Einladende Kirche?

Der Blick in die eigenen Reihen ist noch oft genug ernüchternd

Predigttext: Predigttext: Lukas 14, 15.16-24
Kirche / Ort: Ev. Stadtkirche / Pforzheim
Datum: 18.06.2023
Kirchenjahr: 2. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pfarrer Hans Gölz-Eisinger

Predigttext: Lukas 14, 15.16-24 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

15Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
16Darauf antwortete ihm Jesus: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
17Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
18Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen.
Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich.
19Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen;
ich bitte dich, entschuldige mich.
20Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
21Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein.
22Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da.
23Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
24Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

 

 

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Gehen Sie eigentlich gerne zu Einladungen? Oder bleiben Sie doch lieber zuhause, wenn endlich Feierabend ist, mal kein Termin ansteht oder das Wochenende nicht mit Verpflichtungen belegt ist? Vielleicht kommt Ihnen etwas bekannt vor, wenn sie nun den Predigttext hören. Denn heute werden wir Zeugen einer besonderen Einladung.

Jesus war von einem prominenten Pharisäer eingeladen worden. Vermutlich noch vor Beginn des Schabbat nach Sonnenuntergang gab es schon Vorspeisen und Diskussionen. Es war kein entspanntes Freundschaftstreffen, kein entspanntes Festmahl, sondern ein durchaus edles Essen in prominentem Rahmen. Die Stimmung war gespannt und Jesus wurde kritisch beobachtet: Würde er einen Kranken heilen, obwohl er damit die Vorbereitungen zum Schabbat stören würde?

Jesus wiederum beobachtete ebenfalls aufmerksam. Ihm fiel auf, wie jeder Gast versuchte, möglichst weit vorne beim Gastgeber zu sitzen. Eine Versammlung einflussreicher, wohlhabender Männer, die sich Vorteile erhofften. Das gefiel Jesus gar nicht und er äußerte sich dazu mit einem Gleichnis: Strebe nicht nach den besten Plätzen, sondern bleibe bescheiden am Ende der Tafel. Der Gastgeber entscheidet über die Ehrenplätze, nicht der Gast. Sonst könnte es peinlich werden, wenn man seinen Platz für einen prominenteren wieder räumen müsse. Und als Gastgeber solle man lieber Menschen einladen, die selbst keine Festbankette ausrichten könnten. Es sei besser, am Ende bei Gott zu Ehren zu kommen, weil man im Leben bescheiden und aufmerksam geblieben sei. Offensichtlich hatte man Jesus zugehört, denn ein Gast reagierte und zwar so:

(Lesung des Predigttextes Lukas 14,15.16-24)

Einladung

Eine Einladung ist doch eine wunderbare Sache! Ein Brief oder eine schöne Karte kommt, manchmal werden wir auch angerufen oder direkt angesprochen. Eine Einladung bedeutet: Da hat jemand Interesse an mir, will mir etwas Gutes tun, will einen schönen Abend mit mir und Anderen verbringen. Inzwischen ist es sogar üblich, mind. 3-6 Monate vor größeren Festen ein „save-the-date“ zu erhalten, so eine „Da-ist-ein-besonderer-Abend-bitte-halte-dir-den-Termin-frei-Mail“. So hatte es auch der Gastgeber in Jesu Gleichniserzählung gemacht. Alles ist vorbereitet, die vorgesehenen Gäste sind schon lange informiert. Und endlich, als alles fertig ist, kommt sogar eine „Last-minute-Erinnerung“: Ein Diener des Gastgebers informiert die Geladenen „Jetzt geht’s los“.

Doch die Gäste kommen nicht. Sie kennen den Gastgeber, sehen ihn immer wieder bei unterschiedlichen Gelegenheiten. Aber sie kommen nicht. Spätestens hier frage ich mich: Wie verbindlich sage ich eigentlich Termine zu? Wie deutlich sage ich ab? Bin ich unklar? Kurz: Was macht es schwer, Ja oder Nein zu sagen? Bevor ich mit Ihnen diesen Fragen weiter nachgehen möchte, also auf die eingeladenen Gäste schaue, will ich zuerst noch etwas beim Gastgeber und der Art der Einladung bleiben. Eine Einladung ist immer eine wunderbare Sache? Manche Einladungen sind das nicht.

