bedrängt oder ablenkt, ist plötzlich ganz weit weg. Dazu kommt die Klarheit der Farben und Formen, der Blumen und Felsen, die Intensität des Lichtes. Am liebsten würde ich hierbleiben. Den Augenblick einfrieren.

Exegetische und homiletische Überlegungen

Ulrich Luz beschreibt in seinem Kommentar die Verklärungsgeschichte als Verwandlungsgeschichte. Was Martin Luther mit „verklärt“ übersetzt, im Sinn von erhellen/erleuchten, übersetzt Luz wörtlich mit „verwandelt werden“. (Ulrich Luz, Das Evangelium nach Matthäus, Evangelisch-katholischer Kommentar, Zürich und Braunschweig 1990)

Die Verwandlung bezieht sich auf Jesus, dessen Göttlichkeit hier offenbart wird. Sie bezieht sich jedoch auch auf die Jünger und letztendlich auch auf die HörerInnen des Evangeliums. Was macht dieses Bergerlebnis mit den Jüngern? Und was machen solche Gipfelerfahrungen mit uns? Das möchte ich in der Predigt fragen.

Das Zentrum in der Verwandlungsgeschichte ist die Gottesstimme (V5f.). Es geht also keinesfalls nur ums Sehen, sondern auch ums Hören und Nachfolgen.

Elija und Mose sind vermutlich weniger als Vertreter von Gesetz und Prophetie gedacht, sondern eher Vertreter der Himmelswelt, die eigene Bergerfahrungen gemacht haben.

Die Perikope ist eng mit dem Kontext verknüpft. Bereits in Mt 16 taucht Elija auf (16,14), es geht um die Gottessohnschaft (16,16f.) und die Ankündigung von Jesu Leiden (Mt16,21ff.). Die Bezüge zur Taufe Jesu werden durch die Gottesstimme hergestellt (Mt3,17). Das Motiv des weißen Gewandes verweist klar auf Ostern (Mt28,3-7). Auch mit der Gethsemaneperikope gibt es durch die drei Jünger Berührungen. Die drei werden das nächste Mal in Gethsemane von Jesus beiseite genommen, um mit ihm zu beten. Nach dem „Höhepunkt“ auf dem Berg erleben sie Jesus dann auf einem Tiefpunkt, voller Verzweiflung, kurz vor der Festnahme.

Der Bezug zu Passion und Ostern spielt für mich auch in der Predigt eine Rolle. Die Verklärung Jesu auf dem Berg ist ein Stück vorweggenommene Osterherrlichkeit. Doch zunächst gilt es, wieder in die Niederungen hinabzusteigen. Zum Gottessohn gehört die österliche Auferstehung, gehört aber genauso das Leiden. Beide Aspekte gehören im matthäischen Jesusbild zusammen.

Auch wir HörerInnen können auf dem Gipfel leider nicht verweilen. Beim Abstieg vom Berg nehmen wir aber die Gipfelerfahrungen mit nach unten.

Lieder
NL 70 Da berühren sich Himmel und Erde
EG 450 Morgenglanz der Ewigkeit
NL11 Christus, Dein Licht
EG 74 Du Morgenstern, du Licht vom Licht.

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Es gibt Orte, da berühren sich Himmel und Erde. Und es gibt Momente, da erscheint alles in einem anderen Licht. Raum und Zeit werden aufgehoben. Bleiben wir einen Moment gemeinsam mit Petrus, Jakobus und Johannes dort oben auf dem Berg. Und sehen wir auf Jesus: „Er wurde verklärt vor ihnen, und sein Angesicht erstrahlte wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht“ (Mt 17,2).

I.

Verklärt. Verwandelt. Strahlend. Gott stellt uns seinen Sohn vor Augen und es klingt wie bei der Taufe Jesu: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe, ihn sollt ihr hören!“ (vgl. Mt 3,17) Wir sehen das blendende Licht, leuchtend weiße Kleider, Jesus österlich verklärt.  Die Herrlichkeit des Herrn – hier strahlt sie auf. Was geschieht in diesem Moment mit den Jüngern? Festhalten wollen sie das Gipfelerlebnis. Allen voran Petrus. „Herr, es ist gut, dass wir hier sind. Wenn du willst, werde ich hier drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elija eine“ (Mt17,4).

Ja, lasst uns Hütten bauen! Ganz pragmatisch packt Petrus die Sache an. Es wird ihm klar, dass er gerade etwas äußerst Ungewöhnliches erlebt und das möchte er bewahren. Mich erinnert das an die Urlaubsfotos, mit denen ich versuche, die besten Momente festzuhalten. Wenn ich später aufs Handy schaue, erinnere ich mich zwar daran, wie toll das alles war und doch muss ich nüchtern sagen: Das Schöne, das Beeindruckende des Moments geben die Bilder nicht wieder. Es gelingt nur bruchstückhaft, den Augenblick einzufangen. Oft auch gar nicht. „Verweile doch, o Augenblick, du bist so schön.“ (Goethe)

Aber Hüttenbauen ist auch keine Lösung. Und der Moment ist zwar schön, doch auch ziemlich verstörend. Denn nichts ist wie sonst. Neben dem verklärten Jesus erscheinen sogar noch zwei andere Personen: Mose und Elija, zwei Lichtgestalten der Bibel. Zwei, die ihre eigenen ganz besonderen Gipfelerfahrungen gemacht haben. Licht lag auf Moses Gesicht, nachdem Gott ihm die Tafeln mit den 10 Geboten übergeben hatte damals am Sinai.

