“Wie Fremdlinge im eigenen Haus?”

Was können, was müssen wir tun?

Predigttext: Apostelgeschichte 2,41-47 (mit Einführung)
Kirche / Ort: Hamburg
Datum: 23.07.2023
Kirchenjahr: 7. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Pastor Christoph Kühne

Predigttext: Apostelgeschichte 2,41-47

Die das Wort des Petrus annahmen, wurden getauft, und damit wurden etwa 3000 Leute an jenem Tage hinzugetan. Sie hielten sich an die Lehre der Apostel und an die Gemeinschaft, am Brotbrechen und beteten gemeinsam (die gottesdienstlichen Gebete). Über die Abseitsstehenden aber fiel ein Schrecken. Gleichwohl geschahen durch die Apostel viele Wunder und Zeichen. Die miteinander zum Glauben gekommen waren, hatten alles gemeinsam. Wenn jemand in Not war, verkauften sie (auch bebaute) Grundstücke und sonstigen Besitz und verteilten es. Täglich hielten sie sich einmütig im Tempel auf. Sie brachen das Brot und empfingen die Mahlzeiten mit Freude und „Herzenseinfalt“ und lobten Gott und waren bei den Menschen beliebt. Und Gott fügte täglich der Gemeinde „Gerettete“ hinzu.

Erste Gedanken beim Lesen

Petrus als großer Prediger! Etwa 3000 Menschen ließen sich taufen. Was für ein Erfolg! Das alles spielt sich ab in Jerusalem nach dem „Pfingstwunder“. Die neue „Gemeinde“ beherzigt die „Lehre der Apostel“ und bleibt zusammen „im Brotbrechen und im Gebet“. Man kann das nicht recht glauben.

Wieso kommt „Furcht über alle Seelen“? Die Zeit damals ist voll von „vielen Wundern und Zeichen durch die Apostel“. Die neuen Christen verkaufen ihre Güter und Habe und „teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte“. Das ist das Symbol des Urkommunismus. Auch der Tempel und die Treffen in den Häusern gehören zu der neuen Kultur. Interessant auch, dass diese neue Gemeinde „Wohlwollen (fand) beim ganzen Volk“. Unser Text schließt mit dem Hinweis, dass täglich neue Mitglieder zur Gemeinde finden, „die gerettet wurden“.

Eine Idealgemeinde. Eine Illusion? Ein Traum der ersten „Christen“? Ist dies schon eine christliche Gemeinde oder nicht doch noch eine jüdische Glaubensgemeinschaft, die „das Brot hier und dort in den Häusern (brach)“?

Anmerkungen zum Predigttext

Die Apg „ist zusammen mit dem LkEv anonym überliefert; der Verfasser ist ein unbekannter hellenistischer Heidenchrist der nachapostolischen Generation; Abfassung wohl gegen Ende des 1. Jhs. ausserhalb Palästinas“. In dem Werk „geht es nicht um die Taten der Menschen, sondern um den Geist, der in der Kirche wirkt“ (G. Otto 96).

Gedanken zur Predigt

Dreimal gehts im Text ums Essen; Wein kommt nicht vor. Palästina war ständig von Hungerzeiten bedroht, darum waren die gemeinsamen Mahlzeiten Not-wendend. Der Hunger steht im Vordergrund. Es geht in dem Text um die Gemeinschaft und nicht um einen Affront gegen die Reichen. Waren die ersten „Christen“ begüterte Menschen? Gott loben und von den Menschen angenommen sein - das ist der ganze Jesus in seinen Jüngern bis heute. Das ist der neue Geist in der Welt. Die ersten Christen hofften auf die Wiederkunft Jesu - das Ende der Zeit steht vor der Tür. Vielleicht waren die Christen „Apokalyptiker“, die miteinander lebten, „ohne die Welt zu wollen“ (Lauren Berlant, in: Vom Ende der Welt). Daraus erklärt sich ihre Haltung Gott, den Menschen und der Welt gegenüber. Interessant auch, dass Lukas nur in diesem Summarium von Gemeinschaft (koinonia) spricht.

