Gestärkt im Glauben
Ermutigung zum Gebet
Predigttext: Jakobus 5, 13-16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)
Das Gebet für die Kranken
Leidet jemand unter euch, der bete; ist jemand guten Mutes: der singe Psalmen.
Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn.
Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.
Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr gesund werdet. Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.
Hinführung zur Predigt zu Jakobus 5, 13-16
1. Erstes Lesen
Der 19. Sonntag nach Trinitatis hat ein sehr ansprechendes Thema: „Vergebung erfahren“ und einen sehr tröstlichen Wochenspruch: „Heile, du mich Herr, so werde ich heil; … „(Jer 27,14) Das Motiv des Heilens und der Vergebung kommt im Jakobustext vor, indem gesagt wird, „der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden.“ (V 15). Mein erster Blick ging nicht so sehr in diese Richtung, obwohl sie mir sehr nahe ist, sondern zu den Ratschlägen, die in Vers 13 genannt werden. Wie gehen wir heute damit um, wenn wir krank sind oder wenn wir uns freuen. Beim Kranksein gehen wir zum Arzt und nicht zum Seelsorger. Kaum einer kommt auf die Idee, die Verantwortlichen der Gemeinde für das Beten zu rufen. Wenn jemand voller Freude ist, dann macht er vielleicht ein Fest, aber ein Dankgebet zu sprechen werden wohl nur wenige. So bin ich hängen geblieben an der Frage des Betens.
Wäre ich in Neuhofen Gemeindepfarrer, hätte ich mir näher überlegt, ob ich einen Gottesdienst, mit der Möglichkeit gesalbt zu werden, gestalte.
2. Die Perikope Jakobus 5,13-16 im Kontext des Briefes
Durch Luthers Charakterisierung des Jakobusbriefes als stroherne Epistel lesen viele den Brief unter diesem Blickwinkel und der Zusammenhang zwischen Glauben und Werke, der dem Jakobusbrief sehr wichtig ist, gerät unter dem Aspekt „stroherne Epistel“ in ein schiefes Licht. Glücklicherweise lesen viele heute den Brief anders als Luther und merken, wie viel Evangelium er enthält: Gott ist barmherzig, der Name Gottes soll nicht gelästert werden, Gottes Gnade wirkt und Gott ist ein Erbarmer. Im Brief geht es um zwei Themen: um soziale Probleme zwischen arm und reich und um das Verhältnis zwischen Glauben und Werke. Es geht dem Jakobusbrief um die Einheit von Glauben und Leben, von Hören und Tun. Der Brief appelliert an einen Glauben, der sich in Taten zeigt.
3. Auf dem Weg zur Predigt sind mir die beiden Themen: Gebet und Einheit von Glauben und Tun wichtig geworden.
Gerade weil wir die Praxis des Betens nicht so präsent leben, wie Jakobus es empfiehlt, nehmen wir eine Glaubensnot zur Kenntnis. Jakobus will stärken und ermutigen. Er möchte Glauben fördern und die tätige Praxis des Glaubens intensivieren. Darum habe ich die Aussage: „Der Herr wird ihn aufrichten.“ in Vers 15 zur Basis gemacht. Gestärkt im Glauben entdecken wir die Kraft des Gebets, die Vergebung und den Mut auf Gottes Hilfe zu hoffen.
4. Die Predigt werde ich Neuhofen, einer Dorfgemeinde zwischen Speyer und Ludwigshafen, am Sonntag, den 15. Oktober 2023 halten.
Lieder:
"Aus meines Herzens Grunde" (EG 443,1+2+4+6)
"Du wirst dein herrlich Werk" (241,8)
"Ich singe dir mir Herz und Mund" (324,1+10-13)
"Da wohnt ein Sehnen tief in uns" (NL 116)
"Behüte, Herr, die ich dir anbefehle" (109)
NL: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder, Anhang zum Gesang der Ev. Landeskirche in Baden, Pfalz und Württemberg.
