Befreiendes Singen

Neues Lied der Hoffnung

Predigttext: Offenbarung 15,2-4
Kirche / Ort: Melanchthon- und Johannes-Brenzkirche / 70734 Fellbach
Datum: 18.05.2014
Kirchenjahr: Kantate (4. Sonntag nach Ostern)
Autor/in: Pfarrer Jürgen Bossert

Predigttext: Offenbarung 15, 2 - 4 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

2 Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen 3 und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. 4 Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Vorbemerkung

Die Predigt, wie der ganze Gottesdienst an diesem Sonntag Kantate, möchte unter Einbeziehung des Wochenspruches Ps 98, 1 „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“ sowie des Liedes EG 501 „Wie lieblich ist der Maien“ zum Singen einladen. Dabei soll es kein naives, vertröstendes Singen sein, das die vielschichtigen Härten und Nöte, die das Leben bringt und birgt, ausblendet, sondern ein Singen, das diese Härten ernstnimmt und gegen sie ansingt, die neue Welt dankbar und Gott lobend herbei singt, in der es „kein Leid, kein Geschrei und keine Schmerzen mehr gibt".

"Im Singen beten die Menschen eine andere Welt herbei, die schon durchschimmert; sie singen eine zarte Melodie, aber mit Bestimmtheit. Mitten in dieser überbordenden Gewalterfahrung singen sie das Lied von der Heiligkeit Gottes.“, so Andrea Bieler in ihrer Predigtmediation zum Predigttext (GPM 2014/2, S. 253 – 259, Zitat S. 255 - http:// www.v-r.de/gpm).  Dieses Lied von der Heiligkeit Gottes, das Lied des Lammes und das Lied des Mose, das Lied der Befreiung und der Versöhnung kann mir inmitten der Verhältnisse, wie sie denn sind, zur Lebensmelodie werden.

Zu bedenken ist allerdings, dass unsere Situation hier in unserem Land im Gegensatz zu vielen ChristInnen auf der Welt keine Verfolgungssituation ist, wie sie es damals auch für die Adressaten des Buches der Offenbarung war. In dieser Situation der Verfolgung, Anfeindung und Anfechtung will der Verfasser der Offenbarung seine Geschwister stärken und ermutigen. Darum sollte auch das gegenwärtige Singen Solidarität mit den Menschen ausdrücken, die unter Verfolgung, Unterdrückung und Gewalt leiden, die es schwer haben, das rettende Ufer zu erreichen. Zugleich gilt es diese Stärkung auch für Menschen hier und ihre Nöte zu vermitteln. "Singet dem Herrn“, das kann zur tätigen Hoffnung beflügeln, die im Geist des Lammes, im Geist des menschgewordenen Gottes gründet.

 

 

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“Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottesgüt, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht.“ In dieses Kirchenlied kann ich nur einstimmen. Das frische Grün im Mai. Die Vögel pfeifen munter. Das Leben blüht und entfaltet sich mit heiterer Frische. Das tut einfach gut. Ja: Singt! Dazu lädt der heutige Sonntag Kantate besonders ein, so benannt nach dem ersten Vers des 98. Psalms: „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.“ Ich empfinde es immer wieder als ein Wunder, wenn alles blüht und grünt und auch die (bedrohten) Bienen mehr brummen und mehr Spatzen pfeifen als im letzten Jahr – das freut, macht Hoffnung, lässt einen singen und „fröhlich springen“.

