Dazugehören
Christen haben die Beziehung, die Liebe Gottes zu seinem Volk schlecht gemacht
Predigttext (erweitert): 5. Mose 4, 1-2 (3.4)5-20 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
1 Und nun höre, Israel, die Gebote und Rechte, die ich euch lehre, dass ihr sie tun sollt, auf dass ihr lebt und hineinkommt und das Land einnehmt, das euch der HERR, der Gott eurer Väter, gibt. 2 Ihr sollt nichts dazutun zu dem, was ich euch gebiete, und sollt auch nichts davontun, auf dass ihr bewahrt die Gebote des HERRN, eures Gottes, die ich euch gebiete. (3 Eure Augen haben gesehen, was der HERR getan hat bei Baal-Peor[1]; denn jeden, der dem Baal-Peor folgte, hat der HERR, dein Gott, vertilgt aus eurer Mitte. 4 Aber ihr, die ihr dem HERRN, eurem Gott, anhinget, lebt alle heute noch.) 5 Sieh, ich habe euch gelehrt Gebote und Rechte, wie mir der HERR, mein Gott, geboten hat, dass ihr danach tun sollt im Lande, in das ihr kommen werdet, um es einzunehmen. 6 So haltet sie nun und tut sie! Denn darin zeigt sich den Völkern eure Weisheit und euer Verstand. Wenn sie alle diese Gebote hören werden, dann müssen sie sagen: Was für weise und verständige Leute sind das, ein herrliches Volk! 7 Denn wo ist so ein herrliches Volk, dem Götter so nahe sind wie uns der HERR, unser Gott, sooft wir ihn anrufen? 8 Und wo ist so ein großes Volk, das so gerechte Ordnungen und Gebote hat wie dies ganze Gesetz, das ich euch heute vorlege? 9 Hüte dich nur und bewahre deine Seele gut, dass du nicht vergisst, was deine Augen gesehen haben, und dass es nicht aus deinem Herzen kommt dein ganzes Leben lang. Und du sollst deinen Kindern und Kindeskindern kundtun 10 den Tag, da du vor dem HERRN, deinem Gott, standest an dem Berge Horeb, als der HERR zu mir sagte: Versammle mir das Volk, dass ich sie meine Worte hören lasse und sie mich fürchten lernen alle Tage ihres Lebens auf Erden und ihre Kinder lehren. 11 Da tratet ihr herzu und standet unten an dem Berge; der Berg aber stand in Flammen bis in den Himmel hinein, und da war Finsternis, Wolken und Dunkel. 12 Und der HERR redete mit euch mitten aus dem Feuer. Den Klang der Worte hörtet ihr, aber ihr saht keine Gestalt, nur eine Stimme war da. 13 Und er verkündigte euch seinen Bund, den er euch gebot zu halten, nämlich die Zehn Worte, und schrieb sie auf zwei steinerne Tafeln. 14 Und der HERR gebot mir zur selben Zeit, euch Gebote und Rechte zu lehren, dass ihr danach tun sollt in dem Lande, in das ihr zieht, es einzunehmen. 15 So hütet euch um eures Lebens willen – denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem Tage, da der HERR mit euch redete aus dem Feuer auf dem Berge Horeb –, 16 dass ihr euch nicht versündigt und euch irgendein Bildnis macht, das gleich sei einem Mann oder einer Frau, 17 einem Tier auf dem Land oder Vogel unter dem Himmel, 18 dem Gewürm auf der Erde oder einem Fisch im Wasser unter der Erde. 19 Hebe auch nicht deine Augen auf zum Himmel, dass du die Sonne sehest und den Mond und die Sterne, das ganze Heer des Himmels, und fallest ab und betest sie an und dienest denen, die der HERR, dein Gott, zugewiesen hat allen Völkern unter dem ganzen Himmel. 20 Euch aber hat der HERR angenommen und aus dem Schmelzofen, nämlich aus Ägypten, geführt, dass ihr sein Erbvolk sein sollt, wie ihr es jetzt seid.
Einführung
Der Abschnitt, allein durch seine Länge: eine echte Herausforderung. Dabei fehlt sogar Wesentliches. Nämlich zur Einleitung die ersten Verse des 4. Kapitels: „Nun höre Israel …“ .
