“Angesteckt mit der Flamme der Liebe …“
Kernsätze für ein praktisches Christentum
Predigttext: 1. Johannes 1,5-2,6 (Übersetzung nach Martin Luther)
1,1 Was von Anfang an war, was wir gehört haben, was wir gesehen haben mit unsern Augen, was wir betrachtet haben und unsre Hände betastet haben, vom Wort des Lebens –
2 und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das Leben, das ewig ist, das beim Vater war und uns erschienen ist –,
3 was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir auch euch, damit auch ihr mit uns Gemeinschaft habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.
4 Und das schreiben wir, damit unsere Freude vollkommen sei.
5 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch verkündigen: Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.
6 Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und wandeln in der Finsternis, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit.
7 Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, seines Sohnes, macht uns rein von aller Sünde.
8 Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
9 Wenn wir aber unsre Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit.
10 Wenn wir sagen, wir haben nicht gesündigt, so machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
2:1 Meine Kinder, dies schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Und wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, der gerecht ist.
2 Und er ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.
3 Und daran merken wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten.
4 Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in dem ist die Wahrheit nicht.
5 Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.
6 Wer sagt, dass er in ihm bleibt, der soll auch leben, wie er gelebt hat.
Eigene Übersetzung Christoph Kühne
1 Johannes 1,5 Und das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch weitergeben: Gott ist Licht, und Finsternis ist nicht in ihm, keinerlei!
6 Wenn wir sagten, wir hätten Gemeinschaft mit ihm und wandeln in der Finsternis, (dann) lügen wir und tun nicht die Wahrheit;
7 wenn aber im Licht wir wandeln, wie er selbst im Licht ist, (dann) haben Gemeinschaft wir mit einander (Var: ihm), und das Blut Jesu (Var: + Christus), seines Sohnes, reinigt uns von jeglicher Sünde.
8 Wenn wir sagten, wir hätten keine Sünde, (dann) täuschen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns.
9 Wenn wir unsere Sünden bekennen, (dann) ist er „treu“ und gerecht, sodass er uns die Sünden vergibt und uns von jeglicher Ungerechtigkeit reinigt (Var: Futur!).
10 Wenn wir sagten, wir hätten nicht gesündigt, (dann) machen wir ihn zum Lügner, und sein Wort ist nicht in uns.
2,1 Meine Kinder, das schreibe ich euch, damit ihr nicht sündigt. Doch wenn einer gesündigt hat, (dann) haben wir einen Anwalt vor dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten;
2 und er selbst ist Sühnung für unsere Sünden, nicht nur für unsere allein sondern auch für (die) der ganzen Welt.
3 Und daran erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben, dass wir seine Gebote halten.
4 Wer sagt: Ich kenne ihn - und hält seine Gebote nicht, (der) ist ein Lügner, und in ihm ist nicht die Wahrheit (Var: + des Gottes);
5 wer aber sein Wort hält, dann ist wahrhaftig in ihm die Liebe Gottes zur Vollendung gekommen. Daran erkennen wir, dass wir in ihm sind.
6 Wer sagt: Er bleibt in ihm, muss, wie jener (auf Erden) gewandelt ist, auch selbst so (Var: entf.) wandeln.
Erste Gedanken beim Lesen des Predigttextes
Eine Diskussion über christliches Leben in Form eines Dialogs: Sünde und Gerechtigkeit, Licht und Finsternis, im Lichte wandeln. Große Begriffe, in Kurzform geschrieben. Keine ausformulierte Theologie, sondern Kernsätze für ein praktisches Christentum. Das paulinische en christoo, Leben „in Christus“, klingt an. Erreichen wir mit diesen Gedanken heutige Hörer?
Anmerkungen zum Text
1J1,7 Cod Alexandrinus (V), Tertullian e.a. betonen die Gemeinschaft mit ihm, Gott. Die Vulgata ergänzt Jesus mit Christus.
9 Cod. Alex. stellt die Reinigung in Aussicht.
2,4 Cod. Alex. betont die Wahrheit Gottes.
6 Lat. Handschriften lassen den Verweis auf einen jesusgemäßen Lebenswandel weg.
Der Text ist gut überliefert. Cod. Alex. betont die Beziehung zu Gott, während 1 Joh das Leben der Glaubenden miteinander hervorhebt. 1 Joh ist ca. 100 n.Chr. in Syrien oder Kleinasien entstanden.
