Predigt

Auf der Suche nach prophetischem Impetus

Umkehren, Buße tun, neu ansetzen

PredigttextOffenbarung 3,14-22 (mit Einführung und liturgischen Empfehlungen)
Kirche / Ort:Trinitatis-Kirche / Karlsruhe Durlach-Aue
Datum:27.11.2022
Kirchenjahr:1. Sonntag im Advent
Autor:Pfarrerin Kira Busch-Wagner

Predigttext: Offenbarung des Johannes, 3, 14-22 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

4 Und dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. 17 Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. 19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. 21 Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!

Hinführung zum Predigttext

Prophetische Haltung

Ein Weile folgte ich kürzlich der Diskussion zwischen zwei Politikern, einer Journalistin, einer Politikerin und Theologin, nämlich Katrin Göring Eckardt und einer Vertreterin der „Letzten Generation“. Irgendwann wurde es mir langweilig. Dabei blieb die Frage, wie Politik auf die Klimakatastrophe reagieren solle, natürlich hoch brisant. Die Linie der Schwierigkeit, einander – abgesehen von Positionen – wirklich zu verstehen, verlief letztlich zwischen den Männern und den Frauen. Vielleicht deswegen, weil die beiden Männer Juristen waren. Und zwar solche, denen eine Position jenseits des positiven, also geschriebenen Rechts, undenkbar war. Das heißt: die beiden fingen sich am Ende in der Schlinge, dass gerecht nur sein könne, was rechtlich abgedeckt ist.

Liebe Leute: Geschenkt, dass Nötigung (jemandem im Verkehr gewollt und maßgeblich zu behindern) und Sachbeschädigung (Tomaten auf Gemälde) mit guten Gründen strafbar sind. Doch wie viele Beispiele kennen wir aus der Geschichte, wo (geschriebenes, also positives) Recht und Gerechtigkeit auseinandertraten und -treten. Wo Gerechtigkeit nur aufrecht zu erhalten war (und möglicherweise ist), indem man (gesetzliches) Unrecht beging bzw. begeht. Im Nachhinein lässt sich das leicht beurteilen. Wie aber ist das in der Gegenwart?

Das Wagnis, Recht um der Gerechtigkeit zu übertreten und die zum Martyrium entschlossene Bereitschaft, die Folgen solchen Übertritts auf sich zu nehmen, ist eine prophetische Position. Ob die Prophetin, der Prophet eine richtige oder eine falsche Prophetin ist, ein wahrer oder ein schlechter Prophet, wird sich erweisen. Wenn Sie, wenn er recht behält.

Es entscheidet sich nicht an der Menge der Zustimmung, nicht an der Konformität mit wichtigen Meinungsträgern. Propheten sind manchmal sehr einsam und leben unter Umständen gefährlich. Wie kennen das von Amos wie von Jeremia.

Auch Kirche hat sich nach den Propheten umzusehen und umzuhören. Manchmal erwachsen sie ihr in ihrer Mitte, manchmal irgendwo in der Welt. Wahre Prophetinnen und Propheten sind Zeuginnen und Zeugen des Geistes Gottes. In unseren Gemeinden und Kirchen, in unseren gemäß unseren Ordnungen verfassten konziliaren / synodalen Strukturen haben wir darüber zu sprechen, was wahre, was falsche Prophetie sei.

Das hat offenbar auch die EKD-Synode getan, als sie auf die Rede eine Klimaaktivistin hörte und ihr im Anschluss großen Beifall zollte, „standing ovations“. Ich habe mir die Rede nicht angehört. Ich habe einige Reaktionen wahrgenommen: Da sei man einfach dem Zeitgeist nachgelaufen. Habe sich einer linksradikalen Haltung angeschlossen. Vergessen, was „die letzte Generation“ alles treibe.

