Begleiten
In den Erschütterungen des Lebens Halt finden
Predigttext | Hebräer 4,14-16 |
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Kirche / Ort: | Marienkirche, 32139 Spenge - Wallenbrück |
Datum: | 21.02.2010 |
Kirchenjahr: | Invokavit (1. Sonntag der Passionszeit) |
Autor: | Pfarrerin Brigitte Janssens |
Predigttext: Hebräer 4, 14 – 16 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)
14 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so laßt uns festhalten an dem Bekenntnis. 15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde. 16 Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Zum Kirchenjahr
Mit dem ersten Sonntag der Passionszeit beginnt die Begleitung des Sohnes Gottes auf seinem Weg ans Kreuz. Dass Jesus diesen Weg nicht allein als Gottessohn, sondern zugleich als Menschensohn geht – denn er ist versucht worden in allem wie wir (V. 15) – ist das zentrale Thema des Sonntags Invokavit. Auf diese Weise wird unser Begleiten Jesu zur Vergewisserung, dass wir von ihm begleitet sind, gerade auch dann, wenn wir Hilfe nötig haben.
Exegetische Vorbemerkungen
Der Predigttext erscheint mir wie ein vergrabener alter Schatz, der es alle Mühe wert ist, gehoben zu werden. Geheimnisvoll wirkt er in seiner kultischen Sprache und seinen archaischen Bildern, die Neugier wecken und sich zugleich einem schnellen und einfachen Verstehen entziehen. Dieser Schatz will in aller Sorgfalt und Behutsamkeit gehoben sein. Je mehr man von ihm freilegt, desto kostbarer erweist er sich. Das nur ungenaue Wissen um Verfasserschaft oder Empfängerkreis des Schreibens lässt die anzunehmende Situation umso deutlicher hervortreten. Mahnung und Trost („homiletischer Traktat“; Schunack, S. 12) gelten Christen, die aus unterschiedlicher juden- bzw. heidenchristlicher Traditionen kommen. Gemeinsam ist es ihnen jedoch, dass sie in ihrem persönlichen Glauben wie im Gemeindeleben angefochten sind und zu ermüden drohen. Gut 80 – 90 Jahre nach Christus ist Jesus, der Menschensohn, in weite historische Ferne gerückt und Christus, der Gottessohn, theologisch nur schwer greifbar, geschweige denn persönlich erfahrbar. Die dem Hebräerbrief so eigene und uns so fremdartige Hohepriesterchristologie stellt in ihrer Entfaltung die Nähe Gottes zu allen Menschen und allen Orten dar, die in seinem Sohn Jesus Christus gegeben ist. Die Nähe Gottes und seine Teilhabe am Heil erfährt und beantwortet der Mensch seinerseits durch das Bekenntnis, das ihn sowohl persönlich in seinem Glauben als auch öffentlich in seinem Leben herausfordert. Ein so verstandenes Bekenntnis meint und fordert den Einzelnen, ist zugleich aber auch untrennbar mit dem Bekenntnis und Leben der Gemeinde verbunden. Die dringende Aufforderung des Verfassers lautet daher in tröstendem Zuspruch wie in mahnendem Appell, an diesem Bekenntnis festzuhalten.
Homiletische Vorüberlegungen
Die Exegese erweist sich als Vertiefung und Konkretisierung der Aussage des Sonntags „Invokavit“. Dass wir immer und überall durch Jesus als Menschensohn und Gottessohn von Gott begleitet sind, soll uns ermutigen, unsererseits an ihm festzuhalten. Gerade, da wo wir im Glauben schwach oder angefochten sind, Hilfe brauchen im Leben und zum Leben, brauchen wir Jesus, dem nichts Menschliches, aber eben auch nichts Göttliches fremd ist und gerade darin die unverbrüchliche Nähe Gottes zu uns verbürgt. Die Tragfähigkeit dieser Glaubensaussage möchte ich in Beziehung setzen zu den Bildern und Reaktionen, die auch sechs Wochen nach dem Erdbeben in Haiti noch zu spüren sind. Das Ausmaß der Katastrophe konfrontiert ganz massiv mit der Zerbrechlichkeit des Lebens und vermeintlicher Sicherheiten. Bei aller Hilfsbereitschaft ist da zugleich ein tiefes Gefühl der Hilflosigkeit, eine Verunsicherung und Anfechtung auch im persönlichen Glauben. Ermutigen möchte ich daher zum Festhalten am Bekenntnis zu dem Gott, der an jedem Ort und bei jedem Menschen ist und bleibt, in allem Leiden und in allem Anfechtungen.
Literatur
Gerd Schunack, Der Hebräerbrief, T V Zürich 2002.- Hans-Friedrich Weiß, Der Brief an die Hebräer, Kritisch-exegetischer Kommentar über das Neue Testament; Bd. 13, Göttingen 1991.- Yanick Lahens, Sind wir die Verdammten dieser Erde? In: Publik Forum Nr. 2 / 2010, S. 30.
Lieder
„Das Kreuz ist aufgerichtet“ (EG 94) „Ist Gott für mich“ (EG 351, 1-4) „Ein feste Burg ist unser Gott“ (Wochenlied, EG 362) oder „Ach, bleib mit deiner Gnade“ (EG 347)