Bleibende Begleitung: Glaube, Hoffnung, Zuversicht

Unser irdisches Leben ein kostbares und unwiederbringliches, einmaliges Geschenk

Predigttext: 1. Thessalonicher 5,1-6
Kirche / Ort: St. Gertrud-Kirche / Lübeck
Datum: 08.11.2020
Kirchenjahr: Drittletzter Sonntag im Kirchenjahr
Autor/in: Pastor Hans-Dieter Krüger

Predigttext: 1. Thessalonicher 5,1-6 (Übersetzung nach Martin Luther, Revision 2017)

Der Tag des Herrn1 Von den Zeiten aber und Stunden, Brüder und Schwestern, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommt wie ein Dieb in der Nacht. 3 Wenn sie sagen: »Friede und Sicherheit«, dann überfällt sie schnell das Verderben wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entrinnen. 4 Ihr aber seid nicht in der Finsternis, dass der Tag wie ein Dieb über euch komme. 5 Denn ihr alle seid Kinder des Lichtes und Kinder des Tages. Wir sind nicht von der Nacht noch von der Finsternis. 6 So lasst uns nun nicht schlafen wie die andern, sondern lasst uns wachen und nüchtern sein.

 

 

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Für die Gemeinde in Thessalonich war die Frage, wann Christus wiederkommt um eine neue, bessere, ja vollkommene  Welt zu errichten, von zentraler Bedeutung. Für uns steht dieses Themas nicht oben auf der Tagesordnung. Wir haben uns mit der „Parusieverzögerung“, wie es in der Gelehrtensprache heißt, abgefunden. Seit 2000 Jahren ist in dieser Hinsicht nichts passiert. Die meisten von uns sind darüber froh und dankbar. Wir erschrecken zwar angesichts von Krieg und Gewalt, sind erschüttert von Mord und Totschlag, von Naturkatastrophen, von Pandemien und Epedemien.

I.

Es sind viele Gefahren, die auch in diesen Tagen auf uns lauern. Aber wir hoffen und beten, dass wir von dem allen möglichst verschont bleiben und dürfen dankbar erkennen, dass wir meistens gut davongekommen sind, oft verschont blieben und singen gern von den „Flügeln“, die Gott angesichts der allzeit gegenwärtigen Nöte und Gefahren, „über uns gebreitet hat.“

Zu Recht haben verschiedene Ausleger diesen Zeitraum, in dem die Christenheit vergeblich auf die Wiederkunft ihres Herrn gewartet hat, als „Gnadenzeit“ beschrieben. Das normale Leben darf weiter gehen. Wir empfinden es als göttliches Geschenk. Das Erdendasein ist für viele von uns wunderbar. Wir möchten es nicht missen. Wir hängen am Leben. Wir genießen es. Wir klammern uns daran.

Das Leben hier auf Erden ist ja nicht nur ein „Jammertal“ wie es in früheren Zeiten oft empfunden wurde, was angesichts der schrecklichen Zustände, was Kriege und Katastrophen angeht, verständlich ist und für die Ärmsten der Welt auch heute gilt. Nein, wir lieben das Leben hier auf Erden. Wir feiern das Leben. Und wenn unsere Zeit abgelaufen ist, dann sollen wir auch bereit sein, in Dankbarkeit Abschied zu nehmen in der Hoffnung auf ein neues Leben, das Gott in der Ewigkeit für uns bereithält.

II.

So ergreifen wir immer wieder neu das irdische Leben als kostbares und unwiederbringliches, einmaliges Geschenk. Junge Leute heiraten wie eh und je. Wir freuen uns an Kindern, Enkelkindern und sind dankbar, wenn es ihnen gut geht und sie das Leben meistern. Und als christlich gesonnene Menschen versuchen wir, uns zu bewähren und so zu leben, wie die biblischen Werte es vorgeben, so wie auch in unserem Predigttext angesagt:

Als Kinder des Lichtes, die um die Früchte des Geistes wissen und sich mühen, sie im täglichen Leben zur Reife kommen zu lassen. Paulus hat sie aufgelistet: Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld, Vergebungsbereitschaft, Mitgefühl und Nächstenliebe. Um es mit einem schönen Kirchengebet zu sagen als Antwort auf die Frage, warum wir auf dieser Erde sind: „Zu leben als Gottes Kinder und Zeugen seiner ewigen Wahrheit“.

