Danke, danke, Gott, für die Musik
Musik hilft! Egal ob klassisch oder modern, Kirchenchoral oder Wacken-Festival...
Peredigttext: 1. Samuel 16,14-23 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
David kommt an Sauls Hof
14 Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn. 15 Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich. 16 Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde. 17 Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir. 18 Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der HERR ist mit ihm. 19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist. 20 Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David. 21 So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul gewann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger. 22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen. 23 Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.
„Thank you for the music!“ hat die Popgruppe Abba Ende der 70er Jahre gesungen. „Danke für die Musik!“ Und es stimmt: Musik berührt und begeistert, lässt uns summen, singen, mitklopfen, tanzen, setzt uns in Bewegung. „Thank you for the music!“ Ist das auch ein Gebet? Ich weiß nicht, ob ABBA das so verstanden hat, aber wir dürfen es am Sonntag Kantate ganz sicher so verstehen.
I.
Danke, Gott, Danke für die Musik! Heute hören wir die Geschichte eines Mannes, der tatsächlich allen Grund hatte, Gott für die Musik zu danken. Denn die Musik hat ihn geheilt. Aber hören sie selbst, was er zu erzählen hat:
(Krone auf)
Gestatten? Ich bin Saul!
Erster König von Israel. Vom Propheten Samuel gesalbt. Vom Volk gewollt und geachtet. Stark sein muss ich. Und ich bin es auch – meistens jedenfalls. Ich muss den Überblick behalten. Führen und leiten, den Weg vorgeben, die Ansage machen. Ich bin eine Führungspersönlichkeit. Meistens jedenfalls. (Anm.: Krone abnehmen)
Ich kenne nämlich auch die andere Seite.
Richtige Abstürze.
Dann bin ich ungeduldig, unfair, ungerecht,
ich brülle, ich schmeiße mit Gegenständen.-
Ich raste aus. Dann bin ich arbeitsunfähig.
Ich werde traurig und mutlos.
Mir ist alles zu viel.
Wahrscheinlich könnte jemand anders alles viel besser als ich.
Seit ein paar Wochen aber habe ich Hoffnung. Ich höre auf einen jungen Mann, David heißt er, ich höre auf seine Musik. Er ist mir empfohlen worden.
Man sagt, er sei ein Naturtalent. Er schreibt sie sogar selbst, die Psalmen, die Gebete, die er mir vorsingt. Und wie wunderbar er dazu auf Harfe spielt!
Zuerst war ich skeptisch:
Ein Schafhirte aus dem Dörflein Bethlehem. Sein Vater Isai hat ihn mit einem Esel und einem Ziegenböcklein zu mir geschickt.
Dann hat er die Harfe ausgepackt.
Aber ich muss sagen: Es wirkt.
Die Musik tut mir gut.
Ich komme wieder zu mir.
Ich bin wie befreit. Ich kann wieder durchatmen.
Es wirkt nicht immer, aber oft geht es mir danach besser.
Dafür bin ich zutiefst dankbar!
Danke, Gott, für die Musik!
II.
So klingt Saul. Erster König von Israel. Vielleicht ist Charles III bei der bombastischen Krönungszeremonie gestern ähnliches durch den Kopf gegangen: Welch göttliche Kraft hat die Musik! Für Saul war die Musik aber nicht einfach nur schön und erbaulich, nein sie war sein Heilmittel.
Und der junge Mann, der ihm als Musiktherapeut diente war kein geringerer als der spätere König David, damals noch ein Hirtenjunge aus dem Dorf Bethlehem. Saul macht ihn zu seinem Waffenträger. Und David bleibt am Hof als Musiker und enger Vertrauter Sauls. Später, das wissen wir, wird David Sauls Konkurrent und schließlich sein Nachfolger. Zu Beginn aber ist von Konkurrenz noch nichts zu spüren. Im Gegenteil: „Und er gewann ihn sehr lieb“ so heißt es.
Irgendwie sind da Resonanzen zwischen den beiden. Und Resonanzen löst auch die Musik Davids aus. So lesen wir im 1. Buch Samuel: „Wenn der Geist Gottes über Saul kam, dann nahm David die die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. Und Saul fand Erleichterung und es wurde besser mit ihm und der böse Geist wich von ihm“.
Davids Musik bringt Zuversicht in Sauls Leben, Trost und neuen Lebensmut. Der Musiker David ist dabei in seiner Zeit in etwa so berühmt wie die Band Abba bei uns heute. Aber David ist kein glänzender Superstar. Er ist mindestens eine so ambivalente Figur wie Saul. Denn auch David hat seine Abgründe. Er stürzt andere ins Unglück, um sich selbst einen Vorteil zu sichern. Schonungslos ehrlich wird das in der Bibel berichtet.
Und genau das gefällt mir am Alten Testament, dass dort die Figuren oft so realistisch geschildert werden. Und dass ich mich in manchem wiederfinden kann. Ein wenig Saul steckt auch in mir und meinen Widersprüchen. Und ein wenig David steckt auch in mir und meinen Schattenseiten. Lassen Sie uns jetzt noch einen Blick werfen auf die seltsame Krankheit des Königs Saul.
