Gemeinde/ Singkreis: Halleluja(Grün 20, Liederbuch der Johannesgemeinde Mosbach)
„Tja, nun sind wir also wieder allein“, seufzend drehte Andreas sich von den anderen ab, damit sie seine Tränen nicht sehen sollten. „Wie soll es denn jetzt bloß weitergehen?“ fragte Mirjam und sah betreten in die Runde. „Ich hätte ihn noch so vieles fragen wollen. Warum habe ich das nicht früher getan?
I
Jetzt ist es wohl zu spät“, seufzte Thomas. „Meint ihr wirklich, dass er nie mehrzurückkommt? Ein Leben ohne ihn, das kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagte auch Petrus mit belegter Stimme und die um ihn standen, merkten, dass seine sonst so starke Stimme merkwürdig zitterte.
„Aber, meine Lieben, warum seid ihr denn auf einmal so traurig?“ hörten sie eine auffallend sanfte Stimme in ihrem Rücken. „Hallo, wir stehen hier, werden plötzlich allein gelassen! Allein! Unser Meister, unser Lehrer, unser Freund, Jesus von Nazareth, der tot war und wieder lebendig wurde, ist nun plötzlich wie in einer Wolke vor uns verschwunden. Da sollen wir nicht verzweifelt sein?
Wir dachten doch, er zieht mit uns durch die Welt, wir erzählen die großen Taten Gottes, wir lehren, dass der Tod keine Macht mehr hat, das Böse, die Lüge, die Falschheit, die Bosheit durch Gott selbst besiegt wurde. Nun ist er fort, war er nur ein Traum? Und da sollen wir nicht traurig sein?“ Thomas hat sich richtig ereifert. „Sag mal, wer bist du überhaupt?“ erkundigte sich Mirjam und hatte sich längst umgedreht.
Vor ihr stehen zwei Männer. Stimmt, Mirjam erkennt sie wieder. Vor sechs Wochen, als sie am Felsengrab stand und Jesus betrauerte, da waren sie auch schon da. Seltsam! Auch die anderen schauen sich jetzt um. „Was guckt ihr dort in den Himmel hinauf? Jesus ist doch bei euch, wird immer bei euch sein und wiederkommen, damit alle Welt ihn erkennt.“ Und mit diesen Worten verschwanden auch die göttlichen Boten vor ihren Augen.
„Habt ihr auch gehört und gesehen, was hier eben passiert ist?“ Andreas reibt sich die Augen. Ja, alle hatten Jesus und danach die göttlichen Boten gesehen. „Am besten, wir bleiben erst mal zusammen und überlegen, was nun zu tun ist.“ Typisch, schon wieder weiß Petrus als erster, was das Beste für ihre kleine Schar ist, die nun seit Ostern in Jerusalem zusammen lebt.
Zweitausend Jahre sind seitdem vergangen und jedes Jahr erinnern wir uns n den Kirchen und Gemeinden, wie es damals weiterging mit der Gruppe der Christinnen und Christen.
II
Vermutlich waren sie noch verstört von den Erlebnissen seit der Auferstehung. Vieles hätte dafür gesprochen, dass diese kleine Gruppe der Jesusleute sich nach und nach wieder auflöst, in ihren Alltag als fromme Jüdinnen und Juden zurückkehrt.
Aber sie haben es nicht getan! Diese unsicheren Zweifler und Suchenden wurden zur Kirche, empfingen die Kraft des Heiligen Geistes, zogen hinaus in die Welt, riskierten Kopf und Kragen, predigten ungeniert vor Menschen, die sie auslachten, verhöhnten, ja sogar verfolgten und mit dem Tod bedrohten. Wie war das möglich, wenn sie sich eben doch erst als verlassenes Häuflein zusammengetan hatten? Wo war Jesus? War er fort? In einen fernen Himmel, hinter Wolken verborgen? Unerreichbar?
