Bebauen und bewahren

Bleibender Schöpfungsauftrag

Predigttext: 1.Mose / Genesis 2,4-15
Kirche / Ort: Ev. Kirche / Wilhelmsfeld b. Heidelberg
Datum: 28.09.2014
Kirchenjahr: 15. Sonntag nach Trinitatis
Autor/in: Kirchenrat Pfarrer Heinz Janssen

Predigttext: 1.Mose / Genesis 2,4-15 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

4 So sind Himmel und Erde geworden, als sie geschaffen wurden. 5 Es war zu der Zeit, da Gott der HERR Erde und Himmel machte. Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der HERR hatte noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute; 6 aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. 7 Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. 8 Und Gott der HERR pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. 9 Und Gott der HERR ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, verlockend anzusehen und gut zu essen, und den Baum des Lebens mitten im Garten und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. 10 Und es ging aus von Eden ein Strom, den Garten zu bewässern, und teilte sich von da in vier Hauptarme. 11 Der erste heißt Pischon, der fließt um das ganze Land Hawila, und dort findet man Gold; 12 und das Gold des Landes ist kostbar. Auch findet man da Bedolachharz und den Edelstein Schoham. 13 Der zweite Strom heißt Gihon, der fließt um das ganze Land Kusch. 14 Der dritte Strom heißt Tigris, der fließt östlich von Assyrien. Der vierte Strom ist der Euphrat. 15 Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, daß er ihn bebaute und bewahrte.

zurück zum Textanfang

Die Frage, wie unsere Erde und alles Leben enstand, bewegte die Menschen von Anfang an, seit sie denken konnten.
Ich stelle mir vor, dass es eine Frage war, die aus dem Staunen kam: über die Schönheit der Natur, die Pflanzenvielfalt und Blütenpracht, die unterschiedlichen Tierarten, die Tautropfen, in denen sich das Morgenlicht spiegelt, aus dem Staunen über den aufsteigenden silbergrauen Nebel, die Morgensonne, die frischen Luft, das frische Wasser oder den warmen Regens, über die glückliche Begegnung mit einem anderen Menschen, über das Wunder des Lebens und nicht zuletzt aus der staunenden Freude über die wunderbare Geburt eines Kindes. Dieses Staunen bestimmt auch den Schöpfungspsalm, in den wir heute miteinander einstimmten (Psalm 104).

Es hatte noch Jahrtausende gedauert, bis die Menschen aufschrieben, was sie empfanden und dachten, ihrem inneren Empfinden und Denken gleichsam eine äußere Gestalt gaben, wie sie uns literarisch/auf hohem literarischen Niveau in dieser über zweieinhalbtausend Jahre alten Schöpfungsgeschichte im Ersten Buch Mose (Genesis) vorliegt. Bis dahin pflegten sie andere Formen der Mitteilung, zB indem sie einander durch Gesten und verschieden nuancierte Laute, durch Bilder, später durch Worte, Musik und Gesang, mitteilten, was sie fühlten, sie beschäftigte, wie sie etwas deuteten, welche Fragen sie hatten und welche Antworten für sie plausibel waren. So etwa stelle ich mir die Entstehung der biblischen Schöpfungsgeschichte vor, die heute Predigttext ist. Es gehört zur Eigenart der Schöpfungsgeschichte, dass sie erzählt und damit nicht vereinnahmt, sondern die Hörenden einlädt, sich ihr für eine Zeitlang zu überlassen, ihren gedanklichen Weg mitzugehen, sich in Gedankenräume führen zu lassen, um sich darin mit dem inneren Auge umzusehen und vielleicht verweilen.

I.

Die Erzählung beginnt mit einem Blick auf die Anfangszeit, nachdem der erste Anfang, die Erschaffung von „Himmel und Erde“ bereits geschehen war. Ohne Umschweife setzt sie voraus, dass es Gott war, `ADONAJ `AELOHIM, der den Planeten Erde, und den unendlichen Kosmos, alles – die Worte „Himmel und Erde“ sind Ausdruck für die Gesamtheit allen Lebens, aller Dinge. Erde und Weltall mit allem, was lebt, sind, wie es ein neueres Lied besingt, „kein Produkt des Zufalls, keine Laune der Natur“. Es war die schöpferische Hand Gottes, aus der alles kam, wie sie Sieger Köder in sein Bild zur biblischen Schöpfungsgeschichte setzte (das Bild hat die Gemeinde vor Augen). Im Unterschied zu dem ersten Teil der Schöpfungsgeschichte, mit der unsere Bibel beginnt, steht hier nicht der umfassende Kosmos, sondern der Mensch im Mittelpunkt: Mann und Frau, Schwester und Bruder. Die Erzählung zielt auf die Erschaffung des Menschen: „Da machte Gott der HERR den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so war der Mensch ein lebendiges Wesen“ (1.Mose 2,7). In diesen wenigen Worten gründet die biblische Lehre vom Menschen, die „Anthropologie“. „Gott machte“ – eine wörtliche Übersetzung aus dem Hebräischen ergibt: Gott formte, gestaltete, bildete – wie ein Töpfer/eine Töpferin künstlerisch wirkend „aus Erde vom Acker“.

Es ist der „Odem des Lebens“, Gottes Atem, sein Lebenshauch, der den Menschen zu einem „lebendigen Wesen“ macht, zu einem „Lebewesen“ in einem tiefen Sinn – physisch und psychisch. Fehlt Gottes Atem, so ist der Mensch nicht (mehr) lebensfähig (Psalm 104,29; Hiob 34,14f.). „Es ist der Atem, der einem Menschenkind bei der Geburt in die Lungen strömt“ (Nico ter Linden). Allein, indem sich der Mensch als Geschöpf Gottes begreift und von Gottes Atem „beseelt“, wird der Mensch zum Menschen, wird „wesentlich“ Ohne die Beziehung zu seinem Ursprung verliert sich der Mensch, ist letztlich beziehungs- und haltlos.