Herausfordernd auch die verschiedenen Ebenen: wenn Mose in seiner Rede an Israel sowohl die Völker zitiert als auch Gott. Wenn Mose sowohl auf die Schöpfungsgeschichte wie die Thoragabe am Gottesberg anspielt. Und in alles eingewoben eine Vielzahl von Weisungen und Aufforderungen: Haltet, tut, hütet, bewahre …
Neben der Erinnerung an den Dekalog, neben den Ausführungen zur uneinholbaren Göttlichkeit Gottes gleich am Anfang des Abschnitts auch noch die Reflektion über ein verbindendes, verbindliches Verhältnis von Israel und den Völkern, indem die Welt sich erstaunt über die Nähe Gottes zu seinem Volk.
Herausfordernd ist sicher auch, die homiletische Balance zu finden zwischen Verkündigung, Bußruf, Darlegung biblischen Wortes; zwischen der Aufnahmefähigkeit sowohl der Gemeinde als Ganzer wie einzelnen Hörerinnen und Hörer und deren (Nicht-) Vertrautheit mit angedeuteten biblischen Zusammenhängen.
„Mind the gap“ – Beachte den Abstand – heißt es in englischen und amerikanischen U-Bahnen. Mind the gap – beachte den Abstand, die Unterschiedlichkeit, beachtet die Differenz. zwischen den Völkern der Welt und Israel. Beachte! Nicht: Polarisiere! Trenne! Spiele gegeneinander aus. Das nicht. Aber beachte! Eine homiletische Weisung in der Folge paulinischer Theologie.
Freut euch, wir sind Christi Leib.
Weil wir Jesus Christus kennen,
uns nach seinem Namen nennen,
Freut euch, wir sind Christi Leib.
Freut euch, wir sind Christi Leib.
Israels Erwählung kennen,
seinen Bund genießen können,
Auftrag ist’s an Christi Leib.
Freut euch über Gottes Wort,
Bundesschlüsse und den Segen,
Israels Erwählung eben.
Freut euch über Gottes Wort.
Freut euch mit Jerusalem,
dass die Völker dorthin schauen,
auf den Gott vom Zion bauen.
Freut euch mit Jerusalem.
Text: Kira Busch-Wagner
Literatur:
Alexander Deeg, Andreas Schüle: Die neuen alttestamentlichen Perikopentexte. Exegetische und homiletisch-liturgische Zugänge. Leipzig, 2018.
Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (Hg): Predigthilfe und Materialien für die Geeinde. 13. August 2023 - Israelsonntag
Was für ein Volk. 5. Mose 4,6. Berlin 2023
Vgl. www.asf-ev.de/predigthilfe
„Ich will auch mitspielen.“ „Ich will auch mitmachen.“ „Ich will mit dabei sein.“ Sie kennen solche inbrünstigen Wünsche vielleicht von sich als Kind. Wenn die Großen was machten. Und man selbst fast nicht Schritt halten konnte. Und doch wollte. Wenn man als Jugendlicher, als Jugendliche gern bei einem bestimmten Freundeskreis gern dabei sein wollte. Manches „dazugehören wollen“ mag einem im Nachhinein peinlich sein. Bei anderen Wünschen beglückwünscht man sich, hartnäckig geblieben zu sein: da will ich dazu. Das möchte ich auch. Ein Instrument lernen. Eine Sportart. Einen Lebenstraum verwirklichen.
I.
Ich will dazugehören – ich stelle mir immer vor, dass im ersten,zweiten oder dritten Jahrhundert unserer Zeitrechnung Menschen mit dieser Haltung ihre Taufe anstrebten. Ich will dazugehören, um ein Leben zu haben mit dem Gott des Messias Jesus. Mit dem zugewandten, wohltuenden, mitleidendem Gott aus einer malträtierten, krisengeschüttelten Ecke des römischen Reiches. Ich will zu denen gehören, die sich an den Gott Israels halten, zu dem man nun mit dazu gehören kann: durch seinen Messias, seinen Gesalbten, seinen Gesandten, durch sein Kind, seinen Sohn. Das will ich, so die Taufbewerber, die sogenannten Katechumenen.