Der Wert unserer Bibel liegt auch darin, dass ganz verschiedenen Zeugen Gottes zu Worte kommen. So finden wir lebendige, spannende Geschichten in ihr wie z.B. die Eroberung Jerichos mithilfe von Trompeten und Posaunen. Wem würden nicht sogar jetzt die Ohren klingen, wenn er nur daran denkt?! Dann gibt es die schönsten Liebesgeschichten, die kaum mit erotischen Anspielungen geizen wie sie im Hohen Lied der Liebe erzählt werden.
Heute sollen Sie einen Text hören von einem alten Mann. Und wir werden – erwartungsgemäß – Ermahnungen hören, werden mit grundsätzlichen „Fakten“ konfrontiert werden und werden als „Meine Kinder“ angesprochen werden. Kurz zur Biographie jenes Menschen: Er nennt sich nach dem Evangelisten Johannes. Ansonsten ist er uns unbekannt. Vielleicht hat er in der heutigen Türkei gewohnt. Von Paulus – hat er ihn überhaupt kennen gelernt? – übernimmt er die Technik des Briefschreibens. So liegt also unser Predigttext in der Form von 1 Joh 1, 5-2,6 vor.
(Lesung des Predigttextes)
Wie das bei der Rede von alten Menschen sein kann, so werden wir hier konfrontiert mit den dichtesten Gedanken, mit denen sich ein junger (normaler?) Mensch erst einmal länger beschäftigen muss (wenn er denn will). Vielleicht ist Ihnen dennoch das Bild vom „Wandeln wie Jesus“ gegenwärtig. Mit diesem Bild schließt er seinen Text: Wer sagt, er bleibe in ihm, der muss auch, wie jener (auf Erden) gewandelt ist, auch selbst so wandeln. Leben wie Jesus. Sofort mag uns ein junger Mann einfallen mit Jesus-Sandalen, langen Haaren und sanftem Gemüt.
Vielleicht fallen Ihnen Bilder und Geschichten zu diesem Jesus ein. Vielleicht seine großartige Erzählung vom verlorenen Sohn, die ja ein interessantes Licht auf den Vater wirft – und mithin auf Gott selbst. Oder Ihnen fallen Heilungsgeschichten ein: Wie die Leute einen Gelähmten durchs Dach in ein Haus abseilen. Sie konnten wegen Überfüllung nicht auf normalem Wege zu Jesus gelangen. Und – Jesus wendet sich dem Kranken zu und heilt ihn.
Vielleicht entsteht das Bild eines Menschen, der durch und durch gut war, der – wie manche Evangelisten erzählen – allen Menschen geholfen habe. Der viele durch seine Gleichnisse erreicht und berührt hat. Und der dann schließlich nach einem sehr merkwürdigen Prozess ans Kreuz geschlagen wurde. Es mag ein Bild von Jesus entstehen, bei dem „Sünde“ ein Fremdwort blieb. Dennoch war er ein Mensch. Wie wir. Er lebte, liebte, lachte, weinte. Aber „Sünde“ gab es bei ihm nicht. Sünde ist bei Jesus unvorstellbar. Aber nicht für uns, die wir hier in diesem Gottesdienst zusammensitzen. Woran liegt das?
Vielleicht liegt es daran, dass dieser Mensch aus Nazareth immer im Gespräch mit Gott, den er seinen Vater nannte, gewesen ist wie in einem Licht, das nie erloschen ist. Auch nicht auf seinem Hinrichtungsort, dem Hügel Golgatha. Wir können dies kaum richtig beweisen – vielleicht mit der Taufgeschichte Jesus, als sich der Himmel auftat. Und was anderes als Licht kann dann herauskommen?