II.

Die Beziehung Gottes zum Menschen ist aber alles andere als marionettenhaft, denn Gott gibt dem Menschen einen Auftrag, überträgt ihm Verantwortung und überlässt ihm die Freiheit, sich zu entscheiden. Nicht herrschen und ausbeuten soll der Mensch, wie die Übersetzung „Macht euch die Erde untertan“ leicht missverstanden werden kann, sondern „pfleglich und weise“, wie die jüdische Theologin Ruth Lapide übersetzte, soll der Mensch mit der ihm anvertrauten Erde umgehen. Gott pflanzte den „Garten Eden“„gegen Osten“ an und beauftragte den Menschen, diesen zu „bebauen und zu bewahren“, zu bearbeiten und zu erhalten (1.Mose 2,15). Die Erde als Garten – was für ein schönes Bild! In dem Wort „Eden“ klingt für hebräische Ohren das Wort „Freude“ bzw. „Wonne“ an – aus der griechischen Bibelübersetzung dieser Stelle kommt das Wort „Paradies“. Die Arbeit in diesem Garten Erde soll Freude und Erfüllung bringen und das gute Gefühl, dass auch die heran- und nachwachsende Generation die Früchte unserer Arbeit ernten und genießen dürfen.

Diese Welt ist unser Lebensbereich und unser Arbeitsfeld, in dem die Menschen wissen, wofür sie arbeiten – im Gegensatz zu dem Raubbau, den wir Menschen an der Erde und an uns selbst treiben können. In diesem Zusammenhang ist das seit vielen Jahren in ökumenischer Weite bedachte Motto „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ zu verstehen, es knüpft an dem biblischen Schöpfungsauftrag (1.Mose 2,15) an: „Und Gott nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. Die Gottesbeziehung des Menschen und seine verantwortungsvolle Beziehung mit der Erde gehören im biblischen Sinn zusammen. Die enge Verbundenheit des Menschen mit der Erde kommt im biblischen Urtext mehrfach deutlich zum Ausdruck – das hebräische Wort für Erde ist ´ADAMA, für Mensch: ´ADAM, wörtlich: der Erdverbundene.

III.

Bei allem Staunen über unseren schönen Planeten wissen wir um seine Bedrohtheit. Da sind die ökologischen Probleme, zB der beunruhigende Klimawandel, die immer noch gefährliche atomare Technik, seit den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima mehr als vedrohlich. Der Blick auf den Teil des Gartens „gegen Osten“ (1.Mose 2,8) zur aufgehenden Sonne hin ist heute nicht nur ein Blick zum Licht, sondern auch ein Blick in die Dunkelheit der Nah-Ost-Konflikte. Der Mensch ist in der Lage, sich selbst und die ganze Erde zu zerstören. Jeden Tag furchterregende Nachrichten. Israel, Irak, Syrien , Ukraine sind zZt die blutigen Konfliktherde, und es gibt wahrscheinlich noch viel mehr, von denen wir nichts wissen. Die Menschen, denen wir die biblische Schöpfungsgeschichte verdanken, wussten bestimmt auch um die Gefährdung der Welt. Aber sie wussten ebenso um das Wunder der Schöpfung, und sie erzählten einander davon, besangen und feierten sie. Zum einen gleichsam als Mittel gegen die Angst um das Stück Erde, das sie bearbeiteten und pflegten, aber mehr noch: Weil sie das Vertrauen zu Gott bestimmte, weil sie glaubten, dass die Welt durch Gottes Hand entstand und Gott sie in seiner Hand hält.

Die Hand ist ein Bild für Gott, der wie ein Töpfer formt, gestaltet, bildet, – und wie ein Gärtner einen Garten anlegt. Schauen wir nocheinmal auf das Bild von Sieger Köder, der die symbolische Rede von der Hand Gottes auf seine Weise ins Bild gesetzt und ihr Farbe gegeben. Aus einem Uranfang, dargestellt in einem glühenden Atom, entwickeln sich der Kosmos, die Gestirne, die Erde und Meere, Gebirge, Pflanzen und Tiere – bis hin zum Menschen, Mann und Frau sind einander liebevoll zugewandt. Die Erde – „Gott schuf sie gut, er schuf sie schön“ (EG 432). Diese Erde könnte auch für 6 Milliarden Menschen und mehr, auf welche die Weltbevölkerung zugeht, ein wunderbarer Garten sein, in dem es sich schön leben lässt, in dem das Staunen, Freude und Dankbarkeit die Menschen bestimmen. Als Christinnen und Christen orientieren wir uns an Jesus Christus – er „ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kolosser 1,15).

Die alte biblische Schöpfungsgeschichte bleibt darum aktuell. Sie ermutigt uns, die Hoffnung nicht sterben zu lassen, die Welt nicht verloren zu geben, sondern sich jeden Tag neu auf den Schöpfungsauftrag zu besinnen, auf die Frage nach dem eigentlichen Wesen des Menschen und seiner Bestimmung von Gott, seinem Ursprung her, um danach zu handeln. Dafür stehen die Psalmworte, mit denen wir heute beteten: „Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde“ (Psalm 104).

Lieder

“Die güldene Sonne” (EG 444,1+3+4)
“Lobet und preiset” (EG 337)
“Wer nur den lieben Gott” (EG 369,1+5+7)
“Gott gab uns Atem” (EG 432)
“Ausgang und Eingang” (EG 175)

Lesungen

Jesus Sirach 18,114
Matthäus 6,25-34

zurück zum Textanfang

Ihr Kommentar zur Predigt

Ihre Emailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert.