Diese Hitze! Nein, liebe Eltern, ich beneide Sie nicht. Alles klebt an einem, Tags fühlst du dich schlapp, nachts schläfst du zu wenig, und das schon seit Tagen. Und dann: Quengelnde Kinder, mit nichts zufrieden, dauernd wollen sie etwas und sind ungeduldig, weil ihnen das Wetter selber zu schaffen macht. Normales Essen mögen sie nicht mehr, aber andauernd Eis geht auch nicht. Hier im Schwimmbad ließe es sich noch aushalten. Aber selbst da musst du dauernd aufpassen, dass die Kinder bleiben, wo sie hingehören und den Handtuch-Nachbarn nicht auf die Nerven gehen. Nein, ich beneide Sie nicht! Aber – ich traue es Ihnen zu! Glauben Sie mir, in dreißig Jahren werden Sie zurückschauen und sich fragen: Wie habe ich das damals nur geschafft? Wie habe ich nur die Kraft dazu gehabt?
I
Ja, Kraft brauche ich, um Verantwortung zu übernehmen. Als Eltern sehr direkt, körperlich, ständig, jede Minute, Tag und Nacht. Als Patinnen und Paten sind Sie nicht so direkt betroffen. Aber Sie brauchen die Kraft der Treue. Wirklich das Patenkind „auf dem Schirm haben“. Nicht nur am Geburtstag und an Weihnachten. Sich blicken lassen, so wie es allen gut passt, Hauptsache verlässlich. Sich wirklich interessieren. An das Patenkind denken, sich mit ihm freuen und es in Schwierigkeiten unterstützen.
Gerne auch für das Patenkind beten. Beten nützt nichts? Wer sagt das? Wer betet, konzentriert sich in diesem Moment gedanklich und gefühlsmäßig voll und ganz auf den Menschen für den er oder sie betet. Das erfordert Treue. Dazu muss man das Kind kennen und wissen, was es braucht. Dann all das zu Gott tragen. Eine Konzentrationsleistung. Aber sie tut gut. Sehr gut sogar. Sie schafft eine Art von Verbindung, die höher ist als alle Vernunft.
Die Stärke der Eltern und die Treue der Paten – und natürlich müssen auch die Eltern treu und die Paten manchmal stark sein, so trennscharf ist das alles nicht, das gehört dazu, wenn wir Verantwortung übernehmen. Auch in dreißig Jahren gehört es dazu. da werden Sie nur für andere Dinge stark sein müssen, und in anderen Dingen wird Treue erforderlich sein.
II
In dem Abschnitt aus der Bibel, aus dem 1. Brief des Timotheus, schreibt einer, der selber Verantwortung übernommen hat, an einen anderen, der Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Er schreibt einen Brief. So als ob Sie selbst als Eltern in zwanzig Jahren einen Brief an Ihre Kinder schreiben würden. Oder so als ob ein ehemaliger Firmenchef aus dem Ruhestand heraus einen Brief an seinen Nachfolger oder seine Nachfolgerin schreibt.
Einen Brief schreibt man, genauso wie eine E-Mail oder eine Whatsapp, meistens aus irgend einem Grund. Der Anlass für den Brief ist in diesem Fall nicht erfreulich. Der, an den der Brief gerichtet wird, befindet sich in einer ziemlich erhitzten Situation. So erhitzt wie gerade das Klima. Etwas Abkühlung tut gut, und gleichzeitig klare Kante. Klare Kante kommt in dem Brief auch vor. Aber noch etwas anderes kommt vor, und das ist erstaunlich. Nämlich: Dankbarkeit.
Mitten in sehr klar-kantigen Ratschlägen ein Ausflug in die Dankbarkeit und dadurch in die Gelassenheit. Wie ein Eintauchen ins kühle Schwimmbadwasser. Wie ein Eintauchen in Gottes Segen, den Philipp heute in der Taufe empfängt. Der Briefschreiber beginnt so: „Ich danke unserm Herrn Christus Jesus, der mich stark gemacht und für treu erachtet hat und in das Amt eingesetzt“.
So wie wir gestrickt sind, fragen wir gleich: Ok, aber wofür dankt er? Aber das ist zu früh gefragt. Erst einmal schauen wir uns genau an und nehmen wahr: Aha. Mitten in diese hitzige Situation hinein schreibt einer: Ich bin dankbar. „Ich danke“, greift etwas zu kurz, wörtlich steht da wirklich: Ich habe Dank. Ich habe und empfinde Dank in mir, ich schreibe dir das, was ich zu schreiben vorhabe, aus einem Grundgefühl der Dankbarkeit heraus. Abkühlung in einer hitzigen Situation:
Ich besinne mich erst einmal darauf, dass ich Grund dafür habe, dankbar zu sein. Ich schalte einen Gang herunter, vielleicht auch zwei oder drei, halte den Motor meiner Energie erst einmal an. Ja, von mir wird etwas erwartet, sogar viel. Aber gerade darum muss ich mich fragen: Aus welcher Grundhaltung heraus reagiere ich jetzt? Aus der Dankbarkeit, bei allem, was jetzt gerade schwierig ist. Eltern von Kindern wissen, was ich meine, aber andere können es auch wissen.