Und Elija: Er verbarg sich in einer Höhle am Horeb als Gott an ihm vorrüberging. Sein Angesicht hatte Gott ihn nicht sehen lassen. Und doch war er da. Nicht im Wind war der Herr, nicht im Erdbeben und nicht im Feuer. Er erschien Elija in einem stillen, sanften Säuseln (1. Kön. 19,12). Seitdem war für Elija klar: Gott geht mit. Auch wenn er ihn nicht sehen konnte von Angesicht zu Angesicht. Gott war da und ist da und wird da sein.

II.

Gipfelerfahrungen. Nur selten leuchtet etwas auf, erstrahlt Lebens- und Glaubensgewissheit. Doch dann dieser eine, besondere Moment und alles erscheint in einem anderen Licht. Heute stehen wir mit den Jüngern auf dem „Berg der Verklärung“. Was kommen uns dabei für Gipfelerfahrungen in den Sinn? Wo berühren sich für uns Himmel und Erde? Werden Raum und Zeit aufgehoben? Es müssen keine Berggipfel sein.

Vielleicht ist es ein klärendes Gespräch, das die Wende brachte. Nach langem hin und her ist es endlich wieder möglich, gut miteinander zu sprechen. Klar und deutlich. Das brauche ich. Das brauchst du. Das hilft uns. So können wir weiter gehen.

Vielleicht ist es eine besondere Nachricht: Nach langem Krankenhausaufenthalt steht endlich fest: Du darfst nach Hause. Es ist nicht alles gut. Die Nachbehandlung wird noch viele Wochen dauern. Aber das Schlimmste ist erst einmal überstanden. Du wirst lernen, mit dieser Krankheit zu leben. Du wirst einen Weg finden. Du kannst weiter gehen.

„Jesus trat zu ihnen berührte sie und sprach: Steht auf und fürchtet euch nicht!“ (Mt17,7). Jesus richtet die Jünger wieder auf. Sie haben sich erschrocken da oben. Das helle Licht. Mose und Elija. Die Stimme des Gottes. Doch dann ist all das verschwunden und Jesus wieder „der Alte“. Er richtet sie auf und schickt sie hinunter vom Berg. Denn oben können sie nicht bleiben. Erstaunlicherweise ist es aber nicht der verklärte Christus in der Gestalt des Auferstandenen, der sie hinunter in den Alltag der Welt sendet. Es ist der irdische, der nahe Jesus, der sie tröstend in die Arme nimmt und der selbst mitgeht. Dort hinunter wo das Leiden auf ihn wartet. Und dann?

Petrus, Jacobus und Johannes sind sicher nicht so zurückgekommen, wie sie aufgebrochen sind. Die Gipfelerfahrung hat sie verändert. Sie gehen zurück in ihren Alltag mit der Gewissheit, dass Gott mit diesem Jesus ist. Und dieser Jesus mit ihnen. Die Herrlichkeit des Herrn haben sie gesehen. Und nehmen sie mit in das Dunkel der Welt. Doch berichten sollen sie zunächst nichts von alldem. Warum? Weil es noch nicht Zeit ist. Weil Jesus erst leiden muss, bevor er aufersteht. Bevor an Ostern seine Kleider wieder leuchten „weiß wie der Schnee“ (Mt28,3).

So wie die Jünger Jesus auf dem Berg gesehen und erlebt haben, werden sie ihn erst als Auferstandenen wiedersehen. Zuvor aber werden genau diese drei Jünger mit ihm im Garten Gethsemane beten. In jener Nacht, in der er ausgeliefert wird. Sie werden in seiner Nähe sein, doch seinen Tiefpunkt werden sie verschlafen. Gott allein wird mit ihm sein.

III.

Wir stehen heute am Übergang von der Weihnachts- zur Passionszeit. An Jesu Verklärung schneiden sich die Linien vom herrlich leuchtenden “Morgenstern” und dem leidenden Jesus am Kreuz. Höhe- und Tiefpunkte. Beides zusammen macht erst das Ganze aus. In Christus wie in jedem einzelnen Menschen. Gipfel – und Tiefenerfahrungen gehören zusammen.

Es gibt Orte, die markieren Tiefpunkte im Leben.
Es gibt Momente ganz tiefer Verzweiflung.
Es gibt aber auch Orte, da berühren sich Himmel und Erde.
Und Momente, da erscheint alles in einem anderen Licht.
Ich kann sie nicht festhalten.
Aber diese Augenblicke schenken mir die Kraft, weiterzugehen.
Steh auf, sagt Jesus. Geh los! Fürchte dich nicht, denn ich bin mit dir!

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Ein Kommentar zu “„Wo Himmel und Erde sich berühren“

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Es gibt Orte und Momente, da erscheint alles in einem anderen Licht. Gipfelerfahrungen in unserem Leben. Gott stellt uns manchmal Jesus vor Augen in österelicher Verklärung. Petrus will das sofort bewahren: Verweile doch, du bist so schön. Neben dem verklärten Jesus tauchten damals noch Mose und Elija auf, zwei Personen der Bibel, die Gipfelerfahrungen gemacht haben. – Wa kann für uns heute eine Gipfelerfahrung sein ? Es gibt heute auch die Gipfelerfahrung durch ein klärendes Gespräch, das eine wichtige Wende in unserer Beziehug brachte. Oder durch eine gute Nachricht bei einer schweren Krankheit, die Heilung verspricht ! Jesus richtete die Jünger damals wieder auf . Das geschieht auch immer wieder in unserm Alltag. Nach seiner Auferstehung werden die Jünger wieder Jesus treffen wie auf dem Berg. -Wir sind auf der Grenze von der Weihnachts- zur Epiphanias -und Passionszeit. Gipfel und Tiefen gehören dazu.Mit Jesus können wir weitergehen.

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