„Wenn wir im Lichte wandeln, wie er im Lichte ist, dann haben wir Gemeinschaft mit einander“ schreibt der Alte Mann, der sich Johannes nennt. Dies können wir vielleicht nachvollziehen – an Jesus. Er – eigentlich keine Lichtgestalt – war wohl immer im Lichte Gottes. Und er hatte Gemeinschaft mit Menschen. Gut, er hatte auch Zeiten der Einsamkeit, des Rückzugs. Aber dann war er wieder voll für die Menschen da – wie etwa bei der Speisung der 5000. Da haben ihn die Menschen gesucht und fast aus seinem Versteck herausgeholt. Und ihm zugehört. Und geteilt, was sie hatten. Und sind satt geworden. Alle. Und es ist noch eine Menge Essen übrig geblieben. Das war Jesus – ein Mensch im Licht und ein Mensch für Menschen.
Unser Predigttext-Autor fasst zusammen: „Das ist die Botschaft, die wir von ihm gehört haben und euch weitergeben: Gott ist Licht, und Finsternis ist nicht in ihm, keinerlei!“ In den folgenden Versen macht er uns deutlich, dass nicht nur Jesus Christus das Licht der Welt ist, sondern dass auch wir Licht in der Welt sind. Man sieht uns an, dass wir so wandeln wie Jesus auf Erden gewandelt ist.
Vielleicht wurden die Christen deshalb „Heilige“ genannt, weil sie auf unerklärliche Weise klar waren und in anderen Menschen Licht entzünden können. Wir bekennen doch noch heute in unserem Glaubensbekenntnis die „Gemeinschaft der Heiligen“. Sind das nicht Menschen, die um Gottes willen klar sind, hell, hoffnungsvoll, von Gott gehalten und getragen? Wer von uns wollte nicht zu einer solchen Gemeinschaft gehören? Der Evangelist, der gerne auch als der Arzt und Maler bezeichnet wird, Lukas, hat die Freude zum Hauptwort seines Evangeliums gemacht. Wo Jesus auftaucht, da wächst die Freude, da breitet sich Leben aus. Da ist „Gemeinschaft der Heiligen“.
Unser alter Autor, „Johannes“, formuliert in unserem Predigttext viele Ermahnungen. Vielleicht ging es Ihnen beim Hören der Worte ähnlich wie mir: Ich möchte eigentlich nicht ermahnt werden wie ein Schuljunge, habe keine Lust auf Gebote oder Gesetze. Aber das Bild vom Licht, von der Klarheit, in der Jesus gestanden hat – ohne „erleuchtet“ zu sein wie ein Guru -, dieses Licht zieht mich an, begeistert mich. In diesem Lichte möchte ich auch stehen. Manchmal sehen wir bei Menschen dieses Licht. Und es zieht uns an, weil wir in ihrer Nähe gesund werden – so wie Menschen in der Nähe Jesu Christi wieder ins Leben und zur Welt gekommen sind.
Alter Mann, Johannes! Wir danken Dir für Deine Worte, und dass Du uns von Deiner Begeisterung für dieses Licht erzählt hast. Wir versuchen, in diesem Lichte zu wandeln. „Einer hat uns angesteckt mit der Flamme der Liebe“, Christus. So wandeln wir im Lichte, wie er selbst im Licht ist. Und so werden wir alle Licht und verändern uns und die Welt.
Heute hören wir lauter Ermahnungen von einem alten Mann. So beginnt Pastor Kühne seine Predigt unüblich und originell. Das Thema ist das Wandeln wie Jesus und Wirken wie Jesus. Er war ja der Mensch, der allen geholfen hat und alle Menschen , die er traf ,dazu angesprochen hat. Jesus war ohne Sünde, ganz im Gegensatz zu uns Gottesdienst -Besuchern. Woran liegt das ? Jesus war immer im Gespräch mit Gott. Dadurch war er das göttliche Licht. Wenn wir mit ihm und wie er durchs Leben wandeln, verbreiten auch wir Licht des Lebens, Liebe und Wärme. Deswegen behaupten wir ja im Glaubensbekenntnis: … Gemeinschaft der Heiligen. Der alte Mann Johannes formuliert aber so viele Ermahnungen, wie man es eigentlich nicht gern hat. Gleichzeitig begeistert das Bild von Gott und von Jesus als Licht der Welt. Manchmal sieht man es bei anderen Christen. Hoffnungsfrohe Freude gegen düstere Resignation. So verändern wir die Welt. Damit schließt diese verständliche, tiefsinnige und frohgemute Predigt von Pastor Kühne, uns mit Mut zur Nächstenliebe aus dem Gottesdienst entläßt.