Beistand aus Gottes unsichtbarer Welt

In glücklichen Zeiten Kraft für die schweren Zeiten sammeln

Predigttext: Hebräer 12,1-3
Kirche / Ort: Lübeck
Datum: 13.04.2014
Kirchenjahr: Palmsonntag (6. Sonntag der Passionzeit)
Autor/in: Pastor em. Hans-Dieter Krüger

Predigttext: Hebräer 12,1-3 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 1984)

(1) Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig     umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,  (2) und aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande gering achtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. (3) Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Vorbemerkung

Der Predigttext bezieht sich auf eine extreme Lebenssituation, die des Glaubenskampfes angesichts von Not und Verfolgung. Ich habe versucht, den Blick zu öffnen für die guten Zeiten, die Menschen ja auch erleben und dies an Jesus, unserem Glaubensvorbild, veranschaulicht. Wichtig war mir, Hoffnung, Mut und Zuversicht, die Jesus durch das Leiden getragen haben, den Predigthörern für ihre persönlichen Glaubenskämpfe zu vermitteln.

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Für das Leben gibt es zahlreiche Bilder, zB: Das Leben ist eine Wanderschaft – sie beginnt mit unserer Geburt und endet mit unserem Tode. Sie lässt uns über lichte Höhen gehen,  mutet uns aber auch dunkle Täler zu. Oder: Das Leben ist wie eine Achterbahn. Mal geht’s rauf, mal runter. Ein anderes Bild gebraucht der Beter des 90. Psalms. Er beschreibt das Leben als einen  Flug durch die Zeit. Es geht so schnell vorbei, „als flögen wir davon“. Und in den ersten Versen im 12. Kapitel des Hebräerbriefes, die wir gerade gehört haben, wird es mit einem Kampf verglichen. Der „Lebenskampf“, das ist ein uns geläufiges Bild. Sehen wir das auch so, dass unser Leben durch Kampf gekennzeichnet ist? Für manchen ist dieses Bild sicher zutreffend. Für andere passt es vielleicht besser, das Leben mit einer Wanderung zu vergleichen. Das schließt ja nicht aus, dass es auch hier zu Auseinandersetzungen, zu Kämpfen kommen kann. Im 23. Psalm werden diese Zeiten mit dem Weg durch ein dunkles Tal verglichen. Aber wenn wir auf unser Leben zurückblicken und Bilanz ziehen, wie es bisher verlaufen ist, dann werden wir doch zuerst einmal an die guten Zeiten erinnert. An die Wege über die Höhen des Lebens. Für viele ist es eine glückliche Kinder- und Jugendzeit. Ein erfolgreiches Berufsleben, eine harmonische Ehe, Freude an der Familie, stabile Gesundheit, Rettung aus mancherlei Krankheitsnöten. Nicht zu vergessen die  Geborgenheit im Glauben und das Geschenk des Vertrauens Gott gegenüber, dem Schöpfer und Erhalter unseres Lebens, verbunden mit der Hoffnung, dass er, der  unsere Wege bisher gnädig geführt hat, uns eines Tages das Ziel unseres Lebens, unsere eigentliche Bestimmung, in der Ewigkeit erreichen lässt.

Ich möchte an das Leben Jesu erinnern. In Vers 2 heißt es: Wir sollen auf  ihn schauen. Er ist der Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Er ist für uns ein Vorbild auch im Hinblick auf das, was die Beurteilung und Einstellung zum Leben angeht. Es stimmt, dass er Schweres durchgemacht hat. Er hat Verachtung, Spott und schließlich den Tod am Kreuz erleiden müssen. Es war seine Bestimmung,  und die hat er angenommen. Es sind aber nicht nur die letzten Tage des Leidens, die sein Leben gekennzeichnet haben.  Es gab ja auch die Jahre vorher: Die Bewahrung als kleines Kind vor dem mörderischen Zugriff eines Herodes. Die Zeit in Nazareth, als er als Ältester einer großen Geschwisterschar heranwuchs. Es waren wohl glückliche Jahre. Wir denken an seinen ersten Auftritt im Tempel zu Jerusalem als er 12 Jahre alt war. Wir hörten von der Anerkennung und Bewunderung durch die Priester und Schriftkundigen im Tempel, mit denen er auf Augenhöhe zu diskutieren verstand. Lukas beendet den Bericht über diesen aufregenden Ausflug mit der Bemerkung, dass die Familie nach Nazareth zurückkehrte und Jesus dort heranwuchs. Seine Weisheit nahm zu, und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen. Und das hat ihn wohl auch erfreut. Von den nächsten 18 Jahren in seinem Leben erzählen uns die Evangelien nichts. Ich kann mir aber vorstellen, dass er gerne in der Werkstatt des Vaters mitgearbeitet hat und nach dessen Tod als gelernter Zimmermann den väterlichen Betrieb übernahm. Es war für ihn selbstverständlich, die große Familie, die Mutter, seine vier Brüder und die Schwestern durchzubringen. Erst im Alter von etwa 30 Jahren, als die Geschwister auf eigenen Füßen standen, verließ er seine Heimat und folgte seiner göttlichen Berufung.   Nun predigte er den Menschen die frohe Botschaft vom Reich Gottes.

