(Der Gottesdienst wird als Audiogottesdienst gehalten)
Als Kind habe ich diese Geschichte im Kindergottesdienst gehört. Sie vielleicht auch. Die Aussage war klar: da wo die Saat hundertfältig Frucht bringst, da sind die Guten. Die hören was Jesus sagt, beherzigen es und leben danach. Und da wo Weg ist und Dornen und Fels, da sind die Bösen, die nicht hören und auch nicht glauben. Die nach der ersten Begeisterung schnell wieder die Flinte ins Korn werfen oder sich von anderen Dingen ablenken lassen. Diese Bösen, die sind mehr, dreimal so viel wie die Guten. Also schau zu, dass du zu den Guten gehörst. Dann freut sich der Sämann.
Hier die einen, da die anderen
– so sorgfältig scheint die Geschichte abgezirkelt zu zu sein. Hier der Weg, da der Fels, da das gute Land. Wenn Jesus dieses eine Viertel gut nennt, dann muss ja alles andere schlecht sein. Dann kann ich sogar meine ungläubigen oder unkirchlichen Mitmenschen charakterisieren: Du bist wie der Weg, du wie die Dornen. Das macht die Sache leichter, wenn man die anderen klassifzieren und in Schubladen stecken kann.
Aber Moment mal – so einer ist Jesus doch nicht! Jesus will doch gerade Menschen aus ihren Schubladen heraus holen, in die andere sie gesteckt haben. Der Samariter ist nicht böse, nur weil er Samariter ist, und der Zöllner ist in der Lage umzukehren. Ja, sogar römische Hauptleute und als Fundamentalisten verschriene Pharisäer verhalten sich manchmal anders als man es von ihnen denkt – zumindest wenn sie Jesus begegnen. Nur mit den Reichen scheint Jesus seine Probleme zu haben: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt – von dieser Meinung scheint Jesus schwer abzubringen zu sein. Aber ansonsten müsste man sich die Geschichte mit dem vierfachen Ackerfeld doch noch mal näher anschauen.
Das Erdreich meiner Seele
Näher – am besten fange ich da mal bei mir selber an. Dornen, Fels, Weg – was fällt mir dazu in Bezug auf mein eigenes Leben ein? Der Weg, daran bleibt mein Blick als erstes hängen. Ja, tatsächlich, manchmal lasse ich mich breit treten wie ein Weg, unfähig, auch mal nein zu sagen: Der andere oder die anderen könnten mir ja böse sein. Im Extremfall lasse ich andere auf mir herum latschen. Natürlich weiß ich das längst und arbeite auch nach Kräften an mir. Denn ich merke: Das tut keinem gut.
Das lebendige Erdreich unter mir, in meiner Seele, fängt sozusagen an dagegen zu arbeiten, sich in Bewegung zu setzen. Dann entstehen Risse auf dem Weg, und die darauf gehen merken es früher oder später. Ich weiß also, ich muss aufpassen, aufpassen auf meine Weg-Existenz. Die Vögel, die den Samen weg picken: Vielleicht meint Jesus damit die Situationen, in denen ich das Gefühl habe, ich gebe, mache, tue – aber ich nehme mir zu wenig Zeit, um mal in Ruhe etwas in mich aufzunehmen, etwas Neues vielleicht, den Samen sozusagen einsinken zu lassen in das Erdreich meiner Seele. Manchmal höre oder lese ich etwas und vergesse es sofort wieder – das könnte ein Indiz dafür sein.
Und was ist mit den Dornen? Oh ja, wie oft fühle ich mich eingedornt von all meinen Aufgaben und Pflichten. Sie wachsen so schnell wie die Berge unbeantworteter Emails in meinem Mailprogramm, und ihre Stacheln pieken mich gehörig in meinem Gewissen. Das wirklich Wichtige, das vielleicht Neue und Gestaltende in meinem persönlichen wie in meinem beruflichen Leben, das hat gar keine Zeit zu wachsen, obwohl es genau diese Zeit bräuchte. Neue Entwicklungen brauchen immer Zeit, Beziehungen zum Beispiel.
Aber Neues braucht auch Mut, und die Dornen sind immer eine gute Ausrede: Tut mir leid, ich würde ja gerne, aber diese und jene Aufgabe hindert mich daran. Wenn ich ehrlich bin: Würde ich wirklich gerne? Oder bin ich dann doch zu träge – oder zu feige – um Neues zu wagen, und bin den Dornen ganz dankbar dafür, dass sie immer mit einer guten Ausrede zur Hand sind? Ja, ich fürchte, Jesus hat da bei mir ganz schön genau hingeschaut.