Ich hoffe, darauf vertrauen zu können, dass eine vielstimmige und vielgestaltige EKD-Synode auf eine gute Rede mit guter Resonanz geantwortet hat. Unab-hängig von Eingruppierung, Mode und Gestimmtheit. Aber auf der Suche nach den rechten Propheten. Aus der Frage heraus, wo der Geist Gottes wehe. Da kann man sich irren. Dann muss man umkehren, also Buße tun, und neu ansetzen. Aber sich diese Frage zu verwehren und nicht immer wieder gezwungen zu sein, mit Gottes Geist an ungewohnter, unbekannter Stelle zu rechnen, das hieße, das Kirche-sein aufzugeben.

Offenbarung des Johannes

Johannes tritt ein in prophetisches Handeln und Wirken. Dass das Kommen des Herrn, der Tag des Herrn zum Fürchten sein muss für alle, die nicht mit ihm und seinem Gericht rechnen, für die Gericht nicht Auf- sondern ein Hinrichten sein wird, ist ein fester Topos der Offenbarungen, der Apokalypsen.

Der Ziel aber der Offenbarung des Johannes ist die gerade noch rechtzeitig einsetzende Umkehr, die Buße. Dorthin drängt er, geradezu gewaltsam, die, die ihm zuhören.

Dementsprechend war bisher der Abschnitt Offb 3, 14-22 dem Buß- und Bettag zugeordnet. Jetzt soll er zum Beginn der Adventszeit gepredigt werden. Wo er liturgisch gesehen durchaus hingehört: an den Beginn einer Vorbereitungs- und Bußzeit aufs Christfest hin, repräsentiert in den violetten Paramenten. In volkskirchlichen Kontexten aber kein leichtes Unternehmen. Sind doch unsere Gemeinden keine monastischen Gemeinschaften, die der Liturgie pflegen. Sie hören stattdessen die Glöcklein auf den Weihnachtsmärkten bimmeln, riechen den Glühwein dampfen, hören den Weihnachtsmann sein Hoho erklingen und selbst Kirchenchöre bereits „der Engel helle Lieder“ intonieren. Und da sollen die Predigenden sich den Prophetenmantel umwerfen, mahnen und zur Buße rufen? (Auch wenn die von idea veröffentlichten Stimmen das anders sehen: vielleicht haben die EKD-Synodalen genau solchen Bußruf gehört?).

Wo können Brücken liegen? Wie lässt sich auch in bürgerlichen, vielleicht sogar in kleinbürgerlichen Gemeinden der prophetische Impetus positiv vermitteln?

In früheren Predigten zum Buß- und Bettag hatte ich verwiesen auf das Spiel „Der Fuchs geht um“. Da läuft auch die Zeit ab. Wenn „der Fuchs“ um den Kreis herumgelaufen ist, ohne dass sich die Person, der der Fuchs den Ball, das Taschentuch, das Zeichen der Zeit hingeworfen hat, sich umwandte, dann wird sie zum „faulen Ei“. Wer zu lange zuwartet, verliert! Es gilt aufmerksam zu sein.

Hier ein Versuch, einen Zugang zum Predigtabschnitt im Drängen und Drängeln zu finden. Ein Drängeln mit einem guten Ausblick: Denn am Ende der Johannesoffenbarung öffnet sich die multinationale („… und ihr sollt meine Völker sein“), lichte, paradiesische Gartenstadt, das neue Jerusalem. Johannes sieht schon das gute Ende, wohin er drängen will.

Empfehlung zum Psalmgebet

Dass ähnlich wie an Pessach das kleinste Kind die wichtigste Frage stellt, auch in unserem Gottesdienst Kinder die liturgisch auftauchenden Fragen stellen:

Aus Psalm 24:

  • Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.

Kinder: Wer ist der König der Ehre?

  • Es ist der Herr, stark und mächtig, der Herr, mächtig im Streit.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe.

Kinder: Wer ist der König der Ehre?

  • Es ist der Herr Zebaoth, er ist der König der Ehren.

Liedempfehlungen

„Wir sagen euch an den lieben Advent“ (EG 17,1) „O komm, o komm du Morgenstern“ (19) „Macht hoch die Tür“ (1)

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