Literatur:
Göttinger Predigtmeditation 77. Jahrgang Heft 4 Seite 440 ff – Martin Vahrenhorst
Wolfgang Schrage, der Jakobusbrief in NTD die katholischen Briefe Göttingen 1973
Stuttgarter Erklärungsbibel 2023
Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung,
Ich rufe zu dir, Philipp Melanchthon Gebete, 2. Auflage 1997
Diese sehr dichten Worte aus dem Jakobusbrief möchten uns in unserem Glauben stärken. Sie sprechen ganz alltägliche Erfahrungen an. Da ist ein Mensch krank. Schon kommt nicht nur die Frage, welche Krankheit hat er, sondern auch wie kann ihm geholfen werden. Auch erleben wir immer wieder ganz schöne Phasen in unserem Leben. Da ist ein Gespräch geglückt. Da besuche ich Menschen, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe, wir sehen uns, sie strahlen mich an und ich spüre die Freude des Wiedersehens und auch die schöne Erwartung auf einen angenehmen Abend.
I.
Haben beide Situationen mit unserem Glauben zu tun? die Krankheit und die Freude? Sind dies nicht ganz allzu menschliche Empfindungen, in denen Gott und Glaube kaum eine oder gar keine Rolle spielen? Ich kann gut nachvollziehen, dass wir heute so denken und empfinden. Darum ist es gar nicht so leicht, einen guten Zugang zu diesen Worten des Jakobus zu finden, die uns klare Ratschläge in Sachen Krankheit und Freude geben.
Ich vermute, wir alle haben unsere Probleme mit diesen Empfehlungen. Denn wer kommt als erstes auf die Idee zu beten, wenn er krank ist. Da rätseln wir doch eher, welches Medikament wir brauchen oder je nach dem quält die Überlegung, ob wir zum Arzt gehen sollen oder eher nicht. Allein diese Entscheidung zu treffen, kostet schon viel Kraft. Wer aber in dieser Situation betet, reagiert im positiven Sinne seine Angst und seine Sorgen, seine Schmerzen und Empfindlichkeiten nicht bei Gott ab, sondern sucht einen anderen Blick auf die Not des Krankseins. Dieser Blick weitet die Sicht und er gibt uns die Erfahrung vieler Beter und Beterinnen wieder, dass sie ruhig und gestärkt werden – gerade auch in der Klage, wo man seine Not zu Gott schreit. In dieser Hinwendung zu Gott kann auch die Entscheidung reifen, was zu tun ist.
Wenn wir fröhlich sind und große Freude am Miteinander einer Gemeinschaft empfinden, dürfen wir Gott dafür danken und Psalmen und Loblieder singen, wie der Jakobusbrief uns rät. Ich erinnere mich gut an meine Kindheit, dass bei großen freudigen Anlässen wie zum Beispiel im Herbst, wenn die Ernte eingefahren war, man den Choral „Nun danket alle Gott mit Herzen Mund und Händen…“ gesungen hat. Ich habe damals große Ehrfurcht und tiefe Dankbarkeit empfunden, weil wir die Ernte nicht selbstverständlich als Werk des Menschen in Besitz genommen, sondern Gott gedankt haben für seinen Segen, den wir erfahren haben. Ist uns aber heute dieses Dankgebet nicht abhandengekommen?
II.
In beiden Fällen, der Krankheit und der Freude, wird der Blick geweitet, wenn wir beten. Beten bedeutet, sich dem lebendigen Gott zuzuwenden und ihm zu vertrauen. Nun wissen wir alle, dass sowohl das Beten als auch der Name Gottes oft missbraucht wird. Bei vielen Menschen setzen sich nur noch die Karikaturen von Gebet und Gott ins Bewusstsein. Das Gebet sei so etwas wie ein Automat, in dem man oben die Münze einwirft und unten zieht man die gewünschte Ware aus dem Schieber. Und Gott wird oft gesehen als der oben Thronende, Mächtige und Erhabene, der doch nicht da ist, wenn man ihn braucht. Wozu brauche ich in meinem Leben noch Gott, wenn ich meinen Verstand einsetzen kann? Der Name Gottes wird so oft missbraucht, entweder weil man sich scheut, ihn überhaupt noch als den liebenden und gerechten, den barmherzigen und den versöhnenden Gott anzusprechen oder weil man ihn verwechselt mit einem Autokraten, der alle Macht hat das zu tun, wozu er Lust hat.