Aber manchmal, vielleicht oft, ist einem nicht nach Singen. Die Stimme versagt. Zuviel lastet auf einem, Zuviel gärt in einem. Es geht einem einfach nicht gut. Man wartet auf Wunder, darauf, dass Sorgen und Nöte einem genommen werden und Probleme sich lösen – vergebens. Dunkle Wolken ziehen sich zusammen und entladen sich, ganz gewaltig zum Teil. Das wusste auch schon Martin Behm, der Dichter dieses Liedes. Darum bittet er in seinem Gebetslied: „Drum wollst du von uns wenden Mehltau, Frost, Reif und Schloß (Hagel).“ Nicht nur in der Natur, auch im Menschen. Dunkle Wolken ziehen sich immer wieder in ihm und über ihm zusammen und entladen sich mehr oder weniger gewaltig. Dass im Menschen sich solche Wolken zusammenziehen und bilden, hat viele Gründe: Enttäuschungen, Krankheit, Abschiede, unerfüllte Wünsche, Scheitern und Neid, Ohnmachtsgefühle, Abstiegsängste und vielerlei Sorgen….. Hass auf sich selbst, Hass auf andere, Hass auf Leben, auf das was blüht und grünt. Jederzeit kann das ausbrechen und zerstören. Mit Worten und mit Taten, in Beziehungen, in der Familie, im Kindergarten, in der Schule, am Arbeitsplatz, zwischen Völkern und Volksgruppen… Entlastung ist da angesagt. Befreiung von diesen zerstörerischen Kräften und Mächten. Damit sich die düsteren Wolken auflösen, bevor sie sich entladen. Dass diese destruktiven Kräfte, die sich ansammeln, abgebaut oder umgelenkt werden in Kräfte, die aufbauen. Dass man frei wird. Singen hilft dabei.

“Kantate “ – zum Singen lädt dieser Sonntag ein – nicht nur heute. Singen hilft, wenn’s in einem gärt und kocht, wenn Aggression und Unzufriedenheit sich breit machen und das Herz verfinstern. Dann: Falte die Hände, statt sie zur Faust zu ballen, und singe: „Herr, laß die Sonne blicken ins finstere Herze mein, damit sich’s möge schicken, fröhlich im Geist zu sein”. Musik kann Wunder bewirken. Sie ist heilsam – das wusste unter andern auch schon Martin Luther, wenn er einem Freund der unter Melancholie und Depression litt, empfiehlt er soll sich ans Regal, an die Kleinorgel zu setzen und zu singen und zu spielen: „Darum, wenn ihr traurig seid und will überhand nehmen, so sprecht: Auf ich muß unserem Herrn Christus ein Lied spielen, kommt der teufel wieder und gibt euch Sorge und traurige Gedanken, so wehrt euch frisch und sprecht: Aus Teufel, ich muss jetzt meinen Herrn Christus singen und spielen.“ Das befreit. Das lässt einen Lobgesang anstimmen.

(Lesung des Predigttextes)

Die Menschen hier am Ufer des Meeres stimmen einen Lobgesang an. Sie loben Gott, sie singen das Lied der Freiheit. Sie preisen Gott für die Befreiung, die sie erlebt haben, dass sie ans rettende Ufer kamen. Dass sie Konflikte und Gefahren überstanden haben, dass sie davon gekommen sind. Sie hatten unter harter Verfolgung zu leiden, weil sie nicht dem römischen Kaiser gehuldigt haben. Hätten sie sich von Rom korrumpieren lassen, wären sie dem nicht ausgesetzt gewesen. Doch sie hielten stand. Sie blieben dem Lamm, Christus treu. Sie singen nicht das Lied des Caesar und des Jupiters, das Lied der Herrscher dieser Welt. Sie stimmen nicht ein in die Hassgesänge auf andere. Diese Gesänge machen Menschen unfrei, indem sie sie manipulieren. Ja, nicht alle Musik hilft, auch Musik kann missbraucht werden – so kann man singen: „dann ist mir der Panzer ein ehernes Grab“, oder kann menschenverachtende Texte mittels Musik transportieren. Wem singe ich?