Lied: O, O der Himmel erfüllt mein Herz, Refrain 2x, Str 1, Refrain (Blau 61, Liederbuch der Johannesgemeinde, Text: Graham Kendrick, dtsch: Thomas van Dooren 1991, in: Feiert Jesus 1, SCM Hänssler 1995
Nein, sie haben es anders erlebt. Als sie noch in den Himmel starrten, erschien Jesus ihnen fern und der Himmel weit und leer. Doch als sie auf die Boten hörten, verstanden sie, dass sie nun selbst Verantwortung tragen mussten. Die Botschaft hatten sie gehört. Sie war so wertvoll für ihr Leben geworden, dass sie sie nicht für sich behalten wollten.
Ja, so war es: Jesus lebte in der Botschaft, die sie von ihm verbreiteten. Wie Feuer breitete sich ihre Botschaft aus und entzündete viele Herzen. Ja, es ging weiter! „Hört mal, hört mal alle her! Hier steht es doch.“ Thomas hatte lang über den Schriftrollen des Heiligen Buches gesessen.
„Was steht wo?“ wie immer war es Mirjam, die so wissbegierig fragte. Thomas breitete die Schriftrolle aus: „Als der weise König Salomo, der Sohn von König David, der den ersten Tempel hier in Jerusalem errichtet hat…“„Ja, Thomas, wir wissen, was Salomo getan hat“, meinte Petrus genervt, weil er fürchtete, dass Thomas, ausgerechnet Thomas, ihm seine Anführerrolle nehmen wollte.
„Also“, fuhr Thomas fort: „Salomo betet zu Gott bei der Einweihung des Tempels und erkennt, dass Gott weder allein im Himmel, noch allein auf der Erde ist. Kein Haus auf der Erde kann seine Größe fassen. Klar, er ist ja größer als alles, was er geschaffen ist. Hier steht: Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel können dich nicht fassen – wie sollte es dann ein Haus tun, das ich gebaut habe.?“
„Okay, ich verstehe“, überlegt Andreas. „Aber was hat das mit Jesus zu tun?“ „Wenn Gott der HERR nicht nur im Himmel, nicht nur im steinernen Tempel, sondern überall in seiner Schöpfung erfahrbar ist, dann ja wohl auch Jesus, der doch jetzt eins ist mit ihm, oder?“ „Und Jesus hat uns immer Kraft und Zuversicht gegeben, er war immer, immer für uns da, unser Freund, unser Meister!“
Mirjam erinnerte sich mit warmen Gefühlen an all das, was sie erlebt hatten. „Ja, wenn Jesus im Himmel ist, dann ist der Himmel auch in mir. Ja, Jesus lebt und der Himmel blüht für mich!“ Ja, nicht nur Mirjam, sondern die ganze kleine Gemeinde war erfüllt von dem Gedanken, dass sie gerade nicht alleingelassen wurden, sondern im Gegenteil: dass der Himmel nun in ihnen eingezogen war.
Lied: O, O der Himmel erfüllt mein Herz, Refrain 2x, Str 2, Refrain
Wir meinen, das klingt widersprüchlich: Wie kann Jesus zugleich fern und tief, tief mit uns, wie damals den ersten Jüngerinnen und Jüngern, verbunden sein? Ich wünsche es uns allen hier in der Johanneskirche, und ich bin sicher, viele verstehen jetzt genau, was ich meine, dass wir es erfahren und erleben können, dass Jesus mit uns verbunden ist.
Jesus gibt die Kraft zum Leben, Mut und Zuversicht. Er wirkt in uns, wenn wir traurig sind, meinen, das Leben habe uns im Stich gelassen. Wir dürfen es erfahren, dass Gott uns hört, wenn wir mit ihm reden. Staunend fragen wir uns, wie es möglich sein kann, dass Gott jeden einzelnen von uns hört und Trost spendet, wo es doch nahezu unendlich viele Menschen gibt, die beten?