Darum ist es ganz wichtig, dass wir das zweite Gebot stets im Auge haben, den Namen Gottes nicht zu missbrauchen, also ihn nicht für unsere Interessen einzuspannen oder zu instrumentalisieren. Jakobus weist darauf hin, dass der barmherzige Gott Vater des Lichts ist, der uns geboren hat, damit wir als seine Geschöpfe leben. Gott hat einen guten Namen, der für Liebe und Barmherzigkeit steht, und der aufrichten wird, ja, sogar, der Sünden vergibt, damit Leben in Gemeinschaft wachsen kann.
Jakobus legt sehr großen Wert darauf, dass Gott nicht gelästert werde. Darum betont er sehr, dass der Glaube ohne Werke tot ist. Täter des Wortes Gottes dürfen wir sein und nicht nur Hörer. Jetzt fällt von diesem Gesichtspunkt des Glaubens, dass Glauben und Tun, Zuspruch und Anspruch, Zusage und Aufgabe einfach zusammengehören wie zwei Seiten einer Medaille, ein unsere Augen öffnendes Licht auf die beiden Ratschläge: „Leidet jemand, der bete; ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ Denn im Glauben, im Zuspruch der Barmherzigkeit Gottes und in der Zusage seiner Vergebung nehmen wir wahr, dass Gott uns immer wieder zu seinen Menschen macht. Und im Tun, im Anspruch, die Liebe Gottes im Alltag zu leben, und in der Aufgabe, Gottes Barmherzigkeit in Wort und Tat weiterzugeben, entdecken wir die Erfüllung und Dankbarkeit all unseres Tuns.
Für mich ist und bleibt es ein Paradebeispiel gelebten Glaubens, was wir vorhin in der Schriftlesung gehört haben. Da ist einer gelähmt. Und da ist Jesus im Haus. Vier Menschen tun alles, um diesen Gelähmten zu Jesus zu bringen. Sie bringen enorm viel Mut auf. Sie spüren viele Hindernisse auf ihrem Weg, zu Jesus zu kommen. In ihrem Vertrauen zu Gott finden sie einen Weg, sie sind kreativ und tragen den Kranken auf das Dach, decken es auf und lassen ihn zu Jesus hinunter. Und Jesus staunt über den Glauben und sagt dem Gelähmten zu: „Dir sind Deine Sünden vergeben!“ (Markus 2,5) Also: der Mensch ist von Gott angenommen, geachtet, geliebt, das, was zwischen ihm und dem gnädigen und barmherzigen Gott steht ist weggenommen durch Gott – vergeben, versöhnt, geliebt ist der Mensch und wird aufgerichtet. Er kann wieder gehen.
III.
Glaube ist Vertrauen und bleibt Vertrauen in die Macht und die Liebe unseres Gottes. Glaube braucht die helfenden Hände wie bei den vieren. In unserem Text kommen die helfenden Hände auch vor. Wenn jemand krank ist, so soll er sich nicht zu Hause einigeln, sich selbst bemitleiden und sich selbst bejammern, wie schlecht es ihm geht, sondern er soll mutig die Ältesten der Gemeinde rufen, die ihm zuhören, Gemeinschaft mit ihm haben, für ihn beten und ihn auch salben, salben im Namen Jesu Christi. Das hat mit Magie wenig zu tun, wohl aber damit, dass wir darauf vertrauen, dass das Gebet viel vermag. Ich staune immer wieder, wie Menschen dankbar sind, wenn ich zu ihnen sage, dass ich für sie oder für einen Kranken bete. Es ist nicht leicht dies zu tun, denn heute wird das Krankengebet nicht sehr ernst genommen.