In welche Lieder stimme ich ein? Die Menschen hier in unserem Text erinnern sich in ihrem Lied, wer ihnen geholfen hat, wem sie zu danken, wen sie zu preisen haben. Sie singen das Lied des Mose und das Lied des Lammes. Sie singen das Lied einer neuen Welt, in der es „kein Leid und kein Geschrei und keine Schmerzen mehr gibt”. Sie singen das Lied einer Welt, in der es keine Unterdrückung und Rechtsbeugung sowie Gewalt mehr gibt. Sie singen von einer neuen Welt, in der die Verhältnisse stimmen. Sie singen zart (Harfen) diese neue Welt herbei, in der die Menschen aus dem Geist des Lammes, das die Sünd der Welt trägt, Gottes Versöhnung leben. Denn diese aufopferungsvolle Hingabe des Lammes reicht! Es braucht der Opfer keine mehr. Sie preisen dankbar Gott für ihre Rettung und denken sich auch mit Traurigkeit an die, die es nicht geschafft haben. Darum geben sie diesen Dank weiter, indem sie Gottes Lied singen, das sie stimmt, wohltemperiert stimmt, versöhnlich. Denn allein Gott ist heilig. Nicht menschengemachte Ideologien und Dogmen, die Menschen gefangen nehmen. Sie singen das erste Gebot! Im Singen machen sie ernst mit dem ersten Gebot. Das macht frei, das ist das Lied des Mose und des Lammes, das den singenden Menschen ganz auf Gott ausrichtet.

Auf Gott ausgerichtet sein, ihm singen, das hilft. Das nimmt nicht die alltägliche Mühsal, das nimmt nicht die Alltagssorgen und löst auch die (großen und kleinen) Probleme und Aufgaben nicht von selbst, aber es wird einem leichter ums Herz. Die brodelnd gärenden Untiefen werden ruhiger, die dunkeln Wolken lösen sich. Ich gewinne Klarheit. Ich erhalte seelische Nahrung, die das Gute stärkt, den Geist der Freiheit und Versöhnung. Diese Musik nimmt mich zu Jesus. Sie nimmt mich hinein in die Liebe Gottes, die befreit, die mich ruhig werden lässt und entlastet, die mich heiter stimmt trotz allem Schweren, die so stärkt und freundlich stimmt. Dann bin ich fröhlich im Geiste und vollbringe mein Leben „zum Lob dem Namen dein“. Das ist dann der Cantus firmus meines Lebens.

Singet dem Herrn! Der Kirchenvater Augustinus lädt zu diesem Cantus firmus ein, zu dieser Lebensmelodie: “Lasst uns singen, wie die Pilger zu singen pflegen… auf der Wanderschaft unseres Lebens…Laßt uns den Herrn, unseren Gott, loben, nicht nur mit der Stimme, sondern mit unserem Leben…Halleluja singend erheben wir unseren Blick zum Tag ohne Ende und eilen zum ewigen Haus. Dort werden wir Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit preisen”.

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Ein Kommentar zu “Befreiendes Singen

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Musik kann seelische Wunder bewirken und uns trösten und unseree Seele heilen. Davon spricht eindringlich schon Martin Luther. Vom Lobgesang der Geretteten in Gottes Reich zu Gott spricht auch der Predigttext. Pfarrer Bossert schildert in seiner Predigt aber auch mehrfach eindringlich, dass uns nicht nach Singen vom Lobgesängen zu Mute ist, weil es zu viele Probleme und Sorgen gibt. Er macht auch darauf aufmerksam, dass Musik missbraucht werden kann. Er vertröstet nicht oberflächlich mit schwärmerischer, gefühlvoller Musikbegeisterung. Ziel seiner tiefsinnigen Predigt aber ist “auf Gott ausgerichtet ihm singen, das hilft. Diese Musik nimmt mich mit zu Jesus. In Ewigkeit werden wir Gott nach unserer Pilgerschaft in Ewigkeit preisen.” – Mein früherer Organist und Chorleiter sagte dazu: Ihr Pastoren seid in der Ewigkeit arbeitslos. Dort wird nicht mehr gepredigt. Wir Kirchenmusiker können dann endlich zusammen mit den Engeln ewig – auch mit Johann Sebastian Bach – Gott loben und frei musizieren.” – Sehr erhellend ist bei Dietrich Schwanitz in seinem Buch: Bildung zum Thema der Hinweis: Für die Musik gab es bei den alten Griechen zwei Musikgötter: Dionysos und Apollon. Dionysos verkörpet die rauschhafte Musik mit Tanz und Gefühl, Schlager, Rock und Pop und Rausch, die Probleme betäubt. Apollon steht für Musik, welche die Seele zu Gott erhebt zu reiner Anbetung. Nur mit Musik von J.S. Bach können manche Christen religiöse Gefühle haben.

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