Noch heute sind wir fasziniert von der zupackenden Sprache Jesu in seinen Gleichnissen, in denen er Gottes Liebe und seine Barmherzigkeit pries. Die Menschen kamen zu ihm mit ihren Krankheiten. Im Evangelium heißt es, dass er sie alle heilte. Sogar Tote rief er ins Leben zurück. Das waren wunderbare Signale, die bis heute Gültigkeit haben: Eines Tages werden diese dunklen Mächte, die auch das glücklichste Leben überschatten, überwunden sein. Keine Krankheit, kein Tod. Was für eine herrliche Botschaft. Besonders den Sündern wandte er sich zu. Er tat es nicht nur mit Worten. Er hatte Gemeinschaft mit ihnen. Das ist ein großes Geschenk für alle Menschen, die unter dem Joch der Sünde leiden, die mit ihren Fehlern, ihrem Versagen, ihrer Entfremdung von Gott nicht fertig werden, und das gilt ja für jeden unter uns. Zu Recht sagt Paulus, dass Jesus durch seinen Tod am Kreuz uns mit Gott versöhnt hat und wir nun im Frieden mit ihm leben können. So ging Jesus von Erfolg zu Erfolg als genialer Prediger, dem die Menschen in Massen zuströmten und viele seine Jünger wurden. Als Heiler, der die Kraft besaß, Blinden, Lahmen, Aussätzigen und psychisch Kranken ein neues Leben zu schenken. In diesen Jahren ging Jesus über die Höhen des Lebens, und er hat sicher Freude daran gehabt. Daraus konnte er auch Kraft schöpfen als die ersten Schwierigkeiten auftragen, als man ihm Steine in den Weg legte, seine Autorität bestritt und die Anfeindungen schärfer wurden.

Daran sollen auch wir denken, wenn uns dunkle Stunden beschieden sind.  Wir können in glücklichen Zeiten Kraft sammeln, um die schweren Zeiten zu bestehen.  Der Kampf, in den Jesus gestellt wurde, ist für ihn gut ausgegangen. Auch wir können die Lebens- und Glaubenskämpfe, die uns verordnet sind, erfolgreich bestreiten. Wir können es schaffen. Wir sind in solchen Auseinandersetzungen nicht auf uns allein gestellt. Wir haben Beistand aus Gottes Welt. In unserem Text heißt es: „Er hat das Kreuz erduldet und die Schande gering geachtet”. Aber dort steht eben auch der wichtige Satz: „Er hat sich gesetzt zur Rechten des Thrones Gottes”. Das letzte Wort haben nicht seine Feinde, sondern hat der, der ihn dem Tode entriss, seine Ehre wiederherstellte und ihn an seiner Macht beteiligte.

Dass der Kampf für Jesus gut ausgehen würde, dass er siegreich daraus hervorgehen würde, daran hat er selber nie gezweifelt. Immer wenn er von seinem Leiden und Sterben sprach, fügte er hinzu, dass er auferstehen werde. Er war von Gottes Treue und seinem Sieg überzeugt, und wir dürfen es im Blick auf unser Geschick auch sein. Wir können die Kämpfe, die uns das Leben aufzwingt, bestehen. Wir dürfen dankbar sein, wenn die Zeiten ruhig sind und wir nicht solchen Anfechtungen und Verfolgungen ausgesetzt sind, wie die Gemeinden, an die sich der Hebräerbrief  richtet. Aber es kann auch anders kommen: Das Wetter kann umschlagen. Die politische Lage kann sich, auch im Blick auf die christliche Gemeinde, verschlechtern. Die See kann rau werden. Es können Verfolgungen kommen, was wir nicht hoffen. Es können religiöse Sturmzeiten kommen. Und im persönlichen Bereich droht vielleicht auch Ungemach. Unser Lebensschiffchen kann kentern. Unser bislang so sicherer und zuversichtlicher Wanderschritt kann ermatten. Unser Flug kann mit einer Bruchlandung enden. Mancher von uns ist vielleicht schon in so einer beängstigenden Lage. Das Alter legt seine Lasten auf uns. Krankheiten und Einschränkungen erinnern an unsere Zeitlichkeit. Das irdische Ende wirft seinen Schatten auf uns bisher so schönes Leben. Die Sorgen um Menschen, die uns nahe stehen, treiben uns um. Da ist unser Glaube gefragt. Da wird unser Vertrauen auf die Probe gestellt.