Kirche werden wir, wenn wir miteinander beten und füreinander da sind. Kirche werden wir, wenn wir uns gegenseitig besuchen und helfen und miteinander beten, weil der barmherzige Gott uns beisteht. Kirche werden wir nicht, wenn wir meinen, wir hätten auf alles eine Antwort und könnten alle Probleme lösen. Vor kurzem sagte eine Frau zu mir: „So viel Not ist auf dieser Welt, die Aggression untereinander nimmt zu, die Kriege toben, die ökologische Krise spitzt sich zu. Warum kann der liebe Gott nicht eingreifen und die Gewalttäter in Schranken weisen?“
Ich verstehe diese betroffen machende Frage ganz gut und ich habe versucht, keine Antwort zu geben, sondern sie auszuhalten. Wir wissen es einfach nicht. Was wir aber glauben und wissen ist, dass der barmherzige Gott hört und bei uns ist, bei den Leidenden, bei den Einsamen, bei den Ohnmächtigen und bei den Glücklichen und Zufriedenen. Im Gebet wenden wir uns Gott zu und der Jakobusbrief ermutigt uns zu beten, denn so lesen wir: „Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ Ja, das Gebet vermag viel, es schenkt einen neuen Blick und entkrampft die Situation, allerdings gibt es eine Einschränkung, es muss, wie alles, was getan wird, ehrlich sein, es muss ernstlich und inständig sein. Auch beim Beten ist die Ehrlichkeit gefragt.
Neben der Ehrlichkeit ist auch die Übung im Beten nötig. Wir dürfen beten, wir dürfen Beten immer wieder neu lernen und uns üben, täglich zu beten. Es kann sein, dass wir hier einen neuen Zugang brauchen, damit wir dem Gebet diese Stärkung zutrauen. Ich möchte drei Beispiele von Menschen nennen, die uns den Zugang zum Beten erleichtern.
Philipp Melanchthon, geboren 1497 in Bretten und gestorben 1560 in Wittenberg, war ein sehr intensiver und großer Beter. Er kennt die Not im Beten, er kennt aber auch die Kraft des Gebets. Er schreibt: „Das weiß ich: Sooft ich mit Ernst gebetet habe, bin ich gewiss erhört worden und habe mehr erlangt, als ich erbeten habe. Unser Herrgott hat wohl bisweilen gewartet, aber letztlich dennoch erhört.“ (Ich rufe zu dir, Gebete Philipp Melanchthon S. 75 GEP Buch) Das kann für uns eine Ermutigung sein zu beten.
Ebenso kann uns Dietrich Bonhoeffer, geboren 1906 in Breslau, hingerichtet 1945 in Flossenbürg, helfen zu beten. Aus dem Gefängnis schreibt er seinem Patenkind zur Taufe 1944: „Unser Christsein wird heute nur in zweierlei bestehen: im Beten und Tun des Gerechten.“ Bonhoeffer ist trotz der Wirren des Krieges von Gottes gnädigem und gerechten Handeln überzeugt. Er schreibt weiter: „…es wird Menschen geben, die beten und das Gerechte tun und auf Gottes Zeit warten.“ (Widerstand und Ergebung, Gedanken zum Tauftag).
Und das dritte Beispiel sind wir alle. Denn wir werden von Jakobus, Melanchthon und Bonhoeffer ermutigt zu beten. Darum noch einmal: „Leidet jemand unter euch; der bete, ist jemand guten Mutes, der singe Psalmen.“ (V 13) Wie schön ist es, wenn wir dieses Sehnen nach der Nähe Gottes spüren und erfahren, dass Gott selbst uns im Glauben stärkt – heute und auch morgen wieder. Gott schenke uns seine Güte, stärke uns im Glauben und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.