Gastgeber

Es gibt Gastgeber, die wollen etwas von ihren Gästen. Da geht es nicht um gute Begegnungen, um freundliches Interesse am Nächsten, da geht es ums Geschäft; oder um Macht; oder um Informationen, aber nicht um die Pflege von Freundschaften und um gemeinsame Verantwortung für Welt. Jesus war in eine solche Gesellschaft geraten, wir hörten es. Wem es jemals ähnlich ergangen ist, der weiß: Nicht jedes freundliche Gesicht, nicht jedes gute Essen, nicht jede schön gemachte Einladungskarte gibt uns einen guten Tag oder Abend. Und wo stehe ich? Zuerst denke ich: Wir sind eingeladen. Wie Jesus. Wie die Jünger. Wie die Pharisäer. Damals. Aber dann denke ich weiter: Wir laden auch dauernd ein. Ständig bieten unsere Gemeinden, Werke und Dienste etwas an. Sie wollen, dass die Gemeinschaft lebt, dass neue Leute dazukommen, dass die Gemeinden und die Kirche nicht untergeht.

Wir laden ständig ein. Sind wir auch einladend? Wir sind präsent, sprechen Menschen an, hängen Plakate, bestücken Homepages, verteilen Flyer, designen social media. Aber es kommen kaum mehr als die üblichen 2-3 % unserer Mitglieder. Die Insider und Liebhaber unserer Kirche. Kann es sein, dass wir gar nicht so sympathisch wirken, wie wir das denken?

Rechnen wir damit, dass die Menschen unsere Sprache nicht verstehen oder gar nicht verstehen wollen? Jahrhunderte wurden Menschen in einen eher ideologischen statt lebendigen Glauben genötigt. Kirchen traten autoritär und machtvoll auf, ließen auswendig lernen statt mit Geduld Wissen und Erfahrungen auszutauschen. Immer noch und immer wieder erschüttern Skandale auch die Kirchen.

Es genügt also nicht, Einladungen auszusprechen und dann faktisch wie Pharisäer heimliche Glaubens- und Gesinnungskontrollen zu machen. Dieses Image haftet der Kirche aber bis heute an. Innerhalb unserer Kirche empfinden wir das anders und machen es auch anders. Bei Fundamentalismus denken wir eher an Afghanistan, Saudi Arabien usw. Wir müssen aber gar nicht über unsere eigene Religion hinaus schauen, der Blick in die eigenen Reihen ist noch oft genug ernüchternd:

– Evangelikale Christen in den USA verteidigen ihren kriminellen Ex-Präsidenten.
– Ein extremer Prediger in einer kleinen freien Baptistengemeinde in Pforzheim fordert die Todesstrafe für queere Menschen.
– Immer mehr freie Richtungsgemeinden entwerfen ihre eigenen Theologien und verlassen die Kirche, ohne die geistliche, heilige Kirche unserer Bekenntnisse bedacht zu haben.

Jesus mahnte seinen pharisäischen Gastgeber: Lade alle Menschen ein, nicht nur die, die in deinem Interesse liegen. Damit mahnt er auch uns: Wenn wir offen einladen, dann kommen die unterschiedlichsten Leute zusammen, Leute, die oft nicht zusammenpassen. Wie gehen wir damit um? Jesus war da in eine merkwürdige Gemeinschaft geraten. Und wir sind da mittendrin. Es ist, wie alles im Leben, nicht so einfach. Halten wir hier erst einmal fest:

– Schöne Einladungen und gute Feste sind eine wunderbare Sache. Und:
– Nicht jede freundlich wirkende Einladung ist gut gemeint und gut. Auch wenn sie „Gott“ auf die Einladungskarte schreibt.

