Predigt

Advent – Sehen, was schon da ist und sehnlich erwarten, was noch fehlt

Gott richtet die Bedrängten auf und schafft ihnen Recht

PredigttextJesaja 35,1-10 (mit Einführung)
Kirche / Ort:91578 Leutershausen
Datum:08.12.2024
Kirchenjahr:2. Sonntag im Advent
Autor:Pfarrer Dr. Rainer Oechslen

Predigttext: Jesaja 35,1-10 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Die Wüste und Einöde wird frohlocken, und die Steppe wird jubeln und blühen wie die Lilien. Sie wird blühen und jubeln in aller Lust und Freude. Die Herrlichkeit des Libanon ist ihr gegeben, die Pracht von Karmel und Scharon. Sie sehen die Herrlichkeit des HERRN, die Pracht unseres Gottes. Stärkt die müden Hände und macht fest die wankenden Knie! Sagt den verzagten Herzen: „Seid getrost, fürchtet euch nicht! Seht da ist unser Gott! Er kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfen.“

Dann werden die Augen der Blinden aufgetan und die Ohren der Tauben geöffnet werden. Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch, und die Zunge des Stummen wird frohlocken. Denn es werden Wasser in der Wüste hervorbrechen und Ströme im dürren Lande. Und wo es zuvor trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen, und wo es dürre gewesen ist, sollen Brunnquellen sein. Wo zuvor die Schakale gelegen haben, soll Gras und Rohr und Schilf stehen.

Und es wird dort eine Bahn sein und ein Weg, der der heilige Weg heißen wird. Kein Unreiner darf ihn betreten; nur sie werden auf ihm gehen, auch die Toren dürfen nicht darauf umherirren. Es wird da kein Löwe sein und kein reißendes Tier darauf gehen, sie sind nicht zu finden, sondern die Erlösten des HERRN werden dort gehen. Die Erlösten des HERRN werden wiederkommen und nach Zion kommen mit Jauchzen; ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird entfliehen.

Exegetisch-homiletische Hinweise zu Jesaja 35

Es ist nicht leicht, Jesaja 35 historisch einzuordnen. Die Meinungen hierzu gehen weit auseinander. Geht man von der kanonischen Textgestalt aus – was ich immer bevorzuge – so ist Jes 35 mit dem Gerichtswort über Edom in Jes 34 durch das Stichwort „Vergeltung“ (V 4) verknüpft. „Rache“, so der Text in der Übersetzung Martin Luthers, ist hier wie anderswo problematisch. Gott richtet die Bedrängten auf und schafft ihnen Recht gegen ihre Feinde – das ist seine Vergeltung.

Der Text reißt das Bild einer messianischen Zeit auf, in der sich auch die „Natur“ verändert, wobei die Bibel das Wort „Natur“ mit gutem Grund nicht kennt. Natur wäre das, das aus sich selbst heraus da ist und derlei gibt es nicht. Alles, was ist, ist Schöpfung, die in ihrem Dasein vom Schöpfer abhängt. Die Bilder vom Tierfrieden, der Bewässerung des Landes und der ebenen Bahn verknüpfen den Text mit anderen Teilen des Jesajabuches.

Die alte Kirche hat das Wort von der „ewigen Freude“ als Hinweis auf das ewige Leben verstanden. Der Text wurde deshalb früher am Ewigkeitssonntag gepredigt, damit aber in eine andere Art von Eschatologie überführt.

Mir hat sich vor allem ein Ansatzpunkt für die Auslegung nahegelegt: die Aufnahme von Jes 35 im Neuen Testament. Auf die Frage der Johannesjünger, ob er der Messias sei, antwortet Jesus bekanntlich: „Blinde sehen, Lahme gehen …“ (Mt 11,5). Also: Die messianische Zeit ist jetzt.

Von da kam ich weiter zum säkularisierten Messianismus der Aufklärung, also dem Glauben oder Aberglauben an den Fortschritt. Es gab gegen den – manchmal geradezu naiv optimistischen – Fortschrittsglauben der Aufklärung eine massive kirchliche Opposition, die im 19. Jahrhundert gelegentlich ins Reaktionäre umschlug, vielleicht auch öfter als gelegentlich. Die Verherrlichung des Fortschritts wurde mit seiner Verketzerung beantwortet. Mir hat die These Horkheimers und Adornos von der „Dialektik der Aufklärung“ immer eingeleuchtet. Die Beispiele dafür liegen m.E. auf der Hand.

So gelangte ich über die Frage, wann messianische Verheißungen erfüllt werden, zu einer Auseinandersetzung mit dem Fortschrittsbegriff. Im Blick auf das kommende Reich Gottes darf weder das „schon“ noch das „noch nicht“ vernachlässigt werden.

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Heinz Janssen
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