Zum Gott Israels dazugehören zu wollen, damit waren die Jesusleute nicht die ersten gewesen. Schon lange vor Jesus hatten sich Einzelne genau so verhalten. Und auch diejenigen, die das biblische Buch Deuteronomium, das 5.Buch Mose zusammenstellen, jene erneute Erinnerung an die Befreiung Israels und Gabe der Thora und Wüstenwanderung, haben mit solchen gerechnet, vielleicht gar solche gekannt, die Interesse hatten am Gott Israel. Menschen, die staunten und nach Israels Gotteserfahrungen fragten. Leute, die sagten: Wir möchten mit dazu gehören. Zu euch, Israel. Zu einem Volk, das unter all den vielen Gottesgestalten, die es auf der Erde und unter den Völkern gibt, einen Gott haben, der nahe ist. Der liebt. Beziehung aufnimmt. Sich kümmert. Begleitet. Dabei bleibt. Sich selbst in die Pflicht nimmt. Einen Bundzusagt. Wir möchten auch dazugehören, zu einer Gotteskraft, die gute Weisung schenkt. Gerechte Ordnung. Hilfreiche Gebote. Eine Thora.
Mose, dem die lange Rede über die guten Regeln seines Gottes in den Mund gelegt wird, erinnert noch mal dran, wie das Volk Israel dazu gekommen ist. Und dass allein diese gute Regeln eine gute Zukunft im neuen, verheißenen Land ermöglichen.
II.
Die guten Regeln, die göttliche Weisung, die zehn Worte vom Gottesberg, die stammen – so unser Bibelabschnitt – von einem Gott, der exklusiv durch Wort und Rede sich auszeichnet. Durch kreative, schöpferische, wohltuende, trostvolle und kraftvolle Sprache. Das Wort Gottes hat – so erinnert die Rede – ins Dasein gerufen Mond und Sonne, Sterne und Himmel, Vögel und Fische, Gewürm und Tiere, Frau und Mann. Und weil all diese seine Geschöpfe sind, Ziel seines Rufs, darum können die Geschöpfe niemals zugleich die Ursache ihrer Schöpfung sein, niemals zugleich Gott. Es ist Unsinn, so Mose, Geschöpfe zu vergötzen, ihre Bilder als Götter zu verehren.
Aber aufs Wort Gottes kann man lauschen und hören und sich von solchem Wort Richtung und Weg und Weisung und Leben geben lassen. Im Wort zeigt sich die göttliche Kraft, offenbart sich, zeigt göttliche Nähe und göttliche Größe in einem. So argumentiert Mose in unserem Predigtabschnitt, in unserer Perikope. So staunt Mose und breitet sein Staunen vor seinem Volk aus. Wir können mitstaunen. Können mit hören. Können als Hörende mit dazu gehören. Da können wir wählen: dabei sein zu wollen und uns an die guten Regeln und Weisungen halten. Weil Gott, diese Schöpfungskraft, dieses Leben, das Wort, Israel aus der Knechtschaft gerufen hat und befreit und geführt und bewahrt und eingewiesen in ein gutes Leben mit Gottes Geboten.
Schon beim Auszug aus Ägypten, so erzählt es die Schrift, das Wort Gottes (Ex 12, 38), sind Nicht-Israeliten mitgekommen, wollten beim Auszug mit dabei. Aus biblischen Geschichten erfahren wir: manche haben sich ganz für diese jüdische Gottesverehrung entschieden, etwa die biblische Rut, wenn sie zu ihrer Schwiegermutter sagt: „Wo du hingehst, da will ich auch hingehen. Dein Gott ist mein Gott.“ Andere, so berichtet es an vielen Stellen das Neue Testament, haben sich einfach im Umfeld der Synagogengemeinden an der richtigen Stelle gefühlt. Auch haben sich an Jesus da und dort Menschen gewandt aus den umgebenden Völkern: die Frau aus Tyros, um sich für ihre Tochter einzusetzen, der Hauptmann von Kapernaum, aus Kfar Naum, dem Dort des Naum, wegen seines Knechts. Judengenossen, so heißt es in der Apostelgeschichte, haben die Pfingstpredigt des Petrus mit angehört.
Das geht bis dahin, dass einer aus Israel, Schaul oder Saulus, in seiner internationalen Korrespondenz sich auch Paulus nennend, wegen des einen, wegen Jesus von Nazareth, die Zeit gekommen sah. Die Zeit, dass um dieses Jesus willen, an seinem Rockzipfel, unter seinem Namen doch alle Welt zu Israels Gott gehören solle. Wie die Propheten für die messianische Zeit es sich eben vorgestellt haben. Alle Völker der Welt im Namen Jesu nun zum Gott vom Zion dazu zu gehören. Im Wetteifer, die guten Weisungen, die Regeln, das Zehnwort, die Gebote vom Gottesberg, sich auch zu eigen zu machen.
