Predigt

Advent - Licht von oben

Realist sein mit Hoffnung

PredigttextLukas 21,25-28(29-33)
Kirche / Ort:St. Petri-Kirche / Magdeburg
Datum:07.12.2014
Kirchenjahr:2. Sonntag im Advent
Autor:Pastor i.R. Dr. habil. Günter Scholz

Predigttext: Lukas 21,25-28(29-33) Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984

25 Und es werden Zeichen geschehen an Sonne und Mond und Sternen, und auf Erden wird den Völkern bange sein, und sie werden verzagen vor dem Brausen und Wogen des Meeres, 26 und die Menschen werden vergehen vor Furcht und in Erwartung der Dinge, die kommen sollen über die ganze Erde; denn die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. 27 Und alsdann werden sie sehen den Menschensohn kommen in einer Wolke mit großer Kraft und Herrlichkeit. 28 Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, dann seht auf und erhebt eure Häupter, weil sich eure Erlösung naht. [29 Und er sagte ihnen ein Gleichnis: Seht den Feigenbaum und alle Bäume an: 30 wenn sie jetzt ausschlagen und ihr seht es, so wisst ihr selber, dass jetzt der Sommer nahe ist. 31 So auch ihr: wenn ihr seht, dass dies alles geschieht, so wisst, dass das Reich Gottes nahe ist. 32 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis es alles geschieht. 33 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte vergehen nicht.]

Exegetische Überlegungen

Lukas hat drei Endzeitreden in sein Evangelium aufgenommen: Lk 12,35-59: Thema Wachsamkeit Lk 17,20-37: Thema Plötzlichkeit Lk 21,5-36: Thema Zuversicht

Der Predigttext ist Teil der dritten Endzeitrede (vv 25-33). Aus exegetischen und homiletischen Erwägungen kürze ich ihn: vv 25-28. Das Gleichnis vom Feigenbaum und die Beteuerung der Unvergänglichkeit der Worte Jesu stehen zwar in gleicher Folge auch bei Mk und Mt. Das muss aber nicht für traditionsgeschichtliche Zusammengehörigkeit mit der Rede von der Wiederkunft des Menschensohns sprechen. Ich vermute einen Wachstumsprozess bei Mk, ausgehend von Mk 13,24-27.

Das Feigenbaumgleichnis ist ein verdeutlichendes Bild für die nahende Erlösung (v 28). Ich kann homiletisch damit nichts bewirken und verwende lieber eigene Bilder und Beispiele. Vv 32 und 33 schlagen neue Themen an, die ich in der Predigt nicht berücksichtige. So kann auch exegetisch die Rede vom Kommen des Menschensohns zur Erlösung (zusammen mit dem Feigenbaumgleichnis und dem Hinweis auf die Unvergänglichkeit der Worte Jesu) als Ausklang der dritten Endzeitrede angesehen werden.

Lukas stellt die einstige Wiederkunft Christi nicht in Frage. Er fixiert sie freilich auf keinen festen Zeitpunkt (Lk 17.20f; 21,7ff). Somit ergibt sich für ihn eine lange Zeit der Standhaftigkeit in den Wirren, Nöten und Verfolgungen. Was bei Mk apokalyptisches Zukunftsszenario ist („der Anfang der Wehen“ [Mk 13,8fin]), erscheint bei Lk in der Perspektive des Rückblicks (so W.Radl, Das Lukas-Evangelium, Darmstadt 1988, S.130; anders E.Schweizer, Das Evangelium nach Lukas, S.211, in: ders., Die drei ersten Evangelien, Göttingen 1982 (NTD): Jerusalem ist gefallen, es hat Verrat und Christenverfolgungen gegeben.

Das alles läuft literarisch und sachlich auf einen Brennpunkt zu, der das Schlimmste vom Schlimmen in Bildern der kosmischen Katastrophe beschreibt. Wenn also hier Vergangenheit und dort apokalyptische Zukunft, dann darf man die Zukunft im Bild beschrieben sehen, weil Faktisches noch fehlt. Zu diesem Bild gehört aber konstitutiv der Kontrast zwischen dem Verzagen der Völker und der Erlösungsgewissheit der Gemeinde. Erlösung (apolytrosis, in den synoptischen Evv. singulär), endgültige ungestörte Gemeinschaft mit dem Herrn (E.Schweizer, a.a.O., S.317), ist das Finale, das aber ohne den angstmachenden Zusammenbruch des Lebensraums nicht zu haben ist. Dennoch: Das Ende weist die gläubige Gemeinde auf die Vollendung hin (v 28 ist Sondergut des Lukas, also seine Theologie; vgl. die Kreuzesworte bei ihm).

Homiletische Erwägungen

Die apokalyptischen Vorstellungen samt ihrem Bildmaterial, in dem sie Ausdruck finden, sind mir fremd. Ich lasse sie daher auf sich beruhen und bemühe nicht die moderne Erkenntnis, dass der Mensch in der Lage ist, sich selbst und seinen Lebensraum zu vernichten. Ich kann das auch guten Gewissens, weil Zielpunkt die „Erlösung“ ist. Erlösung ist erfahrbar. Also greife ich auf Erlösungserfahrungen zurück, auf eigene und auf fremde.

Mit Sicherheit ist das alles nicht die Erlösung, die die volle Gemeinschaft mit dem Herrn bringt, aber sie vermittelt eine Ahnung davon, dass es hinter allem Leid(en) und hinter aller Not und Unfreiheit einen Durchbruch zu einer Freiheit gibt, die sich im Einssein mit Christus vollendet. Ich weise hin auf Hans Küng, Was bleibt, Kerngedanken, München (Piper) 2013, S.221 ff: Das Ende aller Dinge: nicht Ende; sondern Vollendung! Der in der Predigt genannte Roman „Burnout Affäre“ von Jörg Reinemann ist erschienen bei edition winterwork 2013, ISBN 978-3-86468-617-7, Preis 9,90 €.

Kasus 2.Advent: Ich reflektiere die Interpretation von W.Grundmann, Das Evangelium nach Lukas, Berlin 61971, S.385, zu v 27: „In die sich ausbreitende Nacht hinein kommt die Erscheinung des Menschensohns als Neues schaffende Kraft und die Nacht verschlingendes Licht.“

Liedempfehlung: „Harre, meine Seele“, bes. Str. 2 (www.liederdatenbank.de/song/1303).

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Heinz Janssen
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