Mit der Dankbarkeit bringe ich noch etwas anderes ins Spiel, bzw. jemand anderen: Jesus nämlich. Ich danke unserm Herrn Jesus Christus … Wenn wir zur Abkühlung nachher ins Schwimmbad springen, bringen wir auch etwas anderes ins Spiel: Das Wasser als Lebenselement, das uns trägt, die Natur, die uns umgibt und deren Teil wir sind. Wenn wir zum Taufen Philipp gleich ins Kinderbecken hineintragen, bringen wir auch etwas anderes und einen anderen ins Spiel seines Lebens hinein:
Gott, der sein Leben segnet. Und, wenn er das später einmal weiß und daran glaubt: das Gefühl, gesegnet zu sein. Ein Gefühl, das sehr leicht verbrennen kann in den hitzigen Flammen des Lebens. Das aber auch wiedererweckt werden kann, wenn man sich darauf besinnt: Ja, Gott hat mein Leben gesegnet. Ich kann dankbar für mein Leben sein. Kindern, Eltern und Paten tut das gleichermaßen gut. Es schafft Abkühlung und Gelassenheit. Darum taufen wir. Und nicht nur das!
III
Jetzt können wir auch weiter fragen, wofür der Briefeschreiber denn dankbar ist. Er ist dankbar genau dafür, dass Christus in stark gemacht hat. Das sagt er als erstes. Das ist wichtig. Denn man muss es so betonen: Dass Christus ihn stark gemacht hat! Dass Jesus Christus seine eigene besondere Jesus-Stärke mit ihm geteilt hat! Das ist nicht die Stärke von Rechthaben und Durchsetzungsvermögen. Nicht die Stärke der Ellenbogen, sondern
die Stärke der Füße, die Wege mitgeht,
die Stärke der Hände, die wie beim Schwimmen Wasser verdrängen, um vorwärts zu kommen,
die Stärke der Geduld, der Beharrlichkeit und der Freundlichkeit,
die Stärke der Liebe und die Stärke des Glaubens!
Ja, das tut gut. Das schafft Gelassenheit und Abkühlung: Dass ich darauf vertrauen kann: Diese Stärke will Jesus mit mir teilen. Und noch mehr: Der Briefeschreiber dankt dafür, dass Christus ihn für treu erachtet und in sein Amt eingesetzt hat. Weil er ihn stark macht, traut er ihm etwas zu. Auch das tut gut zu hören: Da traut mir einer etwas zu. Da vertraut mir einer etwas an. Kindern tut das gut und Erwachsenen auch. Nur: Warum schreibt der Briefschreiber von sich selbst? Warum schreibt er nicht: Gott traut dir etwas zu?
Der, an den er schreibt, braucht das in dem Moment doch viel mehr? Einerseits, klar, stärkt er damit seine Autorität: Jesus traut mir zu, dass ich dir sage, was du tun sollst. Aber das ist nicht so wichtig wie das andere. Dieses andere verstehe ich persönlich sehr gut, wenn ich mich an meine eigene Kindheit und Jugend erinnere – und an meine eigenen Eltern. Was haben sie mir mitgegeben? Was von dem vielen, das sie mir mitgegeben haben, wirkt am stärksten?
Am stärksten wirken nicht Mahnungen und Verhaltensregeln. Am stärksten wirkte und wirkt noch heute, wenn sie von dem mir etwas weitergegeben haben, was ihnen selber wichtig war, woran sie sich selber orientiert haben. Nein, ich habe nicht alles übernommen. Aber vieles. Und Wirkung hatte alles. So macht es auch der Briefschreiber. Er gibt das weiter, von dem er selber lebt. Er sagt, was ihm selber hilft, in schwierigen Situationen Stand und Gelassenheit zu bewahren: Das Grundgefühl der Dankbarkeit, das Vertrauen darauf, dass Jesus ihn stärkt und ihm etwas zutraut.
Dann noch etwas, eigentlich das Wichtigste, nämlich: Barmherzigkeit. Das ist im Griechischen übrigens merkwürdigerweise dasselbe Wort wie „Dank“! Weil ich Barmherzigkeit an mir spüre, kann ich dankbar sein und kann ich meine Aufgabe in der richtigen inneren Haltung angehen. Der Briefschreiber sagt: Ich habe viel falsch gemacht in meinem Leben. Ich war schwach. Ich bin es oft immer noch. Aber Gott steht mir weiterhin bei. Das schenkt mir Mut, meinen Weg zu gehen und meine Aufgaben anzugehen.
Du, an den ich schreibe, du darfst auch deine Schwäche zulassen. Wenn andere laut auftrumpfen und scheinbar stärker sind. Mehrheitsmeinungen oder Menschen. Er schreibt: „Darum ist mir Barmherzigkeit widerfahren, dass Christus Jesus an mir als Erstem alle Geduld erweise, zum Vorbild denen, die an ihn glauben sollten zum ewigen Leben“. Mit dieser Geduld darfst auch du rechnen, und du darfst anderen damit ein Vorbild sein. Dank und Stärke, Zutrauen und Geduld – das ist ganz lebenspraktisch der Segen, den wir in der Taufe empfangen.