Gäste

Und die Gäste? Auch nicht so einfach. In unserer Geschichte waren sie nicht besser. Sie sagen alle ab. Die Gründe dafür waren nicht banal, sicher. Aber die Einladung war schon lange ausgesprochen, der Gastgeber hatte einen hervorragenden Ruf. Er hatte wirklich viel investiert für einen besonderen Abend! Doch die Gäste hatten anderes zu tun. Dabei ist die Pflege der Gemeinschaft so wichtig. Beziehungen wollen gepflegt sein:

– in der Familie,
– im Freundeskreis,
– in der Gemeinde,
– in der Stadt,
– zwischen Kulturen und Religionen.

Da es so viele Menschen gibt, die zusammen leben, sind Begegnungen so wichtig. Deswegen geben sich viele Personen Mühe, Gastgeber und Gastgeberinnen zu sein und Gemeinschaft zu fördern. Das ist nun, nicht nur nach Corona, keine einfache Sache. Redliche Gründe für Absagen gibt es viele:

– „Es ist mir zu viel“,
– „ich kenne da kaum Leute“,
– „ich habe zu viel zu tun“,
– „ich habe da schon andere Verpflichtungen“,
– „für so etwas habe ich keine Zeit“,
– „ich kann nicht überall präsent sein“.

So lösen sich treue Freundschaften und gute Gemeinschaften langsam auf. Es wächst eine Haltung: Mir genügt ein kleiner innerer Zirkel, und der Rest ist spontan, Zufall.

So bleibt die alte Erkenntnis: Ohne Entscheidung geht es nicht. Irgendwas ist immer. Was also ist mir im Leben wichtig(er)? Treffe ich die richtigen Entscheidungen und kann einmal im Rückblick sagen: Das war gut? Wie soll ich mich entscheiden?

Eingeladen ohne Bedingung

Jesus erzählte dazu sein Gleichnis vom großen Gastmahl Gottes. Die frommen Eliten verpassten das Fest. Zu sehr waren sie mit ihrer Rechtgläubigkeit, ihrem eigenen Leben beschäftigt. Also lud Gott durch seine Boten die „von den Hecken“, „von der Straße“ zum Fest ein. Und die kamen:

– Weil sie sich über eine Einladung freuten,
– weil sie sich nach Gemeinschaft sehnten,
– weil ein Festmahl für sie ein Fest war,
– weil sie so selten willkommen sind.

Keine Bedingungen werden gestellt, keine Geschenke erwartet, sondern einfach nur Zeit und Freude an einer Einladung. Wie also kann’s funktionieren?

Letzten Sonntag haben wir gemeinsam darüber nachgedacht, dass Gott Liebe ist und wir einander in der Liebe Gott begegnen und durch die Liebe Gott in uns bleibt (1. Johannes 4,16b-21). Das können wir jetzt in unsere Geschichte mitnehmen: Wo Einladungen in Sympathie und Liebe ausgesprochen sind, wo Gäste nichts fürchten müssen, da wächst Freundschaft, da wächst Toleranz und gegenseitiges Lernen, Treue und Glaube.

Eine Einladung ist doch eine wunderbare Sache. Wenn sie von Freunden und Freundinnen kommt, dann geh‘ ich hin, solange mein Körper und meine Seele sich dort willkommen und geachtet fühlen. Wenn sie von Fremden kommt, ist es das Risiko wert, vielleicht einen neuen Freund zu gewinnen. Aber wenn es mir ergeht wie Jesus einst, beobachtet zu sein unter machtgierigen Rechthabern, dann sage ich klar und getrost ab.

Eines Tages lädt uns Gott selbst ein. Da möchte ich dann bereit sein und Zeit haben. Wir alle haben die Verheißung, dass wir seine Stimme erkennen. Denn diese Stimme hörten wir durch Christus. Viele haben sie damals erkannt. Und wir können das auch.

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