Zuweilen wird mit dem Thema der verzögerten Wiederkunft auch humorvoll umgegangen. So wird von einer gläubigen schwäbischen Seniorin berichtet, die während einer Missionswoche vom Vortrag eines Predigers stark beeindruckt war. Der malte die baldige Wiederkunft Jesu dramatisch aus und erklärte der Gemeinde, was es bedeutet, wenn Jesus „mit Gericht und Gnade“ erscheint, und wie sehr sich seine Gemeinde freuen kann, an der neuen Welt teilhaben zu dürfen. „Und das kann schon morgen sein“, so seine zentrale Botschaft. Die alte Dame war von dieser Predigt tief beeindruckt. Aber ihre Reaktion lässt uns schmunzeln:  „Aber der Herr möchte bitte nicht morgen kommen, da habe ich große Wäsche.“

III.

Paulus und auch andere christlichen Lehrer haben sich vom Heiligen Geist inspirieren lassen und die Wiederkunft Christi mit unserem Ableben verbunden. Unser Sterben wird zu einem  „Heimgehen“ und einer wunderbaren Begegnung mit dem, der schon zu seinen irdischen Zeiten für die Seinen gute Nachrichten hatte: „Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ (Joh. 14,19) Ein Wort, das wir unseren verstorbenen Angehörigen und Freunden gern als letzten Gruß mit auf den Weg geben.

Oder seine Worte, die uns ebenfalls von Johannes (Joh. 11,25) überliefert sind: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe, und wer da lebet und glaubet an mich wird niemals sterben.“

Worte, die für viele zum Trost wurden und bis heute ihre Kraft entfalten, wenn wir mit der letzten, bitteren irdischen Wirklichkeit konfrontiert werden: Dass wir dann unsern Herrn schauen, an den wir hier geglaubt haben, ihm in einer neuen Weise begegnen, ihm, der uns einst ins Leben rief, der uns so oft behütet und bewachte, der so viel Gutes an uns getan hat und der nun das ewige Leben für uns bereit hält.

Ich liebe diese Strophe aus dem Lied: „Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte …“  (Autor: Carl Boberg Boberg (1859-1940), übersetzt von Manfred von Glehn): „Und wenn der Herr von hinnen mich gerufen, wenn ich von seinem Glanz geblendet steh`, anbetend niederfall`zu seinen Stufen, den König dort in seiner Schöne seh`, dann jauchzt mein Herz dir großer Herrscher zu, wie groß bist du, wie groß bist du!“

Vielleicht stehen uns noch schwere Zeiten bevor. Jesus hat davon gesprochen. Auch Paulus macht in seinen Briefzeilen entsprechende Andeutungen. Aber wir dürfen hoffen, dass sie uns erspart bleiben. Und wenn nicht, dass wir sie mit Gottes Hilfe gut überstehen. Wir halten uns an seine Zusagen: Wenn solches geschieht, „so sehet auf und hebet eure Häupter auf, darum dass sich eure Erlösung nahet.“ (Lukas 21,28)

Wie es auch kommen mag: Glaube, Hoffnung und Zuversicht bleiben unsere Begleiter. So dürfen wir uns gerne das schlichte Gebet von Eduard Mörike zu  eigen machen: „Herr, dir in die Hände, sei Anfang und Ende, sei alles gelegt“.

 

 

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Ein Kommentar zu “Bleibende Begleitung: Glaube, Hoffnung, Zuversicht

  1. Pastor i.R.Heinz Rußmann

    Was das Ende der Erde betrifft, predigt Pastor unvergleichlich hoffnungsfroh, tröstlich und überzeugend. Die Parusieverzögerung ist für uns real,auch wenn wir wohl noch Katastrophen erleiden werden. Aber wir sind doch oft schon behütet worden. Die verzögerte Wiederkunft Christi vor der Vollendung der Welt ist eine Gnadenzeit. Wir lieben durchweg das Leben heute auf Erden. Pastor Krüger kann sogar rhetorisch geschickt einen Witz einflechten. Unser Sterben und Aufersthen ersetzt bisher teilweise die Wiederkunft. Wir wissen nicht, was uns das Leben noch an Leiden bringt, aber unser Glaube wird uns bis zum Ende durch Christus erhalten bleiben.
    Über das dunkle Thema Jammertal predigt Pastor Krüger vorbidlich intensiv, seelsorglich und überzeugend. Die Predigt ist auch gut aufgebaut und spannend und mitreißend. Man kann verstehen, warum er in Lübeck so ein überaus erfolgreicher Prediger ist. – Ergänzen möchte ich, dass nach meiner Erfahrung als Gemeindepastor und Reli-Lehrer die Vision von Teilhard de Chardin heute wunderbar aktuell , intellektuell und überzeugend ist.

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