Ein heutiger Psychologe, so ist in den biblischen Kommentaren zu lesen, würde bei Saul vermutlich eine sogenannte bipolare Störung feststellen. Seine Stimmungen schwankten stark. Mal war er himmelhoch jauchzend, mal zu Tode betrübt. Seine Krankheit stürzte ihn immer wieder in tiefe depressive Phasen. Ob er wirklich manisch-depressiv war, wissen wir nicht genau. Zu spärlich sind die Angaben im biblischen Text. Klar ist nur, dass er krank war. Die königlichen Beamten deuten die psychische Erkrankung ihres Herrn so, wie es damals üblich war: „Ein böser Geist des Herrn verstörte ihn“, so heißt es. Uns kommt das heute seltsam vor: Warum sollte eine psychische Erkrankung auf einen bösen Geist zurückgehen? Und warum sollte Gott den bösen Geist auch noch geschickt haben?
III.
Zu Sauls Zeiten hat man psychische Erkrankungen jedoch auf böse Geister zurückgeführt, auf Dämonen, die man austreiben musste. Und den Geist, egal ob gut oder böse, den hat man Gott zugeschrieben. Die Menschen damals nahmen an: Nichts geschieht ohne Gottes Geist. Die Krankheit nicht, aber auch die Heilung nicht. Mit dem Wissen unserer Zeit gehen wir heute ganz anders mit Krankheiten um. Uns ist klar: Krankheit hat nichts mit einem bösen Geist zu tun und sie ist auch nicht von Gott geschickt. Aber auch heute noch kann es vorkommen, dass psychisch kranke Menschen ihre Krankheit als etwas erleben, das von außen kommt, das sie überfällt wie ein fremdes Wesen.
„Das bin doch nicht ich“ sagte mir neulich eine Frau bei einem Besuch. Etwas Fremdes, etwas von außen, etwas Unheimliches hat von ihr Besitz ergriffen, so hat sie es geschildert. Eben wie ein böser Geist. Werfen wir jetzt noch einen Blick auf das Umfeld des kranken Königs Saul. Wie gehen seine Mitmenschen mit der Krankheit um? Das ist erstaunlich, ja fast schon vorbildlich! „Unser Herr befehle seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe zu spielen weiß. Und es wird geschehen, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, so wird er mit seiner Hand darauf spielen und es wird besser werden mit dir“.
Die Diener konfrontieren Saul mit dem, was sie beobachtet haben. Die Wahrheit der Situation aussprechen, das ist der erste Dienst, den sie Saul tun. Dann, in einem zweiten Schritt, schlagen sie eine Therapie vor und machen ihm Hoffnung, aber ganz realistisch: Es wird besser mit dir werden! Sie sagen nicht: Dann bist du deine Beschwerden alle wieder los. Nein. Sie wissen: Diese Stimmungen können wiederkommen. Aber du wirst dem nicht mehr so hilflos ausgeliefert sein. Es wird besser werden! Und Besserung bringt die Musik!
David singt und spielt auf seiner Harfe für Saul. Das Instrument, das Luther hier mit Harfe übersetzt, ist vermutlich eine Kinnor. Dabei dürfen wir uns keine moderne Konzertharfe vorstellen. Es handelte sich vielmehr um einen einfachen Holzkasten als Resonanzkörper, über den mehrere Saiten gespannt waren. Eine Kinnor war wohl eher ein antiker Vorläufer der Gitarre. Mit dem Vorschlag der Musiktherapie sind die Beamten des Königs jedenfalls auf der Höhe des medizinischen Wissens ihrer Zeit. Und selbst in unserer Zeit wird Musiktherapie erfolgreich eingesetzt und leistet bis heute einen wichtigen Beitrag dazu, Leiden zu lindern. Man muss nicht krank sein, um diese Wirkung an sich zu erfahren. Jede und jeder von uns kann das sicher bestätigen: Musik hilft! Egal ob klassisch oder modern, Kirchenchoral oder Wacken-Festival. Musik hat die Kraft, uns zu verwandeln. Uns wieder fröhlich zu machen. So dass wir befreit aufatmen. Und beschwingt weitergehen.
„Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder!“ (Psalm 98,1). Der Wochenspruch ruft uns das heute zu. König Saul hat es erfahren, das Wunder. Der böse Geist wich von ihm, Zuversicht, Trost und Lebensmut kehrten ein. Auch uns ist die Musik ans Herz gelegt. Nicht nur am Sonntag Kantate, aber heute besonders. „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“. Singt nicht nur, aber singt auch dann, wenn euch zum Heulen ist. Und singt neu – singt anders! Stimmt statt der Klagelieder ein Loblied an, weil Gott nicht aufhört, Wunder zu tun! Man muss übrigens nicht besonders musikalisch sein, um dem Aufruf des Psalmisten, zu folgen. „Gott ist auch mit Brummern zufrieden, wenn sie nur von Herzen brummen“. So hat es Martin Luther einmal schön ausgedrückt: „Wir hier unten“, meinte Luther, „sind wohl zu heiser und haben nicht die rechte Stimm‘. Dennoch wollen wir mitbrummen, was wir nur können und einstimmen in den hohen Lobgesang der Engel und himmlischen Heerscharen: Ehre sei Gott in der Höhe!“ Danke, danke, Gott, für die Musik!
Sehr lebendig und interessant spricht diese Predigt über seelische Leiden und die Heilkraft der Musik. Man dankt Gott am Ende für die Musik und die Heilkraft, die von ihr ausgehen kann.