Literatur: Eugen Drewermann, Leben, das dem Tod entwächst 1991
Jörg Lauster, Die Verzauberung der Welt 2014
Jörg Lauster, Der Heilige Geist 2021
Wikipedia, Gütergemeinschaft in der Jerusalemer Urgemeinde
Luzia Sutter Rehmann, Wut im Bauch (10.8 Die Veränderung geschieht beim Essen) 2014
Jenny Stümer, Vom Ende der Welt, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Träume, 11.04.2023
Gerd Otto, Hg., Sachkunde Religion 1969

Lieder: Mir nach, spricht Christus, unser Held (EG 385)
Lasset uns mit Jesus ziehen (EG 384)
Herz und Herz vereint zusammen (EG 251)

 

 

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Der Spruch dieser Woche lautet: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen (Eph 2,19). Wird uns diese Mitteilung heute an- oder sogar aufregen? Wahrscheinlich nicht. Die Frage ist doch, wo wir uns zuhause fühlen. Manchmal fühlen wir uns „wie Fremdlinge im eigenen Haus“ (Wolf Biermann). Wo gehören wir hin? In diese Welt oder zu Gott? Wenn wir seine Hausgenossen sind, dann hat unsere Welt eine andere und neue Bedeutung. Und die Frage erhebt sich: Was tun?

Die Welt heute ist ja kaum attraktiv mit ihren Katastrophen, Kriegen, dem Klimawandel, den Epi- und Pandemien. Wir sprechen heute vom „Ende der Welt“, wie eine Heidelberger Dozentin (Jenny Stümer) feststellt. Sie befasst sich mit den heutigen apokalyptischen und postapokalyptischen Themen und sagt: „Wie befinden uns im Auge des Sturms“. Was machen wir mit dem „Ende der Welt“? Wie geht es weiter? Was können, was müssen wir tun?

I.

Unser heutiger Predigttext aus der Apostelgeschichte stammt von Lukas. Er beschreibt die Entstehung der ersten Christengemeinschaften, die große Zahl von Taufen und ein anrührendes Bild von Gemeinschaft. Ich lese den Predigttext.

(Lesung des Predigttextes, Apostelgeschichte 2,41-47)

Als eine Gemeinschaft von „Geretteten“ haben sich die ersten Christen verstanden. Sie wussten sich in allen Schwierigkeiten des Lebens von Gott geführt und gerettet. Und deshalb ist „Rettung“ ein Hauptwort in der Apostelgeschichte.

Können wir in der heutigen Zeit damit etwas anfangen?

Der Gedanken vom Ende der Welt legt eine Hoffnung auf „Rettung“ nahe. Und es erhebt sich wieder die Frage: Was können wir tun, damit wir gerettet werden? Lukas´ Rezept: An der „Lehre der Apostel“ und an der Gemeinschaft dranbleiben, miteinander das Brot teilen und miteinander beten. Das wäre ein Heilmittel in dieser apokalyptischen Zeit und Welt.

Wir sieht dieses Dranbleiben an der Gemeinschaft konkret aus? Gemeint ist, im ständigen Gespräch und Austausch miteinander zu bleiben, Fragen zu stellen und gemeinsam Antworten zu finden. Und wenn sich so ein Verständnis in der Gemeinde ergibt, wenn wir uns wechselseitig mit diesem Suchen, Fragen und Freuen anstecken, dann ist der Christus unter uns. Dann ist unsere Gemeinschaft Christus selbst.

Und was meint Lukas mit dem Gebet? Können wir heute überhaupt noch beten – und wollen wir das eigentlich? Die Jünger haben einmal Jesus direkt gefragt, wie man richtig betet. Und Jesu Antwort ist das Vaterunser.

II.

Vielleicht sind hier Gedanken von Sören Kierkegaard hilfreich: Im Gebet geben wir nicht ab, was wir nicht leisten können oder wollen. „Die wahre Erklärung (des Gebets) ist daher auch das einzig Wünschenswerte: Das Gebet verändert nicht Gott, sondern es verändert den Betenden“.