Also: den unsichtbaren Gott zu ehren, weil er doch Israel befreit hat. Auch den jüdischen Feiertag, den Schabbat, zu respektieren. Vater und Mutter zu ehren. Ehe und jede enge Beziehung zu achten. Nicht schlecht zu reden über andere. Nichts weg zu nehmen. Das Eigentum zu achten. So lautet die Weisung der 10 Gebote vom Gottesberg. So haben es die Jesusleute, die auf den Namen Jesu getauften mitgehört, abgehört bei ihren älteren Geschwistern.
III.
Gott ehren, Schabbat heilig halten, Eltern ehren. Beziehung achten. Nicht schlecht reden. Nichts wegnehmen. Das Eigentum achten. Juden wie Christen haben sich drum bemüht. Juden wie Christen sind dran schuldig geworden. Für alle gilt immer wieder: neu aufzubrechen vom Gottesberg.
Ein unglaubliches Elend aber bleibt in all den Jahrhunderten: wie konnten sich Christen gezielt an Juden vergehen, während sie angeblich mit hörten auf die Gebote und Weisungen Gottes. Und zwar nicht mehr MIT-hören und nicht MIT dabei sein wollten, sondern allein sein wollten darin. So hat es auch unser Lehrer Martin Luther sich vorgestellt. Ausdrücklich. Unfassbar.
Manche wissen: ich war im Juni auf dem Kirchentag. Ich bin auch dem Umgang mit den zehn Geboten begegnet. Der schöne Platz in der Mitte Nürnbergs, auf dem die großen Gottesdienste stattfanden, auf dem stand Hochmittelalter das jüdische Viertel. Es wurde, um den Wohlstand Nürnbergs voranzubringen, Bewohner ermordet. Wunderbare Kirchen bezeugen in Nürnberg, Wittenberg und anderswo den christlichen Glauben. Und verunglimpfen in widerlichen Abbildungen von Schweinen und Fäkalien jüdischen Glauben. Reden falsches Zeugnis. Fäkalsprache in Stein.
Christen haben die Beziehung, die Liebe Gottes zu seinem Volk schlecht gemacht. Noch Theologen, aus deren Büchern und Vorlesungen ich gelernt habe, bestanden darauf, dass diese Beziehung abgebrochen, aufgegeben sei. Die Eltern im Geiste, die älteren Geschwister des Glaubens zu ehren – das Gebot blieb ungehört.
In immer neuen Überfällen auf einzelne jüdische Menschen oder ganze Gemeinschaften haben Menschen, die sich Christen nannten, Hab und Gut, Leib und Leben genommen. Haben Schabbat und biblische Feiertage verhöhnt, wenn Überfälle, Morde, Ausweisungen, Drangsalierung gern genau an solchen Daten begonnen wurden. Haben sich selbst zu Götzen gemacht, zu solchen, die über Tod und Leben entscheiden. Zu solchen, vor denen Menschen zittern und sich fürchten.
All das also gegen das Wort vom Gottesberg, gegen die 10 Gebote, und angeblich doch um sie wissend. In sovielen Gottesdiensten mit Jugendlichen kurz vor der Konfirmation geht es um die 10 Gebote. Heute nimmt uns, die zufälligen Predigthörerinnen und -hörer in den Sommerferien, die seit fünf Jahren bestehende Predigtordnung an die Hand. Führt uns in die Wüste am Jordan. Lässt uns Mose zuhören, wenn er sagt:
(Lesung des Predigttextes).
Soweit das Wort der Schrift. So können wir, aus den Völkern, es hören. Können mithören. Mit dazu gehören. Wir können uns entscheiden, danach zu tun.
Sehr anspruchsvoll ist der sehr ausführliche Predigttext mit Erinnerungen an die Offenbarung der Zehn Gebote durch Mose, auch an die Erinnerungen an die Schöpfung und besonders die Beziehungen Israels zu fremden Völkern. “Ich will dazugehören ” sagen sogar Kinder heute noch. Die Israeliten gehörten durch den Bundesschluss durch Mose und die ZEHN Gebote zu Gott. Das wird im Predigttext ausführlich erklärt. Die Christen gehören durch den Bundesschluss durch Jesu Taufe zu Gott. Das haben Jesus und Paulus uns eingeschärft. Die Zehn Gebote sollen aber die Christen auch wie die Juden beachten. Antisemitismus ist für Christen ein Unding. Sehr veständlich nimmt die Pfarrerin die Zuhörer heute an die Hand.