III
Unsere Johanneskirche hat ein besonderes Lied, unsere Erkennungsmelodie, die wir auch heute schon mit dem Singkreis gesungen haben. Da wird beschrieben, wie Gott wirkt: „Dann hat der Himmel die Erde berührt und unsere Erde den Himmel gespürt“, so singen wir: „Wenn ein Wort das Schweigen bricht und im Leid ein Lied erklingt, wenn das Brot den Hunger stillt, und dem Fels ein Quell entspringt, dann hat der Himmel die Erde berührt…“ (Quelle: Liederbuch der Johannesgemeinde, Johannes-Diakonie Mosbach, T: Reinhard Bäcker, M. Siegfried Fietz, bearb.: Peter Bechthold, Original in Detlev Jöcker, Bunte Liederwelt, Verlag Menschenkinder)
Mit den Vorstellungen und Bildern, die wir in unserer täglichen Erfahrung sammeln, können wir das nicht verstehen. Das ist unmöglich, weil es weit über unseren Verstand hinausgeht. Und für erwachsene Menschen ist es ohnehin zu viel, weil die Unbefangenheit von Kindern fehlt. Jesus selber spricht es ja sehr deutlich aus, dass wir wieder wie Kinder offen und vertrauensvoll uns der Erfahrung mit Gott hingeben sollen. Dann werden wir wieder das Staunen lernen!
Lied: O, der Himmel erfüllt mein Herz, Refrain 2x, Str 1, Refrain, Str 2, Refrain
Kinder haben mich vor vielen Jahren gelehrt, wie der Weg Gottes in unsere Herzen vorzustellen ist: Als Abkürzung! Ja, tatsächlich, eine Abkürzung, die ohne Hindernis den direkten Weg findet. Dazu meine Erinnerung an meinen Aha-Moment:
Als ich noch Gemeindepfarrerin war, stand ich an einem Tag im Dezember mit Nachbarskindern beim Plätzchenbacken in unserer Küche. Wir hatten viel Spaß und freuten uns auf Weihnachten. Auf einmal ging mit gelassenen, würdevollen Schritten der Heilige Nikolaus an unserem Küchenfenster vorbei, winkte freundlich mit seinem Bischofsstab den Kindern in der Küche zu und schritt vornehm auf das Gemeindehaus zu. Die Kinder, damals im Vorschulalter, blickten ihm zunächst sprachlos nach, bis er die Hausecke erreicht hatte. Wo war der Nikolaus jetzt so plötzlich hergekommen? Dann wusste Lucia es auf einmal: „Na klar, er hat die Abkürzung genommen.“ Eine Abkürzung? „Sicher doch! Die Abkürzung über den Himmel.“
Ja, die Abkürzung über den Himmel, das leuchtete allen sofort ein. Auch mir, muss ich schmunzelnd gestehen. Wenn Gott den Weg über den Himmel nimmt, dann ist es kein Umweg, kein Wegsein in ein „Irgendwo – Nirgendwo“. Ganz im Gegenteil: Über den Himmel gehen, das ist der kürzeste Weg in die Herzen der Menschen. Als Transportmittel genügt hin und wieder ein Lächeln. Dies ist der Weg, die Abkürzung über den Himmel, ja, und die Bereitschaft des Herzens, sich dem Himmel zu öffnen, zu staunen, die Liebe zu empfangen, wo sie geschenkt wird.
Mirjam, Thomas, Petrus und Andreas wussten: Sie sind nicht alleingelassen. Jesus, den sie eben noch schmerzlich vermissten, lebte in ihrem Herzen. Er war ihr Ratgeber, ihr Trost, ihre Zuversicht, ihr Mut. Hätte sonst das Evangelium in die ganze Welt verbreitet werden können?
Und diese Vier aus der Urgemeinde in Jerusalem lasen in den Heiligen Schriften der Überlieferung, dass bereits Salomo, der Erbauer des ersten Tempels, Gott nicht nur in den menschengemachten Mauern anbeten wollte. Salomo suchte das undenkbar Größte im unendlich Kleinen, im Herzen eines jeden Menschen. Wenn wir es recht bedenken, war bereits Salomo ein wirklich revolutionärer Denker, der Gott nicht von fern anbetete und verehrte, sondern als Kraft im tätigen und glaubenden Menschen verstand.