Ein weiterer Punkt aus dem heutigen Predigttext, der zum Nachdenken einlädt, ist, dass „Freude und Herzenseinfalt“ die ersten Christen prägten. Es ist die Begeisterung, dass das, was Jesus bewegt hat, auch nach seinem Tod Menschen bewegen kann. Freude ist für Lukas die Überschrift des Christseins. Es ist auch ein Heilmittel gegen Tod und Angst. Im Lukasevangelium wird diese Freude z.B. im Gleichnis vom verlorenen Groschen (Lk 15,8-10) oder in der Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) in einer Weise deutlich, dass man sich diese Freude für sein Leben wünschen möchte.

Diese Freude mag auch jene Christen vor 2000 Jahren „überfallen“ haben. Sie war den Umstehenden unverständlich, ja, hat sogar Furcht und Schrecken bei ihnen ausgelöst. Wie können die Menschen in dieser furchtbaren politischen, religiösen und sozialen Situation fröhlich sein und sogar Gott loben? Wie und warum machen die das? Es hatte sich herumgesprochen, dass sich diese sog. „Christen“ in ihren Wohnungen trafen und miteinander gegessen haben. Niemand sollte Not leiden. Diese Christen haben sogar ihre Grundstücke und Wertgegenstände verkauft, um Notleidenden helfen zu können. Warum? Sie lebten in einem Geist, der sie glücklich machte und der die Gemeinschaft untereinander stärkte.

III.

Manche sagen, dass Lukas hier das Idealbild einer Gemeinschaft von damals beschrieben habe – und die Freude, mit der ihr Tun und ihre Haltung verbunden war. Lukas wollte die sog. Heidenchristen ansprechen, also nicht nur die Juden, sondern Menschen, die sich von Jesus Christus angesprochen und von ihm angenommen gefühlt haben. Der Geist Gottes hat sie – wie auch uns – in einer Situation erreicht, in der vieles zusammenbricht.

Unsere heutige Situation ist mit Stichworten wie Klimawandel, Ukrainekrieg, Pandemien und schlimmen sozialen Verwerfungen gekennzeichnet. Damals war es der Tod des „Christus“, also des geglaubten Messias. Es war die Verfolgung der neuen Christengemeinschaften. Es war das Auftreten von Irrlehrern, die die neue Zeit in ihrem Sinn nutzen wollten. Und es war ein großes Misstrauen gegenüber den Politikern, die „doch nur das Beste für uns wollen“.

Und in diesen Zeiten haben sich Menschen taufen lassen, angesteckt vom Geist der Liebe und der Gemeinschaft. Sie wollten nicht „der Welt entfliehen“, sondern „im Leben sein“ mit ihrem Herrn. Und das erleben die Menschen damals wie heute an uns Christen. Es ist eine besondere Haltung, oder es ist das Licht, das Christen umgibt, oder es ist einfach die Freude Gottes, die ausstrahlt und ansteckt und uns heilt.

 

 

 

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Ein Kommentar zu ““Wie Fremdlinge im eigenen Haus?”

  1. Pastor i.R. Heinz Rußmann

    Die Apostelgeschichte des Lukas beschreibt den neuen Geist und den Urkommunismus der Urgemeinde . Sie erwartet eine tiefe Gemeinschaft , einen neuen heiligen Geist und die Wiederkunft Christi. Die Welt ist trotz vieler Probleme attraktiv. Der Text stammt vom Evangelisten Lukas. Was können wir heute damit anfangen ?
    Das Wichtigste ist erstmal, dass wir dranbleiben an der christlichen Gemeinschaft in der Gemeinde ! Wichtig ist auch das gemeinsame Gebet ! Nach Sören Kierkegaard , dem großen dänischen Theologen und Reformator ,sollten wir unser Gebet intensivieren. Das Gebet des Einzelnen und der Gemeinde prägt und bestärkt unsere Herzenseinfalt und Freude !!! Es hilft auch den Leidenden und Armen in der Gemeinde.Lukas malt hier wohl ein gewisses Idealbild der christlichen Gemeinde. Christen können zu allen Zeiten die Freude erleben.

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