Predigt

Bindung

Gott will das Leben, nicht das Opfer - Umgang mit Verlust, mit unverständlichem Leiden - vollständige Hingabe unter den Willen Gottes

Predigttext1. Mose / Genesis 22, 1 – 13
Kirche / Ort:Johanneskirche / Johannes-Diakonie / 74821 Mosbach
Datum:02.04.2017
Kirchenjahr:Judika (5. Sonntag der Passionszeit)
Autor:Pfarrerin Birgit Lallathin

Predigttext: 1. Mose / Genesis 22, 1 – 13 ( Übersetzung nach Martin Luther)

Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich! Und er (Gott) sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die Beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er (Isaak) sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; Wo aber ist das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ausersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: Abraha! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts, denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes Statt.

Hinführung zum Predigttext und Überlegungen

Eine der dunkelsten und schwerverständlichen Passagen der Bibel liegt vor. Wie den dunklen Gott aushalten, der unverständlich bleiben muss in seiner entsetzlichen Forderung, das eigene Kind, den Sohn der Verheißung, zu opfern, ja ihn sogar als Ganzopfer (Korban) Gott hinzugeben? Auf die ganze Problematik der Opfertheologie im Christlichen als auch im jüdischen Kontext einzugehen, erscheint als kaum zu bewältigende Aufgabe. Zu sperrig ist den heutigen Predigthörern ohnehin der Begriff des Opfers, Wem und warum soll ein Opfer gefallen?

Welches Gottesbild verbirgt sich (sic) hinter der Vorstellung, Gott verlange Opfer? In der christlichen Tradition und Dogmengeschichte wird der Begriff des Opfers zu häufig missbräuchlich zum Aushängeschild eines verdunkelten Gottesbildes, gar einer quasi dunklen Folie eines alttestamentlichen (Rache-)Gottes. Vor dieser Folie glänzt dann umso heller der scheinbar neue Gott des Neuen Testaments, der Gott der Liebe. Das Opfer Jesu, seine Verherrlichung im Altarsakrament, führte zu theologischen Abwegen bis hin zur „Gottesvergiftung“ (Tilman Moser), die auf Christen eher abschreckend wirkte oder sich krankmachend äußerte. Diese Art Opfervorstellungen, auch eine vorschnelle Gleichsetzung von Genesis 22, 1- 13 mit der Passion Jesu, gilt es in der Predigt zu vermeiden.

Wohl aber spricht die alte, mythische Erzählung eine existenzialistische Wahrheit aus: der Umgang mit Verlust, mit unverständlichem und sinnlosen Leiden, dem Tod. Sören Kierkegaard arbeitete sich ein Leben lang an diesem Mythos ab, Gerhard von Rad warnt regelrecht: „Wer sich auf Genesis 22 einlässt, muss darauf gefasst sein, dass er immer wieder wie vor einem Abgrund zurückschaudert“. Diese existenzialistische Wahrheit gilt es ernst zu nehmen, ohne daran zu verzweifeln.

Gott will das Leben, nicht das Opfer. Welche Rolle der Widder in der Erzählung eingenommen hat, ob er zum ursprünglichen Text gehörte oder ein späterer – opfertheologischer Einschub ist – müsste eine ausführlichere Exegese zeigen als sie mir im Zusammenhang dieser Predigtvorbereitung tatsächlich möglich ist. Zu erinnern ist an Herrmann Gunkel, der bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Genesis 22 eine Auseinandersetzung mit im Umfeld des frühen Israel üblichen Kinderopfern vermutet. Anstelle des Menschenopfers tritt das Tieropfer in der Zeit des Tempels. Jüdischerseits entwickelt sich, auch, aber nicht nur, aus Genesis 22 die Vorstellung, dass das ganze Leben der Gläubigen ein Opfer sei, eine vollständige Hingabe unter den Willen Gottes. Unter dem Willen Gottes ist es möglich, Gutes zu tun und zu leben, gerecht zu sein. Die „Bindung“ Isaaks (Akeda) meint nicht nur das Fesseln zum Opfer, sondern die Bindung an Gottes Gesetz.

Interessant und der Erwähnung wert ist die Rezeption von Genesis 22, 1 – 13 in die jüdische Liturgie des Neujahrsfestes: Das Weiterleben Isaaks ist als eine Neuschöpfung zu verstehen, um die Gott am Neujahrstag gebeten wird. So kommt alles Leben, alle Zeit aus Gottes Hand und mündet wieder in Gottes souveräne Ewigkeit ein. Im muslimischen Kontext wird am Opferfest des Gehorsams Ismaels/ Isaaks als vorbildhaft für den gläubigen Muslim erinnert.

Elie Wiesel, einer der herausragenden Zeitzeugen und Chronisten des Holocaust, war derjenige, der den jüdischen Begriff des Opfers, des Brandopfers mit der Menschheitstragödie des Mordes an über 6 Millionen Juden in Europa in Zusammenhang brachte. In der griechischen Umschreibung nennt er das Brandopfer „Holocaust“. Aber es war auch Elie Wiesel, der genau diesen Begriff später nicht mehr verwendet sehen wollte, weil das jüdische Volk eben nicht(!) geopfert, sondern ermordet worden ist. Mord kann nicht religiös überhöht werden. So bevorzugt er später den Ausdruck „Shoa“ (Katastrophe/ großes Unheil).

Im Jahr der Reformation liegt es nahe, an Martin Luthers Unterscheidung des dunklen und des offenbarten Gottes zu erinnern. Dies bitte im existenzialistischen, nicht dogmatischen Sinne! Wann immer sich Luther, bedrängt durch eigene psychische Abgründe, von der dunkeln, der unverständlichen Seite Gottes im Glauben angefochten sah, empfahl er sich selbst und anderen, sich der hellen Seite Gottes, in der annehmenden Liebe Gottes in Jesus Christus zuzuwenden. Die dunkle Seite ist und muss unverständlich bleiben, der Glauben aber findet Trost und Leben in Jesus Christus.

Den Ausblick auf das Leben, das Gott will, soll auch Ziel der Predigt sein. Nicht Tod, nicht – sinnloses – Opfer will Gott, wohl aber Hingabe des eigenen Lebens in der Gerechtigkeit. Befreit zum Leben, das ist der Ausblick in der Passionszeit 2017.

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