Und der Fels? Bei dem muss ich schon länger überlegen. Und noch einmal nachlesen, vielleicht weil Felsen für mich und ja auch für die Bibel eigentlich positiv besetzt sind: Gott ist mein Fels, heißt es im 31. Psalm. Aber beim nochmaligen Nachlesen in der Geschichte fällt mein Blick auf die Begründung: Warum kann die Saat auf dem Fels nicht wachsen? Weil sie nicht genug Feuchtigkeit hat, darum. Die Feuchtigkeit kommt von oben, sammelt sich aber im Erdreich. Vielleicht sind damit meine Gaben, meine Kräfte gemeint, all das Gute, mit dem Gott das Erdreich meines Lebens und meiner Seele gesegnet hat?
Auf einmal rückt mir das Bild näher als ich es eigentlich haben will: Der Fels – ja, wie viel Steine lege ich mir eigentlich selber in den Weg? Was schiebe ich vor, wie den Felsen vor Jesu Grab, und lasse Lebendiges in mir begraben sein? Wo bin ich vielleicht doch hart wie ein Fels? Oder enttäuscht: Ja, ich weiß, das will ich eigentlich schon lange, aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass jemals daraus wird, ich spüre auch keine Energie mehr dazu …
Worte wie Regen
Um Energie geht es aber doch gerade. Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Die Erklärung gibt Jesus direkt im Anschluss: Der Same ist das Wort. Wieder eine Erhellung: All das was ich eben gesagt und im Sagen gefühlt habe, das hat mit Worten eine Menge zu tun! Ansprüche und Anforderungen werden in Worten an mich heran getragen. Auf Worte reagiere ich, muss ich reagieren, tagtäglich, mein Ohr ist empfindlich und der Gehörgang wahrscheinlich deswegen so lang, damit das Gehörte ordentlich lange darin bleiben kann, vor allem das Negative, Fordernde oder Kritische.
Worte können die Dornen sein – oder ihre Stacheln -, Worte können bewirken, dass aus mir wieder ein platt getretener Weg wird. Aber natürlich, aus Worten besteht auch meine innere Stimme, die trotz aller Steine auf dem Weg weiter redet und mein schlechtes Gewissen nicht gerade kleiner macht. Allerdings redet sie zweistimmig: neben der Erinnerung an meine Träume hält sie mir auch vor, meinen Pflichten nachzukommen – oder dem was ich dafür halte. Für Worte bin ich also besonders sensibel. Gerade Worte können bewirken, dass ich so selten zu dem komme, was ich eigentlich bin, wie es im Motto unserer diesjährigen Fastenaktion heißt: Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu. Was aber ist dann mit Gottes Wort?
Um das geht es doch eigentlich in der Geschichte, die Jesus erzählt: Um Gottes Wort, das der Sämann aussät. Um Himmels willen, was heißt das eigentlich? Eine Erinnerung taucht auf, aus einer meiner früheren Berufsphasen: An eine Mitarbeiterin, die zu betonen pflegte wie wichtig es für sie sei, „unter Gottes Wort“ zu kommen. Unter Gottes Wort – mir klang das damals sehr fromm und sehr streng.
Aber heute, gerade im Corona-heute, ausgelaugt und ausgepowert und einfach müde wie ich mich manchmal fühle, spüre ich den Segen, der darin liegt. Als ob ich hinaus gehe, einfach so, wie ich bin, und mich mitten hinein stelle in einen frischen Frühlingsregen. Unter Gottes Wort: Oder ich bleibe in dem Bild, das Jesus wählt: die ausgestreckte, ruhige, zum Geben bereite Hand. Da hat einer etwas Gutes für mich und streut es einfach in meine Seele ein.
Und trotz Dornen, Weg und Fels: Irgendwo findet er ein freies Stückchen Feld. Es muss ja nicht groß sein. Und habe ich es in der Beschäftigung mit der Geschichte nicht schon gemerkt, wie etwas in Bewegung kommt? Mit Gehorsam und Pflicht hat das nicht das mindeste zu tun – Gottes Wort ist lebensdienlich! Und es schafft Frucht. Hundertfältig! Ja, nachdem ich, typisch für mich und sicher für manche andere auch, Dornen, Weg und Fels zuerst auf mich bezogen habe: Am Ende darf ich auch dieses tun: an die Verheißung glauben. Gottes Wort in mir schafft hundertfältig Frucht. Da geht es nicht um messbare Erfolgsquoten. Sondern um Früchte, die erst einmal für mich bestimmt sind! Hundertfältig, über jede Gen-Manipulation weit hinaus. Da werde ich bestimmt nicht ärmer, wenn auch andere daran teilhaben.