Wir sehnen uns nicht nach diesen Prüfungen. Aber wir können ihnen auch nicht ausweichen. Es kann sein, dass wir dann auf einmal spüren, was wir nie für möglich gehalten haben: wie schwer der Kampf ist, in den wir gestellt sind. Da müssen wir um Kraft bitten, dass wir nicht matt werden und der Mut uns nicht verlässt. Die Chancen stehen gut, dass uns das gelingt. Wir sind ja nicht allein. Wir haben  Beistand aus Gottes unsichtbarer Welt. Da ist die Wolke der Zeugen, die ein Auge auf uns haben. Da begleitet uns eine große Schar von Menschen, die die Ziellinie des Lebens schon überschritten haben und möchten, dass auch wir gut ankommen. Wir können sie nicht sehen und nicht hören. Aber von Zeit zu Zeit spüren wir ihre Gegenwart wie ein geheimes Raunen, das uns ahnen lässt: Da ist eine Welt voller Wesen, die es gut mit uns meinen, die unser Gemüt aufhellen, die unseren Geist beflügeln, die uns Trost zukommen lassen, die zu uns halten, die Beifall klatschen, wenn wir uns in Geduld und Treue bewähren. Sie erinnern uns an die „guten Mächte“, die Dietrich Bonhoeffer besungen hat. Sie lassen uns wissen, dass wir letztlich in Gottes Güte und in seinem Erbarmen geborgen sind, ganz gleich, ob uns die Sonne des Glückes lacht oder die Wetterlage des Lebens unangenehm wird. Da hoffe ich, dass uns das Schlimmste erspart bleibt. Vor allem, dass der Glaube nicht zerbricht, die tröstende Stimme des Heiligen Geistes nicht verstummt und die Hoffnung nicht verblüht. Letztlich können wir unser kleines, zerbrechliches Leben doch nur vertrauensvoll in Gottes Hände legen und darauf hoffen und darum bitten, dass er es mit uns recht macht und uns hilft, das Ziel unseres Lebens gut zu erreichen. Wie schön hat Dietrich Bonhoeffer diese Hoffnung in Worte gefasst:

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang  der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all Deiner Kinder hohen Lobgesang.  Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

 

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2 Kommentare on “Beistand aus Gottes unsichtbarer Welt

  1. Pastor Heinz Rußmann

    Wie kann man seine Zuhörer trösten, ohne dass sie sich nur vertröstet fühlen? Pastor Krüger gelingt das m.E. sehr gut. Er zeigt zu Beginn einige Bilder für unser Leben. Dann übernimmt er aus dem Predigttext, dass unser Leben ein Kampf ist und eine Wanderung. Wir denken beim Rückblick auf unser Leben ja auch an glückliche Zeiten und Fügungen und an Gottvertrauen auf das endgültige Ziel hin bei Gott. Christen blicken dabei auf Jesus, wenn sie ihr eigenes Leben beurteilen. Jesus selbst hat Glück und Leid, Jubel, aber auch Feindschaft und Kreuz erfahren. Originell und bisher nicht gehört ist die Perspektive von Pastor Krüger, dass Jesus gern als Zimmermann die Werkstatt von Josef übernahm und dort arbeitete, bis er seine vier Brüder und seine Schwestern so durchbrachte, dass sie selbstständig waren. Dann erst mit dreißig Jahren folgte er seiner göttlichen Berufung. Wunderbare Worte findet der Prediger, um Jesu Wirken zu beschreiben. “Eines Tages werden die dunklen Mächte, die auch das glücklichste Leben überschatten, überwunden sein. Keine Krankheit, kein Tod. Was für eine herrliche Botschaft.” Auch wir können wie Jesus unsere Lebens- und Glaubenskämpfe bestehen. Wir haben Jesus und den Beistand der himmlischen Welt. Gute Mächte begleiten uns. Mit dem intensiven Gebet von Dietrich Bonhoffer schließt diese nicht vertröstende, sondern zum Bestehen des Lebenskampfes ungewöhnlich stark ermutigende Predigt.

  2. Manfred Günther, Pfr.i.R.

    Da ich selbst Internetpredigten zu jedem Sonn- und Feiertag anbiete, habe ich den Text aktuell auch schon in eine Predigt umgesetzt. Wenn ich dann Predigten anderer Predigerinnen lese, geschieht es meist, dass ich mir die Fragen stelle: Wie hat der oder die das gemacht? Ist das Proprium getroffen? Wie wird das bei den Hörerinnen und Hörern ankommen.
    Pastor Krüger hat es zum wiederholten Male verstanden, mir eine Predigt zu halten, die diese Fragen hat verstummen lassen. Er hat mich persönlich angesprochen – nicht als Theologe, nicht als Pfarrer, nicht als Prediger, sondern als Mensch, der Trost braucht und Ermutigung und Wegzehrung für die Wanderschaft durch das Leben und Stärkung für den Lebenskampf. Ich habe in Pastor Krügers Worten gefunden, was ich